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Janssen, Walter
Issendorf: ein Urnenfriedhof der späten Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit (Heft 6, Teil 1): Issendorf: ein Urnenfriedhof der späten Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit — Hildesheim: Lax, 1972

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https://doi.org/10.11588/diglit.63213#0093
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der Gefäßformen hatte sich ergeben, daß trotz des Fehlens der wichtigen Gruppe A 2 nach
Plettke in Issendorf Formen des 3. Jahrh. vertreten sind. Sie erscheinen vor allem in den
Gruppen Al undA3 sowie mit der zahlenmäßig allerdings recht schwachen Gruppe B 1 nach
Plettke. Bei den zur Gruppe A 1 rechnenden Gefäßen mußte aber festgestellt werden, daß
sie bereits nicht mehr Reinformen des von Plettke beschriebenen Typus darstellen, sondern
nur noch starke Einflüsse in der Formgebung aus der älteren Kaiserzeit aufweisen. Eine
nähere Datierung dieser Gruppe innerhalb des in Frage kommenden 3. Jahrh. ist daher
nicht möglich. Gravierend hingegen dürfte sich der Umstand erweisen,daß die Gruppe A 2-
Schalen mit Standfuß und Schulterknick - in Issendorf überhaupt nicht vertreten ist. Da
diese Form abgesehen von dem spät einsetzenden Friedhof von Perlberg auf vielen Urnen-
friedhöfen zwischen unterer Weser und Niederelbe vorkommt und auch in Westerwanna
zum charakteristischen Inventar zählt, darf ihr Fehlen wohl nicht als lokale Besonderheit
des Raumes südlich Stade aufgefaßt werden. Es zeigt vielmehr einen ungefähren terminus
ante quem non an. Wir dürfen deshalb feststellen, daß der beispielsweise jüngst auf der
Feddersen Wierde so klar nachgewiesene Fundhorizont des 3. Jahrh.168 in Issendorf nur
sehr schwach ausgeprägt ist. Nach den Gefäßformen zu urteilen, können die Bestattungen
hier erst in der zweiten Hälfte des 3. Jahrh. oder gar erst gegen Ende des 3. Jahrh. begon-
nen haben. Dieser Hinweis findet Unterstützung durch die in Grab 35 nachweisbare kreuz-
förmige Fibel mit umgeschlagenem Fuß der Gruppe VI Typ I Serie 1 n. Almgren, die eben-
falls in das Ende des 3. oder den Beginn des 4. Jahrh. zu datieren ist.
Trotz der Einschränkungen, denen die typologische Zuweisung der Gefäße infolge des
schlechten Erhaltungszustandes unterliegt, ließ sich für das 5. Jahrh. eine Zunahme der Be-
stattungen in Issendorf nachweisen. Innerhalb dieses Zeitabschnittes gibt es bei Fibeln,
Kämmen und importierten Glasgefäßen eine ganze Reihe von Datierungshinweisen, die
hier nicht wiederholt werden sollen. Die Hoffnung, in den 1967 geborgenen Urnen eine
Münze zu finden, erfüllte sich nicht, doch wird in älteren Berichten über Issendorf der Fund
einer Münze Konstantins des Großen erwähnt169. Leider läßt sie sich nicht irgendwelchen
Funden oder einem Gefäß aus Issendorf zuweisen; sie muß wohl als Einzelfund geborgen
worden sein.
Daß während des 5. Jahrh. in Issendorf zahlreiche Bestattungen angelegt wurden, er-
weist u. a. die große Anzahl von Urnen, die der Gruppe A 7 n. Plettke entsprechen. Im Be-
reich der Buckelurnen fällt auch in Issendorf die von Tischler betonte Übereinstimmung
der Formen des sog. Perlberger Kreises mit Gefäßen englischer Urnenfriedhöfe wie South
Elkington und Abingdon auf170. Es kann demnach gar keinen Zweifel darüber geben, daß
der Urnenfriedhof von Issendorf auch nach der Übersiedlung der Angeln und Sachsen nach
England noch weiter belegt wurde, ja die große Zahl, mit der Gefäße der Gruppe A 7 und
unter ihnen besonders die Buckelurnen in Issendorf vorhanden sind, deutet auf ein unver-
ändertes Fortbestehen der zugehörigen Siedlung während des 5. Jahrh. hin. Das gilt auf
jeden Fall bis gegen das Ende des 5. Jahrh.
Dem von Tischler hervorgehobenen Aufkommen unverzierter, sehr einfacher Gefäßfor-
men während des 6. Jahrh. entspricht in Issendorf der verhältnismäßig hohe Anteil unver-
zierter Ware in den Sondergruppen E, F, G und H. Unter ihnen fallen besonders die Ge-
fäße der Sondergruppe E ins Auge, die kugelige Gefäße umfaßt. Der zweihenklige kugelige
Topf aus Grab 101 erinnert bereits stark an Siedlungskeramik des 6. Jahrh., wie sie auf
den Wurten der Nordseeküste gefunden wurde. Das ovale Gefäß mit steilem Rand aus

168 Vgl. P. Schmid wie Anm. 68.
169 J. H. Müller in den Verhandlungen der Berliner Gesellsch. f. Anthropologie 1881 S. 208, Protokoll der Sit-
zung vom 18. 6. 1881.
170 Tischler a. a. O. (wie Anm. 157) 76 ff.

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