Weitere mittelneolithische Erdwerke liegen aus
Bayern, aus dem Kontext der Oberlauterbacher
Gruppe vor, die mit der Großgartacher Kultur und
mit der jüngeren Stichbandkeramik im Osten an-
nähernd synchronisiert werden kann393. Hervorzu-
heben sind in diesem Zusammenhang die Anlagen
von Kothingeichendorf, Ldkr. Dingolfing-Landau,
Künzing-Unternberg und Osterhofen-Schmiedorf,
beide Ldkr. Deggendorf394, die jeweils eine Sied-
lung mit vermutlich dazugehörigen kleineren Kreis-
grabenanlagen umgeben395. Schließlich sei noch
erwähnt, daß auch im Pariser Becken verschiedene
mittelneolithische Grabenanlagen nachgewiesen
werden konnten396.
Im Kontext der Rössener Kultur scheinen reine
Palisadenanlagen als Umhegung von Siedlungen
zu überwiegen. Beispiele für derartige Anlagen
konnten u.a. in Inden-1 (Abb. 28) und Aldenho-
ven-1 (Abb. 19), beide Kr. Düren, Bad Friedrichs-
hall-Kochendorf, Ldkr. Heilbronn, und in Esbeck/
Schöningen-7, Ldkr. Helmstedt (Abb. 17), erfaßt
werden397. Weitere Belege für Palisadenkonstruk-
tionen sind vor allem auch aus dem Bischheimer
Milieu, z.B. in Urmitz, Ldkr. Mayen-Koblenz,
bekanntgeworden, aber auch Grabenanlagen sind
in diesem Zusammenhang belegt398.
Im Rössener Milieu sind neben den Palisadenan-
lagen auch weiterhin kleine Kreisgrabenanlagen
(„Rondelle“) verbreitet. Als Beispiele seien die ver-
meintlich spät-stichbandkeramische oder rössen-
zeitliche Kreispalisadenanlage (max. Durchmes-
ser 95 m) von Quenstedt-4-Schalkenburg, Ldkr.
Mansfelder Land, die möglicherweise Bischhei-
mer Anlage (Durchmesser 20 m) von Inden, Kr.
Düren, und die ein älteres (GG/PF) Erdwerk über-
lagernde, ca. 70 m weite, rundliche Palisadenan-
lage von Hambach-260, Kr. Düren (Abb. 25:2),
genannt399.
Die Frage der Genese der mittelneolithischen Erd-
werkstypen ist nur schwer zu beurteilen. Einer-
seits könnten die Großgartacher Erdwerke auf Vor-
bilder oder Anregungen aus dem Milieu der späten
Linienbandkeramik zurückzuführen sein, ande-
rerseits wäre auch eine eigenständige Umsetzung
der im Neolithikum weit verbreiteten „Erdwerks-
idee“ denkbar400. In linienbandkeramischem Kon-
text sind mit den mittelneolithischen Erdwerken
durchaus vergleichbare Anlagen z.B. in Eilsleben,
Bördekreis, und Bicske, Kom. Zala (Westungarn),
aufgetreten401. Die Erdwerke der Linienbandkera-
mik sind ebenfalls durch eine große Formenvielfalt
gekennzeichnet, so daß allgemeingültige Aussa-
gen schwerfallen402. Der Durchmesser der frühne-
olithischen Anlagen bewegt sich mehrheitlich
zwischen 100 und 200 m, daneben kommen aber
sowohl kleinere mit 50-90 m als auch - besonders
im Donaugebiet - bedeutend größere Anlagen bis
zu 500 m Durchmesser vor. In der älteren Linien-
bandkeramik überwiegen regelmäßige geometri-
sche Formen403. Auch reine Palisadenanlagen tre-
ten bereits im Frühneolithikum in Erscheinung,
393 Engelhardt, Schmotz 1984. Hodgson 1988, bes. 369-378. Petrasch 1991,420: Abb. 1 (Anfang), 483. Zu weiteren mittel-
neolithischen Erdwerken in Südostbayern vgl. 526-527: Liste C.
394 Siehe Wagner 1928, 43-45; Petrasch 1990, 527-528: Taf. 37-38; 1991, 558-560: Abb. 21:2, Abb. 22:2, Abb. 23:2 (mit Lite-
raturverweisen); Trnka 1991, 269-277.
