Kriegschronik der Meggendorfer-Blätter, München
179
Nikolai, öu mußt scheiöen!
Großer Großfürst, öu mußt gehn,
Denn öein Neffe will's nicht leiöem
Dich am ersten Platz zu sehn.
Selber soll es ihm gelingen,
Du mußt in öen Kaukasus.
Nikolai, ach, wir bringen
Dir noch einen Abschieösgruß.
Ist öie Pille auch in Süße
Lingehüllt, wie sich's gebührt,
Bleibt öie WLrkung öoch nur öiese:
Du bist grünölich abgeführt.
Abschieö
Manch ein Bilö mit öeinen langen
Beinen hat uns froh gemacht;
Daß öu so weit wirst gelangen,
Haben wir nicht mal geöacht.
Deutschlanö, hast öu zwar geschworen,
Sollt' von öir zermalmet sein.
Nun, ein 2Vort geht balö verloren;
Klüger ist man hinterörein.
Daß wir örob uns nicht entsetzten,
Dämmert öir wohl, wie es scheint.
Nimm öafür jetzt einen letzten
Abschieöswunsch, öer gut gemeint.
Zährt mit Ach in öie Bersenkung,
Wer zuerst öie Macht gehabt,
Gibt es öoch bei solcher Kränkung
Manchmal etwas, was erlabt.
Dies Lst später öas Grleben,
Daß öer ihm gefolgte Mann,
Gleiche Ziele zu erstreben,
Noch beöeutenö wen'ger kann.
Großfürst, öaß öu öies Vergnügen,
Dieses Tröstungselixier
Balö nun schlürfst in vollen Zügen,
Wünschen wir von Herzen öir.
j)iro
Resigniert
— „I' bin neugierig, wie lang der Krieg no' dauert."
— „O mei, dös bin i schon a ganz Iahr lang."
Aus der Kinderstube
— „Der Kleine im Kinderwagen hat auch eine Soldatem
mühe auf; spielt denn der auch mit Krieg?"
— „Ia, Onkel, der ist der König von Italien!"
Nicht so schlimm
An jenem Tage wurde überall bei uns geflaggt, weil
wieder einmal eine Festung im Osten gefallen war und
sogar eine besonders wichtige.
Poineare in Paris aber wußte noch nichts davon.
Er saß still zu Äause und ärgerte sich, daß seine Stiefel
so schlecht gepuht waren. Sein Kammerdiener hatte sie
aber wirklich nicht besser putzen können, denn er hatte ge-
rade eine verstauchte Land. Auf etwas peinliche Weise
war er dazu gekommen. In einem Estaminet hatte er ge-
sessen und gerade ein erfrischendes Glas Grenadine genießen
wollen. Da hatte ein Englän-
der, auch ein Kammerdiener,
der am Nebentische saß, her-
übergegriffen dasGlas gepackt
und ganz gemütlich ausge-
trunken. Das hatte sich aber
der Kammerdiener des Äerrn
Poineare nicht gefallen laffen
wollen und war dann zur
Berichtigung seiner rückstän-
digen Begriffe von dem Eng°
länder verprügelt worden. Er
hatte zwar versucht, sich zu
wehren, aber eben dabei halte
er stch die Land verstaucht.
Nachher war er zu seinem
Äerrn gekommen und hatte
sich bitter beklagt. Der aber
hatte gesagt, er sollte das
Maul halten; er wäre wohl
an der Sache schuld gewesen,
wahrscheinlich hätte er sich
frech gegen den englischen
Äerrn benommen.
Nun saß also Äerr Poin°
care da, ärgerte sich über diese
Auf einem mecklenburgischen Gutshofe arbeiten einige
Franzosen während der Erntezeit.
„Vating," sagt die Gutsherrin, „du wirst nichts da-
gegen haben: der eine Franzos ist ein befferer Mensch —
ich hab' ihm für Sonntag ein bißchen Lektüre gegeben!"
