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Zeitschrift sür Hurnor und Kunst

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Die Dorfstrategen Von s.K. A.Krüger

In Äohen Äawershagen in Mecklenburg
hat man plötzlich entdeckt, daß geographische
Kenntnisse garnicht „son latinschen Böker-
kram" sind, wie man sonst zu sagen Pflegte.

Im Gegenteil, es schien doch viel wert zu
sein, wenn man etwas mehr verstand als
Essen, ?rinken, Schlafen, Ackerbau und Vieh°
zucht, so nolwendig dies alles als solide Grund-
lage des menschlichen Lebens auch sein mochte.

Man hatte also Bildungshunger. „Man"
waren der Schneider Plückhahn, der Schmied
Kofahl, der Schuster Prüßmann und der
Bauer Wolter. Als der Schneider in der
Stadt zu tun hatte, wurde er beamtragt,
eine Landkarte, groß und recht bunt, Löchst-
preis eine Reichsmark, auf Aktien zu erstehen.

Der Schneider, mit einem blauen baum-
wollenen Schirm bewaffnet, drückte seine Nase
an jedem Ladenfenster Platt, sämtliche Buch-
und Papierhändler erfragte er sich und lief
sich die Lacken erbärmlich schief. Dazu war
der Mut, den er im Dorf zur Schau truq,
in der Stadt gewaltig zusammengeschrumpft,
und Plückhahn hatte eine lange Scheu, einen
der feinen Läden zu betreten.

Schließlich faßte er Mut und ging in die
Stillersche Lofbuchhandlung hinein, weil des
Verkäufers freundliche, hinter Brillengläsern
vergnüglich blinzelnde Augen ihm Zutrauen
emgeflößt hatten. „Den Großherzog ward ick
jewoll nich grad drapenl" dachte er in seines
Äerzens Grunde.

Er betrat also mit feierlicher Miene den La-
den und machte eine unbeholfene Verbeugung.

„Guten Tag auch!"

„Guten Tag!"

„Soll ich woll 'ne Landkorte haben?"

„Vom Kriegsschauplatz, nicht wahr?"

„Ia, dor mütt oewer ok allens up sien."

„Äier habe ich eine vorzügliche Karte des westlichen
Kriegsschauplatzes, kostet eine Mark, ebenso kostet die vom
östlichen eine Mark. Diese Karten sind sehr gut und
werden viel gekauft."

„Dat 's to düer. 'n Mark wullen wi man anleggen.
Äebben Sie nich en, wo allens up is?"

„Gewiß, diese hier. Kostet eine Mark fünfzig."

„Dat 's oewer ok heil düer."

„Ist aber auch eine vorzügliche Karte. Sehen Sie mal,
hier im Westen, da finden Sie Bpern, Steenstrate, alle
die Orte, bei denen dauernd gekämpst wird. Wenn Sie
eme billigere Karte nehmen, haben Sie natürlich nur die
größeren Ortschaften drauf und tönnen die Kriegsberichte
nicht eingehend verfolgen."

„Is Lindenburg dor ok mit up?"

„Aber natürlich. Sehen Sie, hier im Osten, hier
kärnpft er."

„Dunnerknütt Sünd de oewer 'n End von enanner
af. Seggen S' mal, koenen Sei de Kort nich beten billiger
laten? 'n Mark gew ick."

„Das kann ich nicht. Im Buchhandel sind feste Preise."

„Na, willen uns den Schaden deilen: en Mark fiewun-
twintig."

„Das geht leider nicht."

Ein freigebiger Gatte - „Mein Kollege, der arme

Kerl, ist wirklich zu bedauern; überall hat er Schulden — sogar von der
Schneiderin seiner Frau ist er für fünfhundert Mark verklagt worden!"
Frau: „Für fünfhundert Mark? — an dem solltest du dir ein Beispiel
nehmen, Fritz!"

„Na, denn helpt dat nich. Dor is oewer doch ok
allens up?"

„Alles, was Sie nachsehen wollen."

„Na, denn man rin in't Vergnögen."

Plückhahn erstand die Karte, grabbelte den halben
Taler aus seinem wohl umschnürten Lederbeutel hervor
und ging erhobenen Äauptes nach Lohen Lawershagen
zurück. » *

-r-

Am Abend versammelten die vier Aktionäre sich im
Dorfkrug. Punkt 1 der Tagesordnung, die Erhöhung des
Aktienkapitals von l Mark auf 1 Mark 50 Pfennig wurde
wider Erwarten nach einer längeren Rede Plückhahns in
einer patrionschen Aufwallung ohne Debatte bewilligt.
Die Beträge wurden bar eingezahlt.

Nun kam Punkt 2: der neueste Leeresbericht. Der
Krüger mußte sich von seiner Zeitung trennen, die er sonst
um diese Zeit in aller Ruhe zu lesen pflegte. Er tat es
brummend und setzte sich an den Strategentisch.

Also der Leeresbericht. Plückhahn las vor.

Da stand zunächst von Kämpfen bei Bpern. Stolz
wies der Schneider auf den Ort hin, den ihm der Buch-
händler gezeigt hatte.

„So, also dor is dat!" meinte Prüßmann.
 
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