Zeitschrift für Humor und Kunst 107
Die falschen Feldpoftbriefe
so auf eine feine Weise ihre Firma in die Zeitung,
ohne dafür bezahlen zu müssen. Das würde die Leute
interessieren. Kommen würden sie und fragen: Nun,
was macht denn Ihr Lerr Drewes? Äat er was
von sich hören laffen? Wo steckt er jetzt? Was hat
er schon erlebt? Wie denkt er über unsere Aussichten?
— And dabei würden die Leute natürlich irgend etwas
bei Schlochauer Söhne kausen. And wenn es auch
nur eine Kleinigkeit war — diese Kleinigkeit hätten
sie eben so gut, nein noch besser bei Leymann Freund-
lich haben können.
Leymann Freundlich ärgerte sich, je mehr er
darüber nachdachte. Er ging zu Äerrn Deffauer,
seinem ersten jungen Mann: „Ersatzreservist sind Sie
doch, nicht wahr? Wann werden Sie denn einge-
zogen?"
Lerr Deffauer zuckte ohne Begeisterung die
Achseln. „Weiß ich? Kann sein in vier Wochen,
kann sein in drei Monaten. Ich kenn' mich in solchen
Sachen nicht aus, ich warte einfach ab. And Sie
können mir glauben: ich werd's auf jeden Fall noch
früh genug erfahren."
„Sagen Sie mal, Dessauer, warum haben Sie
eigentlich nicht gedient?" fragte Leymann Freund-
lich mürrisch.
„Nun fragen Sie mich schon wieder so was!
Laben Sie denn überhaupt gedient, Lerr Freundlich?"
Leymann Freundlich umschrieb die Antwort.
„Ich bin in andern Zeiten jung gewesen. Ich war
anno 72 militärpflichtig, gleich nach dem Krieg. Da-
mals nahmen sie nicht so viele."
„Sie haben's gut getroffen gehabt, Lerr Freund-
lich. Ich wollt', ich wäre auch gleich nach einem
Krieg militärpflichtig," meinte Lerr Dessauer, und
damit war die Llnterhaltung beschloffen. Lerr Kanehl,
der zweite junge Mann, kam vorläufig noch lange nicht
in Frage, der war dauernd untauglich.
Die Nubrik „Llnsere heimatlichen Krieger" hatte alle
diejenigen aufgezählt, die aus Krojanke und Llmgegend in's
Feld gezogen waren, oder wenigstens alle jene, deren Namen
dem „Krojanker Stadt- und Landboten" von Eltern, Ver-
wandten, Bräuten und Prinzi-
palen mitgeteilt worden waren.
Drei Tage lang hatte die Rub-
rik dann gefehlt, am vierten
aber war sie wieder da und
sogar eine ganze halbe Spalte
lang. Diesen Naum nahm ganz
und gar ein Gedicht ein, und
dies Gedicht rührte von Lerrn
Drewes her. Einleitend be-
merkte die Redaktion dazu: Die
hiesige renommierte Firma
Schlochauer Söhne erhielt von
ihrem in's Feld gezogenen be-
währten Mitarbeiter Lerrn
Drewes nachstehendes, die be-
geisterte Stimmung unserer
ausziehenden Krieger in vor-
züglich gelungener Form wieder-
gebendes Gedicht, deffen Abdruck
uns die Firma Schlochauer
Söhne sreundlichst gestattet hat.
Naiv Kunde: „Was kostet denn dieser Lund?"
Ländler: „Fünszig Mark. . . auf Wunsch
nehme ich ihm noch 'n Stück vom Schweif ab!"
— „Ist er dann billiger?"
Das Gedicht war „Ausmarsch" überschrieben. Zu
seinem Lobe kann gesagt werden, daß es sehr gut gemeint
war. Es war darin von allgemeiner Begeisterung die
Rede, und deshalb war es sehr zweckentsprechend auch in
ganz allgemeinen Wendungen gehalten. Die Lauptreime
waren: Krieg und Sieg, Macht und Schlacht, Waffen und
wir werden's schaffen, und
schließlich: wir haben Vertrauen
und wir werden sie alle hauen.
Leymann Freundlich las
das Gedicht so genau, wie er
noch nie etwas Poetisches ge°
lesen hatte. „Das Gedicht taugt
nichts," sagte er. Lerr Dessauer,
der dabei stand, wußte noch
etwas zu melden. Eben war
er auf der Post gewesen und
bei Schlochauer Söhne vorbei
gekommen. „Wenn Sie es noch
einmal lesen wollen," sagte er
gefällig, „dann können Sie zu
Schlochauer Söhne heran gehn
da hängt's im Schaufenster."
Darauf ging Leymann
Freundlich wütend in sein Pri-
vatkontor, schmiß die Zeilung
auf den Schreibtisch und setzte
sich Flüche murmelnd davor.
Der Aeberschnelldichter
„So beeile dich doch, Schatz, ich warte,
der Verleger wartet und die Leser warten!"