„Was für Lektüre?" forscht der Gatte, „er kann doch
kein Wort Deutsch?"
„Iawohl — aber Fritz Reuter!"
„I7t äs Ludwig Engel
Geschichte und ließ sich allerlei unangenehme Gedanken durch
den Kopf gehn. Da kam der Kriegsminister Millerand
zur Tür herein. Der sah auch verärgert aus. „Welch ein
Malheur, Lerr Präsident," sagte er, „jetzt sind die ver-
dammten Kerls schon die Lerren von Brest-"
Monsieur Poinears fuhr aus seinem Nachdenken auf.
Er ließ Millerand nicht ausreden. „Das ist ja ekelhaft,"
schrie er, „das wird ja immer schlimmer mit den verfluchten
Kerls das ist ja bald gar nicht mehr auszuhalten."
„Ia, schlimm ist es schon, aber eines Tages werden sie
ja wieder 'raus müssen," meinte Millerand tröstend.
Da schüttelte der Präsident traurig den Kopf, nachdem
er ihn sorgenvoll gekraht hatte.
„Raus müssen? Laben Sie
eineAhnung,lieberMillerand.
Die Kerls gehn nie wieder
'raus! In Calais sitzen sie
fest, in Boulogne machen sie
sich breit, in Dieppe dürfen
wir nicht mehr mucken, und
nun sollen wir auch in Brest
nichts mehr zu sagen haben.
Der Teufel soll die Englän-
der holen."
Monsieur Millerand wun-
derte sich. „Erlauben Sie,
Lerr Präsident, ich sprach ja
gar nicht von den Englän-
dern. Ich wollte Ihnen mit-
teilen, daß die Deutschen
Brest-Litowskeroberthaben."
Monsieur Poinearö holte
ties Atem. „Ach so — und
ich dachte, Sie meinten unsern
Kriegshafen Brest. Also die
Russen haben Brest-Litowsk
verloren. Na, das ist ja nicht
so schlimm." ^on.
Das Periskop in der Familie Maier
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Nikolai, öu mußt scheiöen!
Großer Großfürst, öu mußt gehn,
Denn öein Neffe will's nicht leiöem
Dich am ersten Platz zu sehn.
Selber soll es ihm gelingen,
Du mußt in öen Kaukasus.
Nikolai, ach, wir bringen
Dir noch einen Abschieösgruß.
Ist öie Pille auch in Süße
Lingehüllt, wie sich's gebührt,
Bleibt öie WLrkung öoch nur öiese:
Du bist grünölich abgeführt.
Abschieö
Manch ein Bilö mit öeinen langen
Beinen hat uns froh gemacht;
Daß öu so weit wirst gelangen,
Haben wir nicht mal geöacht.
Deutschlanö, hast öu zwar geschworen,
Sollt' von öir zermalmet sein.
Nun, ein 2Vort geht balö verloren;
Klüger ist man hinterörein.
Daß wir örob uns nicht entsetzten,
Dämmert öir wohl, wie es scheint.
Nimm öafür jetzt einen letzten
Abschieöswunsch, öer gut gemeint.
Zährt mit Ach in öie Bersenkung,
Wer zuerst öie Macht gehabt,
Gibt es öoch bei solcher Kränkung
Manchmal etwas, was erlabt.
Dies Lst später öas Grleben,
Daß öer ihm gefolgte Mann,
Gleiche Ziele zu erstreben,
Noch beöeutenö wen'ger kann.
Großfürst, öaß öu öies Vergnügen,
Dieses Tröstungselixier
Balö nun schlürfst in vollen Zügen,
Wünschen wir von Herzen öir.
j)iro
Resigniert
— „I' bin neugierig, wie lang der Krieg no' dauert."
— „O mei, dös bin i schon a ganz Iahr lang."
Aus der Kinderstube
— „Der Kleine im Kinderwagen hat auch eine Soldatem
mühe auf; spielt denn der auch mit Krieg?"
