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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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Beilage zum Mannheimer Morgenblatt No. 151
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0611
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Nö. 151.

Landtag sverhandluugcn.
Karlsruhe. 23. Juni. H- öffentliche Sitzung der 2. Kammer.
(Fortsetzung und Schluß.)
3ungha„ns. Amtmann Gockel trage ein patriotisches Herz im Busen und
yabe sich deshalb, wie Andere bei der Wahl thätig bewiesen. Die Wahlmänner
seien meist tzandlcute, nicht sehr erfahren im Schreibe» und in Bezeichnung der Ti-
tel. Darüber waren Alle einig, daß Niemand anders gemeint war, als Oberhof.
gerichtsrat!)-Litschgi. Wenn ein Wähler einen andern gemeint hätte, so mußte er
dies erklären. Es geschah aber nicht. Darum mußte kein Zettel den Akten beige-
heftet werden. Der Führer der Gegenliste war ein 80jähriger Landmann, der nicht
Io gut schreiben konnte; daher die Abweichungen von der Liste des Amtsrevisors.
Bei der früheren Wahl, wo Sr. Hofrath Welcher gewählt wurde, kam Aehnlichcs
Vor, aber man erhob keine Anstände. Wird die Wahl verworfen, so fällt die Ab-
stimmung dem Urthcil des Landes anheim, das sich über die Gründe auüsprechen
Wird, auS denen sie erfolgte.
Züllig kann bei den vielen andern Beschwerdegründen gegen die vorliegende
Wahl auch den, daß mehrere Namen nicht richtig geschrieben waren, nicht so für
unerheblich halten. Der Kandidat war vermuthlich vielen Wählern landfremd, sie
kannte» M» "nr ""6 Empfehlungen; von wem, darüber wird Niemand im Zweifel
sein, bcsondns wenn man den Bezirk kennt. Der Redner, welcher vor wenigen
Tasten de» Bezirk bereiste, führt aus authentischer Quelle nähere Umstände an.
Dap Amtmann Gockel in dem Gasthause die Wahlmänner bearbeitete, kann man
hlngehen lasten, man kann sagen, er war dazu als Wahlmann berechtigt. Ein An-
dercr würde übrigens wohl nicht so zudringlich gewesen sein. Seine größte Thä«
tlgkclt entwickelte er aber bei der Wahl selbst. Er unterhielt sich lange mit dem
Wahlkommiffär; die Folge des geheimen Gespräches war, daß der Wahlkommifsär
erklärte, die Wähler hätten sich parthiccnweise in ein anstoßendes Zimmer zu ver-
fügen. Als einige dagegen protcstirten, war die Antwort: cs geschehe der Ordnung
wegen. Im Augenblick war ihnen der eigentliche Grund nicht ganz klar. Später-
hin ward er ihnen deutlicher. Als sie beraustraten, saß nämlich der Oberamtmann
neben de» Urkundspersonen, so daß er kontrolircn und sehen konnte, ob sie das ihm
gegebene Wort hielten. Man bemerkte, daß er auch wirklich in die Zettel hinein-
sah, besonders in solche, die man nicht recht lesen konnte. So verhielt es sich,
obgleich der Herr Präsident des Ministeriums des Inner» nach seinen Notizen eS
»n Abrede stellt. — Hinsichtlich der Namen sei das Nöthige schon vorgetragen; cs
seien nicht nur in der Bezeichnung des Charakters Unrichtigkeiten, sondern aus den:
Widerspruch zwischen Protokoll und Gegenliste erhelle schon, daß die Zettel unleser-
lich geschrieben waren. Es sei darunter ei» Name, der eine andere Person in
Wcinheim bezeichne, und damit falle die Wahl. Eine oder die andere Thatsache
könnte vielleicht durch Untersuchung erhoben werden. Der Redner will aber nicht
darauf antragen, da Gründe genug vorliegen, die Wahl für ungültig zu erklären.
