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Zeitschrift für Humor und Kunst 87

Gemütsmensch

— „Fräulein — wenn Sie mir 's Lerz auch
noch schwer machen, kost's doppelte Tax!"

'S Zahnbllrstl

No' an Schelterer tuat er, der Michl, nacha reißt er si'
durch d' Leut' und geht hoam. Pfüat di' Gott, schöne Welt!

Lerrschaft, is dös a Woch'n jetzt! Grad is 's, als wenn
's ganz' Laus auf'n Kopf g'stellt waar: der Michl geht
umanand, als wenn eahm d' Lenner 's Brot gstohl'n
hätten; oft stiert er glei' a Stund' lang in oan' Winkel
und anraden muaßma' 'na a so vier- und fünfmal, bis daß
ma' an' Antwort kriegt. Wenn ebber an' Roman schreibet'
über die Stimmung im Bachmoserhof, der müaßt schreiben:
„Eine beklemmende Atmosphäre lag über dem Lofe und
seinen Insafsen." Oder: „Drohende Gewitterwolken stiegcn
über dem sonst so heiteren Limmel des Bachmoserhofes auf;
es lag etwas in der Luft. Man spürte die Krisis förmlich,
die geradezu nach einer Katastrophe drängte."

Aber das Wetter entlädt sich doch nicht. Der Bauer
is stad, d' Bäurin sagt nix und der Michl erst recht net.
Dös G'wölk verziehgt si' wieder von eahm selber, und die
„Katastrophe" bleibt aus.

Am nächsten Sonntag in der Früh', wie sich die Back-
moserischen zum Kirchgeh'n herrichten, hört der Bauer an'
Michl wieder amal pfeifen.

„Lus," sagte er zu der Bäuerin, „der Bua Pfeift wieder!"

Die zwoa reißen d' Aug'n und d' Mäuler auf und
schau'n und schau'n. And hab'n oan' Blick aufn Michl,
der unten im Lof steht und — mit 'm Zahnbürstl seine
Stiefel putzt.

„Dös nenn' i an' Charakter!" sagt d' Bachmoserin.

„Müaßt' net mei' Bua sei'!" sagt der Bachmoser
voll Stolz.

And der Michl spuckt oamal ums andermal aus sein
Zahnbürstl; nacha taucht er's wieder tief in d' Stiefel-
wichs ein — koa' Mensch kennet 's nimmer, daß dös vor
fünf Minuten noch a Zahnbürstl war. And dem Michl
sein Pfeifen dazu is wie a Triumphgesang auf „die Rück-
kehