ZeitschrifL für Humor und KunsL
153
Eine wechselseitige Metamorphose
Porzellan^ und Glaswarenindu-
strie. Die Einzelheiten seines, wie
er behauptete, stets „reich affor-
tierten Lagers" brauchen hier
nicht näher angeführt zu werden.
Run, Konkurrenz machten
sich diese beiden Geschäfte natür-
lich nicht. Im Gegenteil, sie er-
gänzten einander vortrefflich,
etwa so wie Arzt und Apotheker.
Wenn Lerr Stojentin ein halbes
Dutzend Kaffeetaffen verkaufte,
dann konnie nicht nur er selbst,
nein, auch Lerr Neibaum sich
darüber freuen, denn vielleicht
würden diese Kaffeetaffen mit
Kaffeebrühe gefüllt werden, die
seinem Lager entstammenden
Kaffeebohnen ihr kmzes Dasein
verdankte. Oder auch irgend
einem vorzüglichen Kaffee-Ersatz.
DennKaffee-Ersahcher vorhin aus
Vergeßlichkeit nicht angegeben
worden ist, führte Lerr Neibaum
natürlich auch. Sehr viel sogar.
Wenn man einander nicht
Konkurrenz macht, kann man
sich wohlgesinnt sein. Lerr Karl
Neibaum und Äerr August Sto-
jentin taten das. Sie waren recht
gute Bekannte. Vielleicht be-
zeichnete der oder jener sie sogar
als Freunde. Aber das stimmte
nicht. Echte Freunde waren sie
nicht, sonst hätte diese Geschichte
nicht geschehen können. Das
wäre schade gewesen. Die herr-
lichste Freundschaft zwischen
Neibaum und Stojentin wäre
nicht so viel wert.
Die Geschichte aber fing da-
mit an, daß eines Tages mit
dem Mittagszuge auf dem
Bahnhof der kleinen Stadt ein
schwarzhaariger, mittelgroßer
und nicht gerade ebenmäßig
gewachsener Lerr anlangte. Er
speiste zunächst in der Bahnhofs-
wirtschaft zu Mittag. Ein Kotelett ließ er sich geben, vom
Kalb, nicht vom Schwein, denn Schweinefleisch liebte der
betreffende Äerr nicht. Dann trank er noch eine Taffe Kaffee.
Zu der Kellnerin sagte er: „Der Kaffee ist blaß wie deine
Seele, Luise!" Die Kellnerin schloß aus dieser schöngeistigen
Bemerkung, daß der betreffende Äerr ein Äandlungs-
reisender sein müßte. Das war er auch, und um 2 Uhr 10
wollte er wieder abfahren, vorher aber noch ein kleines
Geschäft bei der Firma Karl Neibaum versuchen.
Äerr Neibaum zog ein mürrisches Gesicht, als der
betreffende Lerr mit seinem Musterköfferchen bei ihm er-
schien. „Ich brauche nichts," sagte er.
Das hatte der betreffende Äerr sich schon gedacht. Aber
das machte ihm nichts; er verkaufte fast immer an Leute,
die nichts brauchten. „Eine seine Sache habe ich sür Sie,
Äerr Neibaum," sagte er.
,Sie, die ^oaxe scheint aber mcht mehr so ganz frisch zu sein."
Ia, wiffen's, die ganz frischen Äaxen laufen in der Negel
umanander."
Lerr Neibaum winkte ab. Er kannte das. Niemand
bietet andere Sachen an als feine. Es gibt gar keine anderen.
Angeheuer merkwürdig aber ist unter solchen Amständen,
woher eigentlich all das viele Dreckzeug kommt, das man
in der Welt sieht.
Der betreffende Äerr zwinkerte mit den Augen. „Eine
ausgezeichnete Gelegenheit, Lerr Neibaum," sagte er; „wir
haben nämlich aus einer Konkursmaffe einen Niesenposten
erworben."
Ietzt horchte Lerr Neibaum doch auf. Konkursmassen
erscheinen einem Geschäftsmann stets angenehm, solange
es nicht seine eigenen sind, oder er selbst sie gegen noch
unbeglichene Rechnung geliefert hat. „Äätten Sie vielleicht
guten Menado oder Santos?" erkundigte er sich.
