138 Meggendorfer-Blätter, München
Fortsetzung
Horch, äie kalten Winäe rauden
Ans äas Lieä von äommers 6lück.
Hald entblättert fteh'n äie Lauüen,
Liebe zieht sich scheu zurück.
I^omm, mein kvinä, ich will äich führen
Hier ift nichts mehr, was uns reizt.
6ber bei geschlossnen Dücen,
Wenn es tüchtig eingeheizt,
Zelbft äen Aosenftrauch im 6arten
ächmückt kein Blüh'n mehr weiß unä rot,
Anä äie welken Blätter warten
Bebenä auf äen nahen Toä.
kvlingen balä äie weitern ätrophen
— Ans ersetzt äie äommerszeit
Leicht äas Aäucherwerk im Ofen
Anä ein drennenä Buchenscheit.
F. Kahn
Der eigenartige Beweis
Nachdem der Vortrag zu Ende war,
fühlte ich ein dringendes Verlangen nach
einer Taffe Kaffee mit Num oder sonst
etwas Scharfem, und so ging ich ganz
gegen meine Gewohnheit in ein Kaffee-
haus. Cafo Schabmeier hieß es, wie
ich ganz nebenbei zu bemerken Gelegen-
heit hatte. Ich bestellte meinen Kaffee
und genoß ihn mit all den prunkvollen
Zutaten an sinnverwirrenden Decken-
gemälden, vergoldeten Säulen, geschlif-
fenen Spiegeln,schwungvollerBedienung
und der Galerie versoffener, verschlafener
und eulenhafter Gesichter, wie sie das
Nachtpublikum eines Cafä's in Erschei-
nung treten läßt. Zu den letzteren stellte
besonders jene Rasse ihr reichliches Kon-
tingent, die vor dem Kriege die Straßen
und Lörsäle Münchens unsicher machte
und denen man aus überhöflicher Gast-
lichkeit damals auch noch den Nabel da-
für vergoldete. Ich achtete ihrer indessen
nur so nebenher, trank meinen Kaffee
aus und wollte mich wieder entsernen.
Aber da zeigte sich ein Lindernis. Denn
„Mein Mantel war verschwu — hun —
deen, der dort gehangen hat." Nur mein
Lut hing noch da. Der Mantel aber
war weg. Eine siedend heiße Welle
peinlichster Verlegenheit stieg in mir auf,
jenes bedrückende Gefühl kommender An-
annehmlichkeiten, deren Mittelpunkt zu
fein eine so unangenehme Popularität
verschafft, daß ich allen Ernstes erwog,
den Aeberzieher kurzer Land im Stich
zu lassen. Aber er war noch so gut wie
neu und hatte über hundert Mark ge-
kostet, es mußte also der Versuch zu seiner
Wiedererlangung gemacht werden. So
gab ich denn das Signal, der Vorhang
ging in die Löhe, die Zuschauer zeigten
die erwartete intensive Aufmerksamkeit
und Verständnis für unfreiwillige Komik,
das gesamte bessere Betriebspersonal
des Cafä Schabmeier trat unter Führung
seines Direktors an und die Komödie
nahm ihren Anfang. Alles ging, wie
vorausgesehen, der Lleberzieher kam nicht
zum Vorschein, und zum Schluß der Vor-
stellung hielt der Direktor die übliche
Ansprache: „Außerordentlich leid —sehr
unangenehm für beide Teile — vorerst
aber nichts zu machen — sicher nur un-
glückselige Verwechselung — Aufklärung
unausbleiblich — morgen Güte haben
und wieder herbemühen."
Dann fiel der Vorhang wieder.
Beschämt, verärgert und die Brust
voll zorniger Verwünschungen verließ
ich das Cafä mit all seinem gleißenden
Prunk, der mir nie so ironisch, so salsch
und so hohl vorgekommen war, wie heute.
