Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Geist des Lerrn Aktuarius

damr etwa sünf Minuten später
vorüber gegangen wäre, hätte
keine Ahnung mehr gehabt von
einem Menschen dort drin in Ver-
bindung mit einem puffenden Ofen
und einer festlichen Beleuchtung
in derLöhe von zweiGasflammen.

Desto wohler aber fühlte sich
jeht der Besttzer des Ladens in
seinem kleinen Neich, das Arbeits-
und Wohnstätte zu gleicher Zeit
war, und in dem ein eigenes ge-
heimnisvolles Leben und Negen
herrschte. Zahllose Ahren, dar-
unter wunderlich geformte und
mit seltsamem Schnörkelwerk be-
ladene Stücke aus längst ver-
gangenen Zeiten hingen und
standen an den Wänden rings-
um und vollführten ein klingendes,
klapperndes, schnatterndes und
rasselndes Konzert. Vorn an
dem jetzt geschlossenen Fenster
befand sich der Arbeitstisch, der
mit seinen umgestülpten Wein-
gläsern- meist ohne Fuß, den
Sticheln und Griffeln, den Zäng-
lein und Pinzetten, den Lupen
und etlichen Brillen und endlich
einigenlosenWerkenverschiedener
Größe wie ein verlassener Iahr-
markt im Kleinen aussah.

Gegenüber an der Rückwand
des Ladens in einer alkovenartigen
Vertiefung stand ein mit rotem
Nips überzogenes Sofa, das
wohl ehemals ein Prunkstück aus
gutem Äause gewesen sein mochte,
jetzt aber in einer ziemlich be°
schämenden Verfassung sich be-
fand und deutlich verriet, daß es
als Bett und Nuhesitz zugleich
zu dienen hatte. Bei alledem
war es so sauber herausgebür-
stet und zurechtgeputzt, daß sich
recht wohl noch ein Kaiser hätte
auf ihm niederlassen können,
wenn er gerade müde gewesen
wäre. Vor dem Sofa aber
stand ein weiß gedeckter Tisch,
deffen feierliches Aussehen auf
ganz besondere Maßnahmen
schließen ließ.

Baumann vertrieb sich die Zeit
bis zum Eintreffen der Gäste da°
mit, daß er die Glut in dem un-
fern stehenden, länglichen Sessel-
ofen schürte, hin und wieder
ordnend den Tisch durchmusterte
und dazwischen auf die Straße
hinaushorchte. And endlich, gegen
halb neun Ahr, erklangen zwei
kurze Schläge, die etwa mit einem
Schirmgriff ungeduldig gegen die

6ei 6en Qi-ol^sltei-n

fluk eiu ätüucjctleu iu Oroüvaiers lckaus.
/^ei8teri8 gab e8 cjost recbte8 Vebsgeu,
/^ancümal ader aucb peinlicbe Kcagen.

5o. >venn Ocoürnutter frugte um Lnüe,
>Vie e8 cienu mit c!em Ztrümptepuar 8tünc1e,
V38 ciie Oi-ete tür Oi-obvZter 8trickt.
Oüer üer Oroüvater 80 verrwickt
5einen Lnke! examiniei't.

Ob er Ü38 Linma!ein8 8tucjiel-t.

80 >vas'8 nvcb vor einem ckabre.
biun aber kam üem kleinen ?33re
Ob 80 mancber verlangten Kenntni8
Qani uncj gar cla8 recbte Vel-8täncjni8.
Orete bat 8icb in'8 Werk ge^cbickl,

5itrt bei cjer Ol-oümutter 8tiII uncj 8tl-ickt —
Vuter bekommt clie 5üümpte in8 Kelc! —
aucb nicbt eine /^38cbe fällt.

KIau8 bört auf OroÜVZter^ ^eitungle^en,
>Va8 im O^ten uncl >Ve5ten ge>ve8en.

Oncl ciie ^sbl cler Oefangenen üann
/^lerkt er 5icb grüncllicb. Ob0. er kann —
Qrobvater mag nur examinieren —
5cbon ckie Qefsng'nen genau acjclieren.

6s6ä 9.11611818

hölzernen Läden draußen geführt
wurden.

„Äallo, meine Äerren," rief
Baumann mit voller Lungenkrast
durch die Ritzen derselben, „einen
Augenblick Geduld, ich laffe euch
durch die Laustüre herein."

And nicht lange dauerte es,
so erhielt der ohnehin schon voll-
gepfropfte Ahrenladen einen Zu-
wachs von zwei so gutmütig
aussehenden alten Burschen, wie
sich nur jemals welche durch ein
fideles Schneetreiben hindurch-
wirbeln ließen. Ein paarschnurrige
alte Gesichter schälten sich lang-
sam aus undefinierbaren warmen
Umhüllungen heraus, die dann
lange Zeit dampfend und triefend,
wie zur Warnung, neben dem
fauchenden Osen hingen, blaurote
Lände drohten sich gegenseitig
aus den Gelenken zu reißen und
schnurrende Stimmen, wie die von
alten zufriedenen Katern, boten
einander immer und immer wieder
einen höflichen g uten Abend.

„Du meine Güte, was ist das
für ein Wetter draußen!" seufzte
der Buchhalter Fiedler.

„Lab' nie in den letzten drei
Iahrzehntensolches erlebt," sekun-
dierte der Kupferstecher Schwerdt-
lein.

„Echtes Silvesterwetter," stimm-
te auch Baumann bei. „Aber so
macht's euch nur inzwiscben be°
quem, Kameraden, daß ich in
Ruhe den Lachs rösten kann,
denn heißen Lachs gibt's heute
wie alle Iahre. Es ist die
Delikateffe der Delikateffen und
die würdigste Anterlage sür einen
See von Silvesterpunsch."

„Nur wie du ihn röstest, alter
Iunge," schmeichelte Fiedler.

„Wohl wahr, wohl wahr, sehr
gut," pflichtete Schwerdtlein bei.

„Labt ihr Spitzbuben aber auch
Brot mitgebracht?" fragte der
Uhrmacher mit einem vielsagenden
Drohblick.

„Du lieber Limmel," versetzte
Fiedler, „einen ganzen Zwei-
pfundwecken hat der Schwerdtlein
eingekauft. Zum Glück gibt es
doch jetzt etwas mehr, sodaß man
wieder einmal ordentlich schlem-
men kann in dem lieben Gut."

„Das stimmt," setzte Schwerdt-
lein schmunzelnd hinzu. „Aber
wie steht es denn deinerseits mit
dem Bier? Du weißt, Vürsten
binder, Musikanten und Kupfer-
stecher haben trockene Kehlen."
 
Annotationen