16
Steinzeit
kungen auf das lokale Siedlungsgeschehen. Die Re-
gressionen ermöglichten temporäre Aufenthalte oder
Ansiedlungen von Menschen in der Jungsteinzeit,
der mittleren Bronzezeit, der ausgehenden Bronze-
und frühen Eisenzeit, der späten Eisen- und frühen
Römischen Kaiserzeit sowie dem frühen bis hohen
Mittelalter (Behre 1970; 1995; 2003).
4 Steinzeit
Die längste Epoche der Menschheitsgeschichte, die
Steinzeit (Abb. 2), ist im Fundbestand am geringsten
vertreten. Erst seit dem Ende der Weichsel-Kaltzeit,
seit etwa 14 000 Jahren, lässt sich die Anwesenheit
von Menschengruppen in Ostfriesland nachweisen
(vgl. Schwarz 1995a; 1999a), obwohl es anschei-
nend einzelne Funde auch aus dem Mittelpaläoli-
thikum gibt (Schwarz 2009). In der Altsteinzeit
(Paläolithikum) sind hauptsächlich deren jüngste
Stufen, das Jungpaläolithikum mit der Hamburger
Kultur und das Spätpaläolithikum mit den Feder-
messergruppen, vertreten. Darauf folgen die Mittel-
steinzeit (Mesolithikum), in der es zu andauernder
Anwesenheit von wildbeuterisch lebenden Bevöl-
kerungsgruppen kommt, und schließlich die Jung-
steinzeit (Neolithikum), die die kontinuierliche
Besiedlung Ostfrieslands durch bäuerlichen Ge-
meinschaften der Trichterbecher- und Einzelgrab-
kultur kennt.
4.1 Mittelsteinzeit (Mesolithikum)
Mittelsteinzeitliche Kleingeräte aus Feuerstein
wurden bei den archäologischen Feldbegehungen
des Reiderlandes entdeckt, so dass die Anwesenheit
wildbeuterisch lebender Menschengruppen zwar
belegt ist, aber über Art und Umfang der mesolithi-
schen Besiedlung im warmen Boreal und im Atlan-
tikum (Abb. 2) vor sechs- bis zehntausend Jahren
noch keine sicheren Aussagen gemacht werden
können.
4.1.1 Mittelsteinzeitliche Geräte und Werkzeuge
Charakteristische Geräte des Mesolithikums, dazu
zählen die geometrischen Mikrolithen, Trapeze und
Dreiecke (Abb. 3, 1-3, 15-18) oder Kern- und Schei-
benbeile (Abb. 3, 19, 20), sind im Fundbestand des
Kataloges nicht vorhanden. Das liegt einerseits dar-
an, dass die kleinen Feuersteingeräte bei Erdarbei-
ten nicht als solche erkannt und daher nicht gebor-
gen wurden, und andererseits an den geologischen
Verhältnissen im nördlichen Reiderland, wo die
Sandböden von jüngeren Sedimenten bedeckt wur-
den. Zudem sind in der Regel Lesefunde von stein-
zeitlichen Siedlungsstellen, die zahlreiche Abschlä-
ge und Klingen von Kernsteinen beinhalten, kaum
datierbar, weil in der Menge der Artefakte die zeit-
typischen Geräte als Ergebnis der Produktionstech-
nik zumeist entnommen wurden. Daher zeugen die
Feuersteinartefakte von Weener-Hilgenholt (Kat.-
Nr. 131.23-26; 134.2) zwar von Aktivitäten stein-
zeitlicher Handwerker, verraten aber nicht, ob sie in
der Mittel- oder Jungsteinzeit hergestellt wurden.
Weder die Produktionstechnik der Feuersteingerä-
te, die jahrtausendelang ausgeübt wurde, noch die
Lage der Artefakte auf dem hohen Sandrücken Hil-
genholt geben Hinweise auf eine der steinzeitlichen
Zeitstufen. Schwer einzuordnen ist auch der Feuer-
steinabschlag (Kat.-Nr. 73.46), der eine schaberartig
abgestoßene Kante aufweist. Weniger seine Form
als vielmehr die Fundumstände im Ziegelton der
Marsch schließen ein Datierung in die Steinzeit aus.
