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Gebers, Wilhelm
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (5): Die Siedlungskeramik — Rahden/​Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68718#0159
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Typologische Auswertung der Gefäßgattungen, Gefäßtypen, Sonderformen und Sachgruppen

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sind Abriebspuren auf der Bodenplatte und deren
Randbereichen erhalten. Der Abrieb dürfte dadurch
entstanden sein, dass die Gefäße in einem Holzregal
aufbewahrt wurden wobei die Abnutzungen am
Gefäßboden auf das Schieben der Gefäße auf einer
hölzernen Unterlage zurückgehen könnte.
[Abbildungsnachweis: Gebers /Lüth 1996, Taf. 18,12. Gebers 2014,
Taf. 152,12,13; Taf. 193,04; Taf. 224,18; Taf. 229,06. Gebers 2015,
Taf. 458,01].

3.27 Typ 184: Kochtopf
Der Typ 184 ist definiert als kumpfförmiges Kochge-
fäß mit drei Innenhenkeln, ausgeglichenem Höhe-Wei-
ten-Verhältnis, gerundet einziehendem Oberteil,
langbogig gerundetem Umbruch im oberen Drittel
der Gefäßhöhe und hohem, konischem Unterteil
(Abb. 116). Der Gefäßtyp kommt nur einmal vor. Die
zugehörigen Funde sind auf zwei Gruben verteilt.
Die Keramik ist starl< sekundär gebrannt, wodurch
das Gefäß extrem deformiert, jedoch bis auf ein-
zelne, fehlende Scherben ganz erhalten ist (Gebers
2014, Taf. 154,07). Trotz der starken Deformierung
konnte das Gefäß mit Hilfe der noch messbaren
Durchmesserlängen am Rand, dem Umbruch und
dem Boden sicher rekonstruiert werden (Gebers
2014, Taf. 153,06).
Der Typ 184 ist von seiner Grundform ein Kumpf
mit hohem, konischem Unterteil und weitgehend
identisch mit Kümpfen vom Typ 411. Wegen seiner
Innenhenkel ist seine Funktion so stark in den Vor-
dergrund gerückt, dass dieses Gefäß als typologisch
herausragend und eigenständig angesehen wurde.
Randdurchmesser: Mit einem Randdurchmesser von


Abb. 116 Kochtopf Typ 184
o. M. (Zeichnung: J. Greiner,
NLD)

30cm gehört es innerhalb der kumpfförmigen Gefäße
zu den Großgefäßen, die für diesen Durchmesser
einen geringen Anstieg der Häufigkeit erkennen
lassen.
Wandstärke: Das Gefäß hat 14 mm Wandstärke
und liegt damit weit über den Durchschnittswerten.
Wegen des starken sekundären Brandes, durch den
nicht nur die Form des Gefäßes, sondern auch die
Wandstärke stark verändert und aufgebläht ist, lässt
sich die ehemalige Wandstärke nur schätzen. Nach
Form und Größen des vergleichbaren Kumpftyps
411 ist die Wandstärke mit etwa 10 mm anzusetzen.
Magerung: Das Gefäß ist grobsandig gemagert. Die
ursprünglichen Tonfarben sind durch den sekundären
Brand nicht mehr erhalten. Tonüberfänge und die
Merkmale der Oberflächenverarbeitung sind ebenfalls
durch den sekundären Brand unkenntlich geworden.
Randform: Der Rand ist schlicht gerundet und hat
die Randform 89.
Bodenform: Der Boden ist flach, mit leicht abge-
setzter Bodenplatte. Der Durchmesser des Bodens
beträgt 24cm.
Verzierung: Das Gefäß ist unverziert.
Funktionsmerkmale: Sie bestehen aus den drei Hand-
haben, die als breite, bandförmige Henkel an den
Innenrand verlagert und durch halbkreisförmige
Ausbuchtungen an der Außenwandung vor der Feu-
ereinwirkung geschützt wurden. Das Gefäß war
vermutlich mit ebenso breiten, durch die Öffnungen
verlaufenden Lederriemen über einer Feuerstelle
aufgehangen. Zudem fällt auf, dass zwei der Innen-
handhaben enger zusammenliegen und die Dritte
von beiden weiter entfernt angebracht ist. Daher
lässt sich vermuten, dass die Riemen lösbar waren, so
dass das Kochgefäß an zwei Riemen hängend, nach
einer Seite gekippt und damit über diese „Ausgus-
söffnung" geleert werden konnte. Außer diesen sehr
nahe liegenden, aus der Form und der Anordnung
der Handhaben abgeleiteten Funktionen, sind alle
möglichen Gebrauchsspuren, wie z. B. organische
Verkrustungen, durch den sekundären Brand voll-
ständig vernichtet worden.
Varia: Wie bei vielen seltenen Gefäßen ist dieser Koch-
topf ganz erhalten. Alle seine Teile sind besonders
stark sekundär gebrannt. Daraus darf man schließen,
dass dieses Gefäß im Haus aufbewahrt wurde und
den sekundären Brand durch das Abbrennen des
Hauses erfahren hat. Es war an keinen Bereichen
geschützt, denn die starke Deformierung hat sich auf
alle Teile des Gefäßes gleichermaßen bezogen. Das
Gefäß war also nicht in den Boden eingegraben. Es
 
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