Aber nein, Kaffee hat der betreffende Kerr nicht. Er
holte aus seinem Köfferchen Kaffeetassen und eine schön
153
Eine wechselseitige Metamorphose
Porzellan^ und Glaswarenindu-
strie. Die Einzelheiten seines, wie
er behauptete, stets „reich affor-
tierten Lagers" brauchen hier
nicht näher angeführt zu werden.
Run, Konkurrenz machten
sich diese beiden Geschäfte natür-
lich nicht. Im Gegenteil, sie er-
gänzten einander vortrefflich,
etwa so wie Arzt und Apotheker.
Wenn Lerr Stojentin ein halbes
Dutzend Kaffeetaffen verkaufte,
dann konnie nicht nur er selbst,
nein, auch Lerr Neibaum sich
darüber freuen, denn vielleicht
würden diese Kaffeetaffen mit
Kaffeebrühe gefüllt werden, die
seinem Lager entstammenden
Kaffeebohnen ihr kmzes Dasein
verdankte. Oder auch irgend
einem vorzüglichen Kaffee-Ersatz.
DennKaffee-Ersahcher vorhin aus
Vergeßlichkeit nicht angegeben
worden ist, führte Lerr Neibaum
natürlich auch. Sehr viel sogar.
Wenn man einander nicht
Konkurrenz macht, kann man
sich wohlgesinnt sein. Lerr Karl
Neibaum und Äerr August Sto-
jentin taten das. Sie waren recht
gute Bekannte. Vielleicht be-
zeichnete der oder jener sie sogar
als Freunde. Aber das stimmte
nicht. Echte Freunde waren sie
nicht, sonst hätte diese Geschichte
nicht geschehen können. Das
wäre schade gewesen. Die herr-
lichste Freundschaft zwischen
Neibaum und Stojentin wäre
nicht so viel wert.
Die Geschichte aber fing da-
mit an, daß eines Tages mit
dem Mittagszuge auf dem
Bahnhof der kleinen Stadt ein
schwarzhaariger, mittelgroßer
und nicht gerade ebenmäßig
gewachsener Lerr anlangte. Er
speiste zunächst in der Bahnhofs-
wirtschaft zu Mittag. Ein Kotelett ließ er sich geben, vom
Kalb, nicht vom Schwein, denn Schweinefleisch liebte der
betreffende Äerr nicht. Dann trank er noch eine Taffe Kaffee.
Zu der Kellnerin sagte er: „Der Kaffee ist blaß wie deine
Seele, Luise!" Die Kellnerin schloß aus dieser schöngeistigen
Bemerkung, daß der betreffende Äerr ein Äandlungs-
reisender sein müßte. Das war er auch, und um 2 Uhr 10
wollte er wieder abfahren, vorher aber noch ein kleines
Geschäft bei der Firma Karl Neibaum versuchen.
Äerr Neibaum zog ein mürrisches Gesicht, als der
betreffende Lerr mit seinem Musterköfferchen bei ihm er-
schien. „Ich brauche nichts," sagte er.
Das hatte der betreffende Äerr sich schon gedacht. Aber
das machte ihm nichts; er verkaufte fast immer an Leute,
die nichts brauchten. „Eine seine Sache habe ich sür Sie,
Äerr Neibaum," sagte er.
,Sie, die ^oaxe scheint aber mcht mehr so ganz frisch zu sein."
Ia, wiffen's, die ganz frischen Äaxen laufen in der Negel
umanander."
Lerr Neibaum winkte ab. Er kannte das. Niemand
bietet andere Sachen an als feine. Es gibt gar keine anderen.
Angeheuer merkwürdig aber ist unter solchen Amständen,
woher eigentlich all das viele Dreckzeug kommt, das man
in der Welt sieht.
Der betreffende Äerr zwinkerte mit den Augen. „Eine
ausgezeichnete Gelegenheit, Lerr Neibaum," sagte er; „wir
haben nämlich aus einer Konkursmaffe einen Niesenposten
erworben."
Ietzt horchte Lerr Neibaum doch auf. Konkursmassen
erscheinen einem Geschäftsmann stets angenehm, solange
es nicht seine eigenen sind, oder er selbst sie gegen noch
unbeglichene Rechnung geliefert hat. „Äätten Sie vielleicht
guten Menado oder Santos?" erkundigte er sich.
Aber nein, Kaffee hat der betreffende Kerr nicht. Er
holte aus seinem Köfferchen Kaffeetassen und eine schön