Beides aber spricht für eine Funktionsdeutung als
Zündstein einer neuzeitlichen Flinte.
Im naturräumlichen Zusammenhang mit der
Fundplatzhäufung in Meinersfehn, Landkreis Leer,
sind auch ein Schalenstein und eine Geröllkeule
(Abb. 3, 21, 22) entdeckt worden (Schwarz / Stutz-
ke 1998, Kat.-Nr. 371 und 424). Die Form der Ge-
röllkeule, die in Weener-Norder Hilgenholt (Kat.-
Nr. 126.1 Abb. 104) in der Nähe des Abhanges zur
Ems-Flussmarsch gefunden wurde, steht formal ge-
nau zwischen beiden. Sie ähnelt dem Schalenstein
am meisten, besitzt aber eine vollständige, sanduhr-
förmige (doppelkonische) Durchlochung. Bei die-
ser Betrachtungsweise scheint der Schalenstein die
Rohform einer Geröllkeule darzustellen. Die Funk-
tion der Geröllkeulen aus Felsgestein ist unbe-
kannt. Zwar deutet der Name einen Gebrauch als
Schlagwaffe an, aber sie könnten, wie die Schalen-
steine, zum Nussknacken gedient haben, um die in
Mengen gesammelte Lieblingsfrucht der Mesolithi-
ker, die Haselnuss, von ihrer Schale zu befreien.
Eine Datierung in das jüngere Mesolithikum ist an-
zunehmen, weil auch die zeitgleichen, südlich be-
nachbarten neolithischen Bauernkulturen, näm-
lich die Bandkeramik und ihre Nachfolgekulturen,
derartige Geräte kannten.
Insbesondere im 5. bis 6. Jahrtausend v. Chr.
fand ein reger Austausch der Bewohner des wild-
beuterisch lebenden Nordens mit denen des bäuer-
Steinzeit
kungen auf das lokale Siedlungsgeschehen. Die Re-
gressionen ermöglichten temporäre Aufenthalte oder
Ansiedlungen von Menschen in der Jungsteinzeit,
der mittleren Bronzezeit, der ausgehenden Bronze-
und frühen Eisenzeit, der späten Eisen- und frühen
Römischen Kaiserzeit sowie dem frühen bis hohen
Mittelalter (Behre 1970; 1995; 2003).
4 Steinzeit
Die längste Epoche der Menschheitsgeschichte, die
Steinzeit (Abb. 2), ist im Fundbestand am geringsten
vertreten. Erst seit dem Ende der Weichsel-Kaltzeit,
seit etwa 14 000 Jahren, lässt sich die Anwesenheit
von Menschengruppen in Ostfriesland nachweisen
(vgl. Schwarz 1995a; 1999a), obwohl es anschei-
nend einzelne Funde auch aus dem Mittelpaläoli-
thikum gibt (Schwarz 2009). In der Altsteinzeit
(Paläolithikum) sind hauptsächlich deren jüngste
Stufen, das Jungpaläolithikum mit der Hamburger
Kultur und das Spätpaläolithikum mit den Feder-
messergruppen, vertreten. Darauf folgen die Mittel-
steinzeit (Mesolithikum), in der es zu andauernder
Anwesenheit von wildbeuterisch lebenden Bevöl-
kerungsgruppen kommt, und schließlich die Jung-
steinzeit (Neolithikum), die die kontinuierliche
Besiedlung Ostfrieslands durch bäuerlichen Ge-
meinschaften der Trichterbecher- und Einzelgrab-
kultur kennt.
4.1 Mittelsteinzeit (Mesolithikum)
Mittelsteinzeitliche Kleingeräte aus Feuerstein
wurden bei den archäologischen Feldbegehungen
des Reiderlandes entdeckt, so dass die Anwesenheit
wildbeuterisch lebender Menschengruppen zwar
belegt ist, aber über Art und Umfang der mesolithi-
schen Besiedlung im warmen Boreal und im Atlan-
tikum (Abb. 2) vor sechs- bis zehntausend Jahren
noch keine sicheren Aussagen gemacht werden
können.
