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Das Kartell

Ieder, der ein Geschäft hat, weiß, wie schwer heut-
zutage das Verdienen ist. Die Konkurrenz ist groß und
wird mit jedem Tage größer, und was das Schlimmste
ist: einer will dem andern den Rang ablaufen und
versucht, mit niederen Preisen das Geschäft an sich zu
reißen. So ist's im kleinen und so ist's im großen.

Alle Zeitungen sind voll von Inseraten, die für
ein paar Pfennige goldene Berge versprechen, und
wenn's so weiter geht, dann kriegen die Lausfrauen
noch Geld herausbezahlt, wenn sie die Gegenstände
abholen, die da mit viel Geschrei angepriesen werden.

Am nun diesem Spiel mit dem Preise Einhalt
zu tun, hat ein kluger Mann das Kartell erfunden.

Da tun sich die Fabrikanten zusammen, verkaufen
nur zu festgesetzten Preisen und Bedingungen und
setzen die Preise so hoch an, daß sie am Zahres-
ende tagelang mit dem Schmunzeln und Ländereiben
nicht fertig werden können.

Allerdings, der Detailkaufmann, der kann sehen,
wie er fertig wird.

Sitzt da an einem schönen Sommertage der Kauf-
mann Sagschneider von Äacklmoos in seinem Kontor
und raucht eine Zigarre, die gerade dreimal so viel kostet
wie das Kraut, das er vor seiner Etablierung gewohnt
war. Äacklmoos war als Badeort groß geworden,und
beim Sagschneider sah es nicht mehr aus wie bei einem
Landkramer, sondern akurat wie in einem Warenhaus.

Wie er so dasitzt und schmunzelnd den Profit
des laufenden Iahres überrechnet, klopft es an die
Türe, und eine Verkäuferin meldet nach ihrem Eintritt
die Ankunft des Lerrn Meier, der den Chef zu sprechen
wünsche. Der Meier war ein Regenschirmfabrikant,
mit dem der Sagschneider Geschäfte machte, und da
er in diesem Artikel ein recht gutes Geschäft erzielte, so war
die Offerte seines alten Lieferanten von Wichtigkeit für ihn.
Er ließ also den Mann kommen.

„Recht guten Tag, Lerr Sagschneider, wie geht's, was
macht der Landel," sagte der Meier beim Eintritt.

Der Sagschneider der inzwischen ein großes Buch vor
sich gelegt und eine Feder hinters Ohr gesteckt hatte, sah
gar nicht auf, sondern arbeitete „angestrengt" weiter. Erst
als er ein paarmal die Land an den schier zerspringenden
Kopfgelegt und tief geseufzt hatte, dreht er sich rum und sagte:

„Ah so, der Äerr Meier."

Nachdem sie sich die Lände gereicht hatten, erkundigte
sich der Äerr Meier um des Sagschneiders Gesundheit, sragte
um das Befinden der gesamten Verwandtschaft und tat ge-
rade so, als ob er das ganze Iahr hindurch in größter
Sorge um die Sagschneiderischen gewesen wäre.

Als das Geplänkel eine Weile gedauert hatte, sprach
der Meier vorsichtig vom Geschäste und meinte, ob er die
Muster gleich senden dürfe, oder ob der Äerr Sagschneider
erst morgen zum Kaufen geneigt sei.

Der Lerr Sagschneider aber war gar nicht geneigt
und stellte sich so, als ob er nicht daran denken würde, in
den nächsten Monaten einen Schirm zu kaufen.

Nun fing der andere wieder an. Von der Ernte, vom
Wetter und von der Politik. Er drückte seine Verwunderung
aus, wie herrlich sich das Bad Äacklmoos im allgemeinen
und das Sagschneidersche Geschäft im besonderen entwickelt
habe, und er erkuntngte sich teilnehmend, ob der §>err Sag-
schneider noch im Besitze jenes Backenzahnes sei, der ihm um
die gleiche Zeit des vergangenen Iahres so weh getan hätte.

Verdacht

Diener (als er seinen Äerrn beim Likör-
schranke aus einer Flasche trinken sieht): „O,
am End' war der a 'mal selber Dienerl"

Gegen so viel Liebenswürdigkeit konnte der Sagschneider
natürlich nicht aufkommen und bestellte die Musterkoffer.

Mit einem goldenen Zwicker auf der Nase spielte er
eine halbe Stunde später den kundigen Fachmann. Aber
was war das? Alles, was er gehabt hatte und getreulich
wieder zu kaufen gedachte, kostete mehr. Gut und gern um
ein Viertel hatte der Meier aufgeschlagen.

Ein strenger Blick fiel über die Zwickergläser weg auf
den geduldigen Meier.

„Ia, wiffen Sie denn nicht, Lerr Sagschneider, daß
wir nur zu Kartellpreisen verkaufen dürfen?"

„Kartellpreis? Was geht dös mich an, wie Sie eahnerö
unverschämten Preis heißen."

„Da ist nichts dagegen zu machen. Die Webereien
haben sich zusammengetan und verkausen nur zu festgesetzten
Preisen, und wir Schirmsabrikanten müffen das gleiche tun,
um bestehen zu können."

Da vergaß der Sagschneider auf seine hochdeutsche
Bildung, die er sich mühsam erworben hatte, und sagte:

„Bazi seid 's, alle miteinander, und der Deifi soll mi'
hol'n, bal i' dös Sündengeld für die War zahl'."

Alle Einwände halfen nichts, der Meier mußte eüi-
packen und abziehen. Das wurmte nalürlich den Mann.
Er hätte ja recht gut billiger verkausen können, aber wenn
das rauskam, konnte es ein schönes Stück Geld kosten. Da
war guter Nat teuer.

Es war inzwischen Abend geworden, und der Lerr Meier
spazierte mißwutig über den Marktplatz. Sonst halte er
mit dem Sagschneider immer nach getaner Arbeit beim
Bruckbräu seinen Tarock gemacht. Aber halt! Warum sollte
 
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