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Mohnike, Katharina
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 55): Das jüngerkaiser- bis völkerwanderungszeitliche Gräberfeld von Uelzen-Veerßen, Niedersachsen — Rahden/​Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2019

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68717#0126
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122


Abb.52 Oberflächenbehandlungen (Kat.-Nr. 2083.1 mit Politur,
Kat.-Nr. 2683.1 mit rauer Oberfläche) auf Gefäßen des Gräber-
felds von Uelzen-Veerßen, Ldkr. Uelzen. Ohne Maßstab.

den Umbruch, und zwar oft in Übereinstimmung
mit der Lage weiterer Dekore. Diese Gefäße wurden
hauptsächlich im Ostteil des untersuchten Areals
gefunden (Abb. 53). Zusätzlich gibt es einige Varian-
ten der zonalen Glättung wie zum Beispiel polierte
Schultern oder Politur auf Umbruch bzw. Unter-
teil sowie die radial um den Boden angeordneten
„Strahlen". Diese wurden manchmal durch Rillen-
gruppen zusätzlich betont und ergänzen immer eine
entsprechende Behandlung des Gefäßoberteils. Eine
ungewöhnliche Ausführung stellt die annähernd
sternförmige Anordnung bei Kat.-Nr. 1629.1 (Taf.
117) dar. Es scheint sich bei dieser die Oberfläche
verdichtenden Politur nicht um eine Maßnahme zur
Veränderung der Materialeigenschaften unserer nur
mäßig hart gebrannten Irdenware, sondern um eine
Verzierung zu handeln. Die inneren Oberflächen
wurden geglättet oder verstrichen.
Lediglich 30 Uelzen-Veerßener Urnen haben
eine deutlich aufgeraute Oberfläche, es handelt sich
dabei zumeist um ungegliederte (n=20) und nur
ausnahmsweise um gegliederte Formen (n=6). Es
fällt schwer, dieser Oberflächenbehandlung eine
schmückende Funktion zuzuschreiben. Sie steht
vermutlich mit der ursprünglichen Nutzung im
Haushalt dieser nach Ausweis von Gebrauchsspuren
in Zweitverwendung als Urnen gewählten Exem-
plare in Zusammenhang. Ihre Verbreitung auf dem
Gräberfeld entspricht derjenigen der ungegliederten
Gefäßformen.
Vier Gefäße bzw. Gefäßfragmente der älte-
ren Römischen Kaiserzeit haben Kammstrich auf
dem Unterteil (Kat.-Nr. 942.1 Taf. 50, 2110.1 Taf.
167, 2112.1 Taf. 168, 2117.1 Taf. 168), hinzu kommt
Kat.-Nr. 939.1 (Taf. 50). Die Uelzen-Veerßener
Gefäße mit Kammstrich sind verhältnismäßig groß
und schwer, weshalb eine unebene Oberfläche ihre
Handhabung erleichtert haben wird. Die Ausführung
des Kammstrichs erscheint dennoch recht gefällig
und wurde mit Verzierungen wie Rillen, Riefen
und Winkeln kombiniert. Auf Uelzen-Veerßener

Grabgefäßen der späten Römischen Kaiserzeit bis
Völkerwanderungszeit war kein Kammstrich zu
beobachten. Nach den Forschungen von A. Matthes
wurde die seit der älteren Römischen Kaiserzeit übli-
che Kammstrichverzierung regional bis in die späte
Römische Kaiserzeit hinein beibehalten.144 Danach
wurden besonders die frühen Beispiele sorgfältig
ausgeführt und weisen oft eine vertikale Ausrichtung
des Kammstrichs auf, welche in der Folge weitgehend
aufgegeben wurde. Bei altmärkischen Terrinen gilt
Kammstrich als bevorzugter Dekor des ausgehenden
2. und des 3. Jahrhunderts (Leineweber 1997, 55).
Ergänzend bleibt anzumerken, dass Kammstrich
auch auf spätkaiser- bis völkerwanderungszeitlichen
Grab- und Siedlungsgefäßen nachzuweisen ist.145 So
zeigen nach H.-J. Nüsse ungegliederte Gefäße des
Hannoverschen Wendlandes aus der Zeit zwischen
den kaiserzeitlichen Stufen B2/C1 des 2. Jahrhun-
derts und der Mitte des 5. Jahrhunderts Kammstrich-
verzierung auf dem Unterteil, die entweder vertikal
- auch mit bogenförmigem Abschluss - oder unge-
ordnet bis leicht bogenförmig angeordnet wurde
(Nüsse 2008b, 26, Töpfe Typ 1 Var. 6). Im Untersu-
chungsgebiet ist diese Art der Oberflächenbehand-
lung aber während der späten Römischen Kaiserzeit
und der Völkerwanderungszeit ausgesprochen selten
(Mohnike 2008, Kat.-Nr. 167.1 Taf. 24, 217.1 Taf.
32). Sie wurde entweder nicht länger tradiert oder
entsprechend gestaltete Gefäße wurden nicht für
Bestattungen ausgewählt.
Zum Zusammenhang zwischen biologischen
Daten und Grabgefäßen im Untersuchungs-
gebiet
Die im Folgenden ausgeführten Überlegungen
wurden vor dem Hintergrund der Annahme an-
gestellt, dass Bestattungsrituale ur- und frühge-
schichtlicher Gemeinschaften nicht nur durch
deren kulturelle Zugehörigkeit oder zeitliche Stel-
lung bestimmt sind. Vielmehr werden zunehmend
kulturanthropologische Modelle zur Erfassung
von Sozialstrukturen eingesetzt, die die Bedeutung
der biologischen Daten in diesem Zusammenhang
aufzeigen (z.B. Breitsprecher 1987; Gramsch

144 Matthes 2000, 376-382 Abb. 5.8, Kt. 4,5; vgl. Spors-Grö-
ger 1997, 112; Haberstroh 2000, 114-121; Gall 2005a, Kat.-
Nr. 408 (Taf. 54).

145 z. B. Schneider 1983, Gr. 1.2 (Abb. 68,6), 26.2 (Abb.
94,10), 39.2 (Abb. 101,1-3), Gr. 40.2 (Abb. 99,11); Schlicksbier
2003, 128.
 
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