4.1.1 Mittelsteinzeitliche Geräte und Werkzeuge
Charakteristische Geräte des Mesolithikums, dazu
zählen die geometrischen Mikrolithen, Trapeze und
Dreiecke (Abb. 3, 1-3, 15-18) oder Kern- und Schei-
benbeile (Abb. 3, 19, 20), sind im Fundbestand des
Kataloges nicht vorhanden. Das liegt einerseits dar-
an, dass die kleinen Feuersteingeräte bei Erdarbei-
ten nicht als solche erkannt und daher nicht gebor-
gen wurden, und andererseits an den geologischen
Verhältnissen im nördlichen Reiderland, wo die
Sandböden von jüngeren Sedimenten bedeckt wur-
den. Zudem sind in der Regel Lesefunde von stein-
zeitlichen Siedlungsstellen, die zahlreiche Abschlä-
ge und Klingen von Kernsteinen beinhalten, kaum
datierbar, weil in der Menge der Artefakte die zeit-
typischen Geräte als Ergebnis der Produktionstech-
nik zumeist entnommen wurden. Daher zeugen die
Feuersteinartefakte von Weener-Hilgenholt (Kat.-
Nr. 131.23-26; 134.2) zwar von Aktivitäten stein-
zeitlicher Handwerker, verraten aber nicht, ob sie in
der Mittel- oder Jungsteinzeit hergestellt wurden.
Weder die Produktionstechnik der Feuersteingerä-
te, die jahrtausendelang ausgeübt wurde, noch die
Lage der Artefakte auf dem hohen Sandrücken Hil-
genholt geben Hinweise auf eine der steinzeitlichen
Zeitstufen. Schwer einzuordnen ist auch der Feuer-
steinabschlag (Kat.-Nr. 73.46), der eine schaberartig
abgestoßene Kante aufweist. Weniger seine Form
als vielmehr die Fundumstände im Ziegelton der
Marsch schließen ein Datierung in die Steinzeit aus.
Beides aber spricht für eine Funktionsdeutung als
Zündstein einer neuzeitlichen Flinte.
Im naturräumlichen Zusammenhang mit der
Fundplatzhäufung in Meinersfehn, Landkreis Leer,
sind auch ein Schalenstein und eine Geröllkeule
(Abb. 3, 21, 22) entdeckt worden (Schwarz / Stutz-
ke 1998, Kat.-Nr. 371 und 424). Die Form der Ge-
röllkeule, die in Weener-Norder Hilgenholt (Kat.-
Nr. 126.1 Abb. 104) in der Nähe des Abhanges zur
Ems-Flussmarsch gefunden wurde, steht formal ge-
nau zwischen beiden. Sie ähnelt dem Schalenstein
am meisten, besitzt aber eine vollständige, sanduhr-
förmige (doppelkonische) Durchlochung. Bei die-
ser Betrachtungsweise scheint der Schalenstein die
Rohform einer Geröllkeule darzustellen. Die Funk-
tion der Geröllkeulen aus Felsgestein ist unbe-
kannt. Zwar deutet der Name einen Gebrauch als
Schlagwaffe an, aber sie könnten, wie die Schalen-
steine, zum Nussknacken gedient haben, um die in
Mengen gesammelte Lieblingsfrucht der Mesolithi-
ker, die Haselnuss, von ihrer Schale zu befreien.
Eine Datierung in das jüngere Mesolithikum ist an-
zunehmen, weil auch die zeitgleichen, südlich be-
nachbarten neolithischen Bauernkulturen, näm-
lich die Bandkeramik und ihre Nachfolgekulturen,
derartige Geräte kannten.
Insbesondere im 5. bis 6. Jahrtausend v. Chr.
fand ein reger Austausch der Bewohner des wild-
beuterisch lebenden Nordens mit denen des bäuer-