Bleidorn schließt sich diesem Anträge besonders darum an, weil auf einem
Zettel Obcrhofrichter Litschgi stand, während eS nur einen Oberhofrichtcr Stengel
gebe. Wegen eines ähnlichen Falles sei eine Bürgermeistcrwahl in Durlach für un-
gultM erklärt, und bei der zweiten Wahl ein Anderer gewühlt worden.
Weller hat keinen Zweifel, daß die Wahl nach tz. 77, 78 und 83 der Wahl-
Ordnung sur,i„g,j^^ erklärt werden müsse, da nach Abzug der beanstandeten Zet-
tel keine Mehrheit bleibe. Die Einwendung, daß die Zettel nicht zu den Akten ge-
nommen werden konnten, weil die Beanstandung zu spät erfolgt sei, liege nicht in
der Hand rer Wahlmänner, sondern des WahlkommifsärS, der, gegen die Vorschrift,
die Zettel vor Schluß veS Protokolls verbrannt, also durch Verletzung veS h. 83
der Wahlordnung die Beobachtung der tztz. 77 ». 78 unmöglich gemacht haben.
Durch Verlesung per betreffenden Stelle des Protokolls wird diese Angabe
bestätigt.
Sander erinnert, daß der Herr Präsident des Ministeriums des Innern auf
die Anfrage des Abg-v. Jtzstein wegen Verschiebung der Lahrer Wahl bemerkt
Vstbe, ,,,ai, müsse den Wahlkommiffärcn Zeit geben, sich zu präpariren. Die vor-
ttegende Wahl ist am weitesten hinaus geschoben worden. Es scheint aber der
Waylkomniiffär die Zeit nicht sowohl dazu benutzt zu haben, sich zu präpariren,
ats vwlmchr mit Hülfe des Beamten die Wahlmänncr in einem gewisse» Sinnein
Dies diene zugleich als Antwort auf den Vorwurf, daß die Kammer
Vw -wayien zu st^ng bekrittele. Wer würde sich nicht gewundert haben, wenn wir,
nach okN großartigen Veranstaltungen der Regierung, die Wahlen i» ihrem Sinne
zu lenken, nach allen Umtrieben von Beamtem dies Alles ungerügt hätten hingehen
lassen! Ncm, wir haben nicht zu viel gethan. wir sa hätten noch mehr thun sollen
Die-hier vorliegende Wahl ist so handgreiflich unrichtig, dag ich mich wundere,
wie man daruver streiten kann, hier, wo Rechte der Wahlmänncr, der Kammer
und des andern Kandidaten in Frage stehen, da eine Stimme entschied und wir
5 — 8 Stimmen bestreiten, das ganze Protokoll als unrichtig erkennen müssen.
Wir sind verpflichtet, die Wahl zu verwerfen. Betrachtet man das Protokoll, so
sindet man, daß der Amtsrevisor selbst den Name» unrichtig geschrieben hat, wahrscheinlich
um selbst zu constatiren, daß unerleserlichc Zettel verkämen. Ist dies der Fall, so
kstst kin Anstand da, also hatte der Wahlkommiffär die Pflicht, die beanstandeten
vorzulegen. ES sind aber nicht nur unrichtige Namen, sondern auch total
»."^ne Titel vorhanden; solche Wahlzettel sind: wie LichtenbergS Messer, wo-
fehlt und das keine Klinge bat. Solche Zettel darf man nicht zäh-
e ' .DM s'ch um eine Stimme handelt. Es ist endlich nach dem Protokoll erwic-
- >.^Eel Nicht verbrannt wurden, wie es sich gehört; es geschah nämlich
gleich ''""* ver Abstimmung, gegen die Vorschrift des §.8Z der Wahlordnung, wo-
nach es erst nach dem Schluß des Protokolls geschehen sollte. Zudem ist dem For-
mular ausdrücklich vorgeschriebe», daß die beanstandeten Zettel beigelegt werden sol-

len. Hier aber wurden die Zettel verbrannt und dann gefragt, ob Jemand einen
Anstand habe. Wenn man diese Wahl anerkenne, so gebe man damit zu, daß keine
Vorschrift von Seiten der Wahlkommissäre mehr zu beachten, kein Anstand von der
Kammer zu untersuchen, sondern nur nach oberflächlichem Ermessen zu beurtheilen
sei. Ich kann zu geben, daß die Wähler den Abg. Litschgi wählen wollten, allein
dies reicht nicht hin. Die geseletzlichen Formen müssen beobachtet werden, beson-
ders wo eS auf eine Stimme ankömmt. Es sei auch möglich, daß ein Wahlmann
unleserlich schrieb, um sei» Gewissen rein zu halten; er wollte sich von seinem Ver-
sprechen los machen, ohne gerade den Gegenkandidaten zu wählen. Der Redner
stimmt für Verwerfung der Wahl.
