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Zeitschrift für Humor und Kunst 139

Der eigenarlige Veweis

dortselbst stationierten Dienstmanne zum Ruhesihe
diente, eine dunkle Gestalt mit einem Schlapphut und
einem fadenscheinigen Röckchen, deffen Kragen bis
hoch über die Ohren gezogen war.

„Verzaihen Sie," sagte die Gestalt und tippte
mit dem Finger an den Rand des Schlapphutes,
„Sie sind doch der Lerr, dem ist gestohlen gegangen
der Iberzieher?"

„Der bin ich allerdings," gab ich überrascht zur
Antwort, „wissen Sie vielleicht etwas darüber?"

Der Lerr —owitsch (denn aus eirrem — owitsch-
lande war er seiner Aussprache nach) zuckte die Achseln.

„Waißen tu ich nix," wich er diplomatisch aus,
„aber kann sain, ich haben ain Ferrmutung."

„Dann würde ich Ihnen verbunden sein, wenn Sie
mir diese mitteilen würden. Ich bin gern bereit, mich im
Sinne eines Finderlohns erkenntlich zu zeigen, wenn
es mir gelingt, durch Ihre Beihilfe meinen Mantel
wiederzuerlangen," setzte ich ermutigend hinzu.

„Gott lieber," gab Lerr —owitsch mit demselben
vieldeutigen Achselzucken von vorhin zurück, „bin ich
zwar ein armes Student, der nur hat ain Monats-
wechsel von sechszig Mark, sodaß ich mussen sechszig
Mark schuldig bleiben jedes Monat, aber bin ich
gern gefellig ainem Lerrn auch ohne zu erhalten
Bezahlung. Muß ich nur die Bedingung stellen,
daß der Äerr sain diskret und kainen Lärm schlagen
und auch nicht rufen wollen die Polizei."

„Du lieber Limmel, Mann," erwiderte ich, „ich
bin froh, wenn die Sache ohne Lärm abgeht, und
von der Polizei will ich gleich gar nichts wissen, so
nützlich sie auch sein mag. Schaffen Sie mir meinen
Mantel in aller Diskretion her und ich gebe Ihnen
zehn Mark. Auch mit aller Diskretion."

Wieder das fatale Achselzucken.

„Ich selber kann nicht treten in Aktion, sonst ich
würden mich serraten. Aber Sie mussen gehen in
Cafe Quastl, da werden Sie vielleicht finden Ihren
Iberzieher."

„Wieder in ein Cafe!" schrie ich verzweiflungs-
voll. „Dazu fehlt mir der Mut. — Mein Äerr, zuckeir

„Wo gehst denn hi, Rührmilikathel?"

„Da Nos'n noch, Lanswurscht."

„Ia, was willst denn im Äimmel drob'n?"

Mahnung Kausmann (zur Tochter, die im Laden mithilft.

Waren aber falsch einordnet): „Laura, das ist ka
französischer Sprachunterricht, daß de de Artikel verwechselst!"

Sie nicht wieder mit Ihren Achseln, das bringt mich vollends
um. Wenn es nicht anders geht, so will ich Ihrem Rate solgen.
Aber können Sie mich nicht wenigstens begleiten? Ich fühle mich
so entsehlich hilflos in dieser unangenehmen Sache, daß mir Ihre
Anwesenheit eine Beruhigung sein wird."

Lerr — owitsch schien zu überlegen.

„Wenn ich mich serrstecken wollte
hinter ain großes Zaitung, mußte
es viellaicht gehen. Aber ich kennen
nicht den dortigen Oberkellner."

„Das lassen Sie nur meine Sorge
sein," anlwortete ich. „Ich betrachte
Sie selbstverständlich als meinen
Gast."

Das brachte die Angelegenheit
in Fluß, und so schritten wir in die
sriedliche Nacht hinein, dem Cafe
Ouastl zu. Anterwegs forschte ich
Äerrn —owitsch über seine Kenntnis
von der Sache aus, und er verlraute
mir unter einem schrecklichen Auf
wand von Achselzucken solgendes an:
Er hatte gleich mir im Cafe Schab-
meier gesessen, und da war es ihm
aufgesallen, daß ein Landsmann von
ihm, ein verbummelter Student,
plötzlich in einem noch ziemlich neuen
und eleganten Mantel aus dem Lo-
kal gegangen war. Der Verdacht
 
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