— „Ia, Onkel, der ist der König von Italien!"
Nicht so schlimm
An jenem Tage wurde überall bei uns geflaggt, weil
wieder einmal eine Festung im Osten gefallen war und
sogar eine besonders wichtige.
Poineare in Paris aber wußte noch nichts davon.
Er saß still zu Äause und ärgerte sich, daß seine Stiefel
so schlecht gepuht waren. Sein Kammerdiener hatte sie
aber wirklich nicht besser putzen können, denn er hatte ge-
rade eine verstauchte Land. Auf etwas peinliche Weise
war er dazu gekommen. In einem Estaminet hatte er ge-
sessen und gerade ein erfrischendes Glas Grenadine genießen
wollen. Da hatte ein Englän-
der, auch ein Kammerdiener,
der am Nebentische saß, her-
übergegriffen dasGlas gepackt
und ganz gemütlich ausge-
trunken. Das hatte sich aber
der Kammerdiener des Äerrn
Poineare nicht gefallen laffen
wollen und war dann zur
Berichtigung seiner rückstän-
digen Begriffe von dem Eng°
länder verprügelt worden. Er
hatte zwar versucht, sich zu
wehren, aber eben dabei halte
er stch die Land verstaucht.
Nachher war er zu seinem
Äerrn gekommen und hatte
sich bitter beklagt. Der aber
hatte gesagt, er sollte das
Maul halten; er wäre wohl
an der Sache schuld gewesen,
wahrscheinlich hätte er sich
frech gegen den englischen
Äerrn benommen.
Nun saß also Äerr Poin°
care da, ärgerte sich über diese
Auf einem mecklenburgischen Gutshofe arbeiten einige
Franzosen während der Erntezeit.
„Vating," sagt die Gutsherrin, „du wirst nichts da-
gegen haben: der eine Franzos ist ein befferer Mensch —
ich hab' ihm für Sonntag ein bißchen Lektüre gegeben!"
„Was für Lektüre?" forscht der Gatte, „er kann doch
kein Wort Deutsch?"
„Iawohl — aber Fritz Reuter!"
„I7t äs Ludwig Engel
Geschichte und ließ sich allerlei unangenehme Gedanken durch
den Kopf gehn. Da kam der Kriegsminister Millerand
zur Tür herein. Der sah auch verärgert aus. „Welch ein
Malheur, Lerr Präsident," sagte er, „jetzt sind die ver-
dammten Kerls schon die Lerren von Brest-"
Monsieur Poinears fuhr aus seinem Nachdenken auf.
Er ließ Millerand nicht ausreden. „Das ist ja ekelhaft,"
schrie er, „das wird ja immer schlimmer mit den verfluchten
Kerls das ist ja bald gar nicht mehr auszuhalten."
„Ia, schlimm ist es schon, aber eines Tages werden sie
ja wieder 'raus müssen," meinte Millerand tröstend.
Da schüttelte der Präsident traurig den Kopf, nachdem
er ihn sorgenvoll gekraht hatte.
„Raus müssen? Laben Sie
eineAhnung,lieberMillerand.
Die Kerls gehn nie wieder
'raus! In Calais sitzen sie
fest, in Boulogne machen sie
sich breit, in Dieppe dürfen
wir nicht mehr mucken, und
nun sollen wir auch in Brest
nichts mehr zu sagen haben.
Der Teufel soll die Englän-
der holen."
Monsieur Millerand wun-
derte sich. „Erlauben Sie,
Lerr Präsident, ich sprach ja
gar nicht von den Englän-
dern. Ich wollte Ihnen mit-
teilen, daß die Deutschen
Brest-Litowskeroberthaben."
Monsieur Poinearö holte
ties Atem. „Ach so — und
ich dachte, Sie meinten unsern
Kriegshafen Brest. Also die
Russen haben Brest-Litowsk
verloren. Na, das ist ja nicht
so schlimm." ^on.
Das Periskop in der Familie Maier