Als ich um die Ecke bog, erhob sich
von dem Bänkchen, das tagsüber einem
Fortsetzung
Horch, äie kalten Winäe rauden
Ans äas Lieä von äommers 6lück.
Hald entblättert fteh'n äie Lauüen,
Liebe zieht sich scheu zurück.
I^omm, mein kvinä, ich will äich führen
Hier ift nichts mehr, was uns reizt.
6ber bei geschlossnen Dücen,
Wenn es tüchtig eingeheizt,
Zelbft äen Aosenftrauch im 6arten
ächmückt kein Blüh'n mehr weiß unä rot,
Anä äie welken Blätter warten
Bebenä auf äen nahen Toä.
kvlingen balä äie weitern ätrophen
— Ans ersetzt äie äommerszeit
Leicht äas Aäucherwerk im Ofen
Anä ein drennenä Buchenscheit.
F. Kahn
Der eigenartige Beweis
Nachdem der Vortrag zu Ende war,
fühlte ich ein dringendes Verlangen nach
einer Taffe Kaffee mit Num oder sonst
etwas Scharfem, und so ging ich ganz
gegen meine Gewohnheit in ein Kaffee-
haus. Cafo Schabmeier hieß es, wie
ich ganz nebenbei zu bemerken Gelegen-
heit hatte. Ich bestellte meinen Kaffee
und genoß ihn mit all den prunkvollen
Zutaten an sinnverwirrenden Decken-
gemälden, vergoldeten Säulen, geschlif-
fenen Spiegeln,schwungvollerBedienung
und der Galerie versoffener, verschlafener
und eulenhafter Gesichter, wie sie das
Nachtpublikum eines Cafä's in Erschei-
nung treten läßt. Zu den letzteren stellte
besonders jene Rasse ihr reichliches Kon-
tingent, die vor dem Kriege die Straßen
und Lörsäle Münchens unsicher machte
und denen man aus überhöflicher Gast-
lichkeit damals auch noch den Nabel da-
für vergoldete. Ich achtete ihrer indessen
nur so nebenher, trank meinen Kaffee
aus und wollte mich wieder entsernen.
Aber da zeigte sich ein Lindernis. Denn
„Mein Mantel war verschwu — hun —
deen, der dort gehangen hat." Nur mein
Lut hing noch da. Der Mantel aber
war weg. Eine siedend heiße Welle
peinlichster Verlegenheit stieg in mir auf,
jenes bedrückende Gefühl kommender An-
annehmlichkeiten, deren Mittelpunkt zu
fein eine so unangenehme Popularität
verschafft, daß ich allen Ernstes erwog,
den Aeberzieher kurzer Land im Stich
zu lassen. Aber er war noch so gut wie
neu und hatte über hundert Mark ge-
kostet, es mußte also der Versuch zu seiner
Wiedererlangung gemacht werden. So
gab ich denn das Signal, der Vorhang
ging in die Löhe, die Zuschauer zeigten
die erwartete intensive Aufmerksamkeit
und Verständnis für unfreiwillige Komik,
das gesamte bessere Betriebspersonal
des Cafä Schabmeier trat unter Führung
seines Direktors an und die Komödie
nahm ihren Anfang. Alles ging, wie
vorausgesehen, der Lleberzieher kam nicht
zum Vorschein, und zum Schluß der Vor-
stellung hielt der Direktor die übliche
Ansprache: „Außerordentlich leid —sehr
unangenehm für beide Teile — vorerst
aber nichts zu machen — sicher nur un-
glückselige Verwechselung — Aufklärung
unausbleiblich — morgen Güte haben
und wieder herbemühen."
Dann fiel der Vorhang wieder.
Beschämt, verärgert und die Brust
voll zorniger Verwünschungen verließ
ich das Cafä mit all seinem gleißenden
Prunk, der mir nie so ironisch, so salsch
und so hohl vorgekommen war, wie heute.
Als ich um die Ecke bog, erhob sich
von dem Bänkchen, das tagsüber einem