Die falschen Feldpoftbriefe
so auf eine feine Weise ihre Firma in die Zeitung,
ohne dafür bezahlen zu müssen. Das würde die Leute
interessieren. Kommen würden sie und fragen: Nun,
was macht denn Ihr Lerr Drewes? Äat er was
von sich hören laffen? Wo steckt er jetzt? Was hat
er schon erlebt? Wie denkt er über unsere Aussichten?
— And dabei würden die Leute natürlich irgend etwas
bei Schlochauer Söhne kausen. And wenn es auch
nur eine Kleinigkeit war — diese Kleinigkeit hätten
sie eben so gut, nein noch besser bei Leymann Freund-
lich haben können.
Leymann Freundlich ärgerte sich, je mehr er
darüber nachdachte. Er ging zu Äerrn Deffauer,
seinem ersten jungen Mann: „Ersatzreservist sind Sie
doch, nicht wahr? Wann werden Sie denn einge-
zogen?"
Lerr Deffauer zuckte ohne Begeisterung die
Achseln. „Weiß ich? Kann sein in vier Wochen,
kann sein in drei Monaten. Ich kenn' mich in solchen
Sachen nicht aus, ich warte einfach ab. And Sie
können mir glauben: ich werd's auf jeden Fall noch
früh genug erfahren."
„Sagen Sie mal, Dessauer, warum haben Sie
eigentlich nicht gedient?" fragte Leymann Freund-
lich mürrisch.
„Nun fragen Sie mich schon wieder so was!
Laben Sie denn überhaupt gedient, Lerr Freundlich?"
Leymann Freundlich umschrieb die Antwort.
„Ich bin in andern Zeiten jung gewesen. Ich war
anno 72 militärpflichtig, gleich nach dem Krieg. Da-
mals nahmen sie nicht so viele."
„Sie haben's gut getroffen gehabt, Lerr Freund-
lich. Ich wollt', ich wäre auch gleich nach einem
Krieg militärpflichtig," meinte Lerr Dessauer, und
damit war die Llnterhaltung beschloffen. Lerr Kanehl,
der zweite junge Mann, kam vorläufig noch lange nicht
in Frage, der war dauernd untauglich.
Die Nubrik „Llnsere heimatlichen Krieger" hatte alle
diejenigen aufgezählt, die aus Krojanke und Llmgegend in's
Feld gezogen waren, oder wenigstens alle jene, deren Namen
dem „Krojanker Stadt- und Landboten" von Eltern, Ver-
wandten, Bräuten und Prinzi-
palen mitgeteilt worden waren.
Drei Tage lang hatte die Rub-
rik dann gefehlt, am vierten
aber war sie wieder da und
sogar eine ganze halbe Spalte
lang. Diesen Naum nahm ganz
und gar ein Gedicht ein, und
dies Gedicht rührte von Lerrn
Drewes her. Einleitend be-
merkte die Redaktion dazu: Die
hiesige renommierte Firma
Schlochauer Söhne erhielt von
ihrem in's Feld gezogenen be-
währten Mitarbeiter Lerrn
Drewes nachstehendes, die be-
geisterte Stimmung unserer
ausziehenden Krieger in vor-
züglich gelungener Form wieder-
gebendes Gedicht, deffen Abdruck
uns die Firma Schlochauer
Söhne sreundlichst gestattet hat.
Naiv Kunde: „Was kostet denn dieser Lund?"
Ländler: „Fünszig Mark. . . auf Wunsch
nehme ich ihm noch 'n Stück vom Schweif ab!"
— „Ist er dann billiger?"
Das Gedicht war „Ausmarsch" überschrieben. Zu
seinem Lobe kann gesagt werden, daß es sehr gut gemeint
war. Es war darin von allgemeiner Begeisterung die
Rede, und deshalb war es sehr zweckentsprechend auch in
ganz allgemeinen Wendungen gehalten. Die Lauptreime
waren: Krieg und Sieg, Macht und Schlacht, Waffen und
wir werden's schaffen, und
schließlich: wir haben Vertrauen
und wir werden sie alle hauen.
Leymann Freundlich las
das Gedicht so genau, wie er
noch nie etwas Poetisches ge°
lesen hatte. „Das Gedicht taugt
nichts," sagte er. Lerr Dessauer,
der dabei stand, wußte noch
etwas zu melden. Eben war
er auf der Post gewesen und
bei Schlochauer Söhne vorbei
gekommen. „Wenn Sie es noch
einmal lesen wollen," sagte er
gefällig, „dann können Sie zu
Schlochauer Söhne heran gehn
da hängt's im Schaufenster."
Darauf ging Leymann
Freundlich wütend in sein Pri-
vatkontor, schmiß die Zeilung
auf den Schreibtisch und setzte
sich Flüche murmelnd davor.
Der Aeberschnelldichter
„So beeile dich doch, Schatz, ich warte,
der Verleger wartet und die Leser warten!"