395 Petrasch 1990, 371: Anm. 2; 383.
396 Als stellvertretendes Beispiel sei hier das spät-rössenzeitliche bzw. Bischheimer („Proto-Menville“) Erdwerk Berry-au-Bac,
Dep. Aisne, genannt. Es handelt sich um eine ursprünglich kreisförmige Anlage mit einer Innenfläche von ca. 2-3 ha und
vermutlich gleichzeitiger Innenbebauung; Grabenbreite 2,8-5,0 m, -tiefe 0,4-1,0 m, Durchlaßbreite 1,1 m; zur Innenfläche
verläuft in 3-3,5 m Abstand ein Palisadengräbchen (Breite 0,7 m, Tiefe 1-1,7 m) mit Pfostenstandspuren in 0,1-0,5 m Abstand
zueinander; siehe dazu Dubouloz 1991 bzw. Heyd 1991, 820-821. Zu den mittelneolithischen Grabenwerken Nordost-
Frankreichs vgl. die Übersicht bei Dubouloz, Lebolloch, Illet 1988; Toupet 1988 bzw. Cassen, Boujot 1990, 459.
397 Inden-1: Kuper, Piepers 1966, 374. Kuper 1979. Aldenhoven-1: Eckert 1971, 565 u. Bild 7. Jürgens 1979, 387, 397 und
Abb. 2. Bad Friedrichshall-Kochendorf: Biel 1991, 160: Abb. 5; 1992, 61: Abb. 34 u. S. 62-64. Esbeck/Schöningen-7:
Thieme 1985, 36-37; 1985a, 102-103; 1987, 104. Maier 1995, Abb. 118 u. S. 130.
398 Bertemes 1991, 461 u. Abb. 1:1.
399 Schalkenburg: Behrens 1984. Schröter 1990. Petrasch 1991, 488 u. 524: Kat.-Nr. 56. Andersen 1997, 182. Inden:
Schwellnus, Hermanns 1982, 462. Hambach: Lüning 1984a, 15-16.
400 Zu dieser Thematik siehe auch Lüning 1984a, 18; Engelhardt, Schmotz 1984, 40-41; Höckmann 1990, 81-82; Petrasch
1990, 384.
401 Höckmann 1990, 67, 81 u. Abb. 6. Zum Erdwerk von Eilsleben vgl. Kaufmann 1978; 1983,191-193; 1990a; Lüning 1988,
155; Kaufmann 1990 (im Siedlungsbereich konnte auch Rössener Keramik nachgewiesen werden). Zu der ungarischen
Anlage von Bicske siehe Höckmann 1990, 67 u. Abb. 2-3.
402 Eine Zusammenstellung der linienbandkeramischen Erdwerke findet sich bei Lüning 1988. Zu den Grabenwerken des
älteren und mittleren Neolithikums aus Niederbayern vgl. auch Engelhardt, Schmotz 1984.
403 Höckmann 1990, 67 u. Abb. 10.
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Bayern, aus dem Kontext der Oberlauterbacher
Gruppe vor, die mit der Großgartacher Kultur und
mit der jüngeren Stichbandkeramik im Osten an-
nähernd synchronisiert werden kann393. Hervorzu-
heben sind in diesem Zusammenhang die Anlagen
von Kothingeichendorf, Ldkr. Dingolfing-Landau,
Künzing-Unternberg und Osterhofen-Schmiedorf,
beide Ldkr. Deggendorf394, die jeweils eine Sied-
lung mit vermutlich dazugehörigen kleineren Kreis-
grabenanlagen umgeben395. Schließlich sei noch
erwähnt, daß auch im Pariser Becken verschiedene
mittelneolithische Grabenanlagen nachgewiesen
werden konnten396.
Im Kontext der Rössener Kultur scheinen reine
Palisadenanlagen als Umhegung von Siedlungen
zu überwiegen. Beispiele für derartige Anlagen
konnten u.a. in Inden-1 (Abb. 28) und Aldenho-
ven-1 (Abb. 19), beide Kr. Düren, Bad Friedrichs-
hall-Kochendorf, Ldkr. Heilbronn, und in Esbeck/
Schöningen-7, Ldkr. Helmstedt (Abb. 17), erfaßt
werden397. Weitere Belege für Palisadenkonstruk-
tionen sind vor allem auch aus dem Bischheimer
Milieu, z.B. in Urmitz, Ldkr. Mayen-Koblenz,
bekanntgeworden, aber auch Grabenanlagen sind
in diesem Zusammenhang belegt398.
Im Rössener Milieu sind neben den Palisadenan-
lagen auch weiterhin kleine Kreisgrabenanlagen
(„Rondelle“) verbreitet. Als Beispiele seien die ver-
meintlich spät-stichbandkeramische oder rössen-
zeitliche Kreispalisadenanlage (max. Durchmes-
ser 95 m) von Quenstedt-4-Schalkenburg, Ldkr.
Mansfelder Land, die möglicherweise Bischhei-
mer Anlage (Durchmesser 20 m) von Inden, Kr.
Düren, und die ein älteres (GG/PF) Erdwerk über-
lagernde, ca. 70 m weite, rundliche Palisadenan-
lage von Hambach-260, Kr. Düren (Abb. 25:2),
genannt399.
