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Meggendorfer.Blätter, München

Nr. 1299

Die salschen Feldpostbriese

warum also nicht auch das gemeine Verlangen, daß ihr An-
gestellter sich mühselig Neime abquälen sollte.

Als Leymann Freundlich so weit in seinem Nachdenken
gekommen war, sprang er auf und lief zu seinem ersten
jungenMann. „KönnenSie auch Gedichte machen,Defsauer?"

Aber Dessauer winkte ablehnend. „Ich bin doch kein
Dichter. Wenn ich einer wär', hätten Sie mir doch schon
längst das Gehalt gekürzt." Da konnte Leymann Freundlich
nichts weiter sagen. —

Vierzehn Tage vergingen, da erschien, wieder durch
freundliche Vermittelung der Firma Schlochauer Söhne, ein
neues Gedicht von Lerrn Drewes im „Krojanker Stadt- und
Landboten." DLesmal hieß es „Im Feuer," und so etwas
mußte natürlich das allgemeine Interesse im höchsten Maße
auf sich ziehn. Wiederum hing auch die Zeitung, das Ge-
dicht dick blau umrahmt, bei Schlochauer Söhne im Schau-
fenster, und die Leute drängten sich davor. „Das kann ja
schön werden," sagte Äeymann Freundlich. „Das Gesindel
beutet den Krieg in der schamlosesten Weise aus. Alle
Welt ist jeyt neugierig, und die Leute werden zu Schloch-
auer in den Laden laufen und hören wollen, ob der Drewes
sonst noch was geschrieben hat. And Schlochauer wird
ihnen alles mögliche vorschwindeln, und dabei wird er ihnen
seine miserable Ware aufschwatzen. Llnd ich kann nichts,
rein garnichts dagegen tun. Wenn ich eine Ahnung gehabt
hätte, — ich hätte mir einen Menschen engagiert, der am
ersten Tage hätte ausrücken müssen."-

Da aber kam eines Morgens Lerr Dessauer zu spät
in's Geschäft. „Na, Sie scheinen's nicht eilig zu haben,"
sagte der Chef.

„§>ab ich auch nicht," erktärte Dessauer brummig. „Aber
andere Leute haben's eilig. Da, -sehn Sie mal die Karte an!"

Leymann Freundlich las die Karte und hätte dann
seinem ersten jungen Mann beinahe einen Kuß gegeben:
Lerr Dessauer war einberufen worden. „And wann kommen
Sie an die Front?" fragte Lerr Freundlich.

„Weiß ich? Sonst brauchen sie doch zwei Iahre dazu,
den Leuten den ganzen Zimt beizubringen."

Leymann Freundlich regte sich auf. „Zwei Zahre?

Reden Sie doch keinen Stuß. Ietzt geht das sehr fix. Na
und Sie erst! Sie haben doch einen gescheiten Kopf, Sie
haben die Sache in drei, vier Wochen weg. Geben Sie sich
rechte Mühe, lieber Dessauer."

Aber Lerrn Dessauer gefiel das nicht. „Sie scheinen's
ja nicht erwarten zu können, daß ich in's Feuer komme"
sagte er übellaunig und wollte sich auf keine weitere Anter-
haltung mehr einlassen.

Drei Tage später konnte man im „Krojanker Stadt-
und Landboten" lesen: Von den Angestellten des Lauses
Leymann Freundlich, Manufakturwaren im Groß- und Klein-
verkauf, hat der erste Verkäufer, Lerr Dessauer, nunmehr
die Einberufung zu seiner militärischen Ausbildung erhalten.
Die Firma Leymann Freundlich begleitet ihren bewährten
Mitarbeiter mit herzlichen Wünschen und hofft, ihn in nicht
zu ferner Zeit, wenn unser Vaterland über die Ränke seiner
Feinde triumphiert hat, wieder gesund und in alter Frische
an der Stätte seines Wirkens begrüßen zu können.

Diese Notiz war nicht nur durch Lerrn Freundlich ver^
anlaßt worden, sie stainmte sogar in ihrem Wortlaut aus
seiner Feder und en^sprach ja auch den stilistischen Anfor-
derungen des Blattes aufs beste. Leymann Freundlich
freute sich, daß nun auch seine Wünsche in der Zeitung
standen. Damals, bei Schlochauer Söhne, hatte er es sreilich
für eine Unanständigkeit angesehn, daß sie ihre Segens-
wünsche in die Zeitung brachten, aber daran dachte er nicht
mehr. Man hat eben manchmal ein kurzes Gedächtnis,
und besonders in aufgeregten Kriegszeiten ist das zu ent-
schuldigen. Ja, es ist in Kriegszeiten mitunter sogar vor-
teilhaft und angebracht, ein kurzes Gedächtnis zu haben.

Lerr Dessauer fühlte fich in seiner neuen Tätigkeit gar
nicht wohl. Er schrieb das auch seinem Prinzipal, denn
der hatte ihn mit sast zärtlichen Worten ersucht, doch ja
recht oft und ausführlich von sich hören- zu lassen. Leymann
Freundlich war sehr unzufrieden, daß Lerr Dessauer un-
zufrieden war. Denn das konnte er doch nicht in die Zeitung
bringen. Deffauer sollte lustig und guter Dinge sein und
köstliche Schnurren aus seinem Rekrutenleben erzählen.
Freundlich beschloß, nachzuhelfen. Er schickte fünfzig Mark an
Dessauer — weil der Soldat doch immer Geld für die Kantine

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