Bader erklärt, daß er die Maßregeln der Regierung bei den Wahlverhand-
lungen eben so schr mißbillige, als irgend Jemand. Er lasse sich dadurch aber nicht
bestimmen, die Wahlen nach politischen Rücksichten zu beurtheilen; er halte sich an
das Gesetz. — Die von dem Abg. Züllig erzählten Vorgänge können ihn nicht
auf eine andere Ansicht bringen, da sic nicht konstatirt seien. Der Redner sucht
auszuführen, daß die §§. 77 und 78 der Wahlordnung nicht verletzt seien, da die
Wahtkommission allein zu entscheiden habe, ob ei» Zettel z» beanstanden und nach
tz. 83 dein Protokoll bcizulege» sei. Wenn Wahlmänncr Anstände erheben wollten,
hätten sic eS bei Zeit thun sollen.
Sander. Dies ist geschehen.
Bader. Es ist den Wahlmännern unmöglich gewesen, ihre Einsprache bei
Zeit vorzubringcn. Das Moment, daß Oberamtmann Gockel sich an den Tisch der
Wahlkommission gesetzt und die Wahlzettel cingesehen habe, sei, — abgesehen da-
von, ob nicht jeder Wahlmann das Recht dazu besitze — ohne Einfluß auf die
Freiheit der Wahl, da cs nach der Abstimmung geschah. (Mehrere Stimmen:
Nur die erste Parthie hatte gestimmt, die anderen nicht.) Auch die Widersprüche
zwischen der Liste und Gegenliste kommen fast bei jeder Wahl vor. Der Redner
erklärt sich für die Gültigkeit.
Waag bemerkt ebenfalls, daß wegen der Ungleichheit der Liste und Gegenliste
fast bei jeder Wahl Anstände erhoben werden könnten. Bei der Wahl des Abg.
Helbing seien 15 solche Zettel vvrgekommcn, wo der Name unrichtig geschrieben
war. In Weinheini erscheine» nur zwei Kandidaten und man habe die unleserlichen
Zettel unmöglich für Hecker lesen können. Obcrhofgerichtsrath Litschgi sei dem Be-
zirk Weinbeim nicht landfremd, da er schon mehrere Jahre Abg. war und der Be-
zirk an den landständischen Verhandlungen Antheil nehme. Die Angaben, die vom
Abg. Züllig erzählt wurden, könnten, wie verschiedene vorgckomniene Fälle bewei-
sen, unrichtig sein; die daran geknüpften Betrachtungen aber seien für ihn nicht
maßgebend.
Helbing. Wenn bei der Wahl in Emmendingen die 15 Zettel dem Kandida-
ten abgezogen worden wären, so hätte er doch die Mehrheit gehabt.