Die Frage der Genese der mittelneolithischen Erd-
werkstypen ist nur schwer zu beurteilen. Einer-
seits könnten die Großgartacher Erdwerke auf Vor-
bilder oder Anregungen aus dem Milieu der späten
Linienbandkeramik zurückzuführen sein, ande-
rerseits wäre auch eine eigenständige Umsetzung
der im Neolithikum weit verbreiteten „Erdwerks-
idee“ denkbar400. In linienbandkeramischem Kon-
text sind mit den mittelneolithischen Erdwerken
durchaus vergleichbare Anlagen z.B. in Eilsleben,
Bördekreis, und Bicske, Kom. Zala (Westungarn),
aufgetreten401. Die Erdwerke der Linienbandkera-
mik sind ebenfalls durch eine große Formenvielfalt
gekennzeichnet, so daß allgemeingültige Aussa-
gen schwerfallen402. Der Durchmesser der frühne-
olithischen Anlagen bewegt sich mehrheitlich
zwischen 100 und 200 m, daneben kommen aber
sowohl kleinere mit 50-90 m als auch - besonders
im Donaugebiet - bedeutend größere Anlagen bis
zu 500 m Durchmesser vor. In der älteren Linien-
bandkeramik überwiegen regelmäßige geometri-
sche Formen403. Auch reine Palisadenanlagen tre-
ten bereits im Frühneolithikum in Erscheinung,
393 Engelhardt, Schmotz 1984. Hodgson 1988, bes. 369-378. Petrasch 1991,420: Abb. 1 (Anfang), 483. Zu weiteren mittel-
neolithischen Erdwerken in Südostbayern vgl. 526-527: Liste C.
394 Siehe Wagner 1928, 43-45; Petrasch 1990, 527-528: Taf. 37-38; 1991, 558-560: Abb. 21:2, Abb. 22:2, Abb. 23:2 (mit Lite-
raturverweisen); Trnka 1991, 269-277.
395 Petrasch 1990, 371: Anm. 2; 383.
396 Als stellvertretendes Beispiel sei hier das spät-rössenzeitliche bzw. Bischheimer („Proto-Menville“) Erdwerk Berry-au-Bac,
Dep. Aisne, genannt. Es handelt sich um eine ursprünglich kreisförmige Anlage mit einer Innenfläche von ca. 2-3 ha und
vermutlich gleichzeitiger Innenbebauung; Grabenbreite 2,8-5,0 m, -tiefe 0,4-1,0 m, Durchlaßbreite 1,1 m; zur Innenfläche
verläuft in 3-3,5 m Abstand ein Palisadengräbchen (Breite 0,7 m, Tiefe 1-1,7 m) mit Pfostenstandspuren in 0,1-0,5 m Abstand
zueinander; siehe dazu Dubouloz 1991 bzw. Heyd 1991, 820-821. Zu den mittelneolithischen Grabenwerken Nordost-
Frankreichs vgl. die Übersicht bei Dubouloz, Lebolloch, Illet 1988; Toupet 1988 bzw. Cassen, Boujot 1990, 459.
397 Inden-1: Kuper, Piepers 1966, 374. Kuper 1979. Aldenhoven-1: Eckert 1971, 565 u. Bild 7. Jürgens 1979, 387, 397 und
Abb. 2. Bad Friedrichshall-Kochendorf: Biel 1991, 160: Abb. 5; 1992, 61: Abb. 34 u. S. 62-64. Esbeck/Schöningen-7:
Thieme 1985, 36-37; 1985a, 102-103; 1987, 104. Maier 1995, Abb. 118 u. S. 130.
398 Bertemes 1991, 461 u. Abb. 1:1.
399 Schalkenburg: Behrens 1984. Schröter 1990. Petrasch 1991, 488 u. 524: Kat.-Nr. 56. Andersen 1997, 182. Inden:
Schwellnus, Hermanns 1982, 462. Hambach: Lüning 1984a, 15-16.
400 Zu dieser Thematik siehe auch Lüning 1984a, 18; Engelhardt, Schmotz 1984, 40-41; Höckmann 1990, 81-82; Petrasch
1990, 384.
401 Höckmann 1990, 67, 81 u. Abb. 6. Zum Erdwerk von Eilsleben vgl. Kaufmann 1978; 1983,191-193; 1990a; Lüning 1988,
155; Kaufmann 1990 (im Siedlungsbereich konnte auch Rössener Keramik nachgewiesen werden). Zu der ungarischen
Anlage von Bicske siehe Höckmann 1990, 67 u. Abb. 2-3.
402 Eine Zusammenstellung der linienbandkeramischen Erdwerke findet sich bei Lüning 1988. Zu den Grabenwerken des
älteren und mittleren Neolithikums aus Niederbayern vgl. auch Engelhardt, Schmotz 1984.
403 Höckmann 1990, 67 u. Abb. 10.
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