Rindcschwenvcr. Es sind gegen die Wahl so viele Roßmängel angeführt, da?
mir wenigstens die Ungültigkeit derselben ganz klar ist. Ich verzichte daher auf die
weitere Ausführung und wünsche im Interesse der Zeit, daß die übrigen Redner
meinem Beispiele folgen möchten. Nur eine einzige Bemerkung MUß ich noch bei-
fügen: Zum wicderholtenmale nimmt sich der Abg. Junghanns die Freiheit, eine
Partei in der Kammer hinsichtlich der Gewissenhaftigkeit ihrer Abstimmung zu ver-
dächtigen. Der Redner findet ein solches Benehmen im höchsten Grade lieblos und
unrecht. Der Abg. Juiighanns möge nur dafür sorgen, naß das öffentliche Urtheil
nicht auf sein Haupt zurückialle. Er unterstellt sich der öffentlichen Meinung gern,
und wünscht nur, daß sie ein besseres Organ als unsere Zeitungen haben möchte.
Er wünscht, daß in Zukunft solche Verdächtigungen unterbleiben, sonst werde er sich
veranlaßt sehen, ähnliche Bemerkungen zu machen.
Junghanns. Er werde sich dem öffentlichen Urthcil jederzeit gerne unterwerfen
und setze voraus, daß dieß alle eben so gern thu» werden. Dies habe er ausspre-
che», aber keine Partei verdächtigen wollen.
Sch aas. Die Gründe für die Ungültigkeit der Wahl seien bereits durch An-
dere, namentlich durch den Abg. Bader'widerlegt, der besonders darauf aufmerksam
machte, daß nicht das Gesetz vorschreibt, daß der Wahlkommiffär die Wähler zu
fragen habe, ob sie Anstände finden, sondern nur die Instruktion. Diese zu beo-
bachten, dafür sei er der Regierung verantwortlich, aber die Kammer könne darauf
kein großes Gewicht legen. Der Wahlkommiffär hat mit der Kommission zu ent-
scheiden, ob ein Wahlzettel zu beanstanden sei; sie scheinen allerdings Anstände ge-
habt zu haben, da die unkorrekten Namen im Protokoll eben so geschrieben seien,
wie im Wahlzettel. Dadurch sei die Vorlage der Wahlzettel ersetzt und die Mög-
lichkeit gegeben, zu beurtheilen, ob die Zettel zu beanstanden, seien. Ihm blieb
kein Zweifel, daß Niemand anders als Obcrhofgerichtsrath Litschgi gemeint war.
Hiemit begegne er zugleich dem Vorwurf der Jnconscquenz, Len ihm der Abg.
Richter gemacht. Als Wahlkommiffär habe er ganz andere Pflichten, wie in stiner
Eigenichaft als Abg. Als Wahlkommiffär müsse er streng beobachten, was das Ge-
setz fordert, aber auch noch auf die Launen der moralischen Person achten, die in
höchster Instanz zu entscheiden habe. Wenn er nun wisse, daß die Kammer streng
sei, so hefte er einen Zettel, wenn er schon für ihn nicht zweifelhaft sei, doch lie-
ber den Akten bei. Die Anstände gegen die Zettel können ihn nicht bestimmen, die
Wahl ungültig zu erklären. ES sei ein Vorwurf für die Wahlmänncr, daß sie
nicht besser geschrieben haben, und für den Greis, der die Gegenliste geführt habe.
Das parthieenweise Abtrcten der Wahlmänncr sei in der Petition nicht klar, ob-
gleich man durch den Abg. Züllig einiges Nähere erfahren habe. Die Stelle der
Petition habe keinen rechten Sinn und komme ihm etwas spanisch vor.. Durch die
schriftliche Erklärung des Obcramtmanns Gockel sei bereits größtentheilS die Anga-
be widerlegt, daß er die Zettet kontrollirt habe; dies sei auch nicht gesetzlich ver-
boten. Im Interesse des Wahlbezirks ersucht der Redner die Kammer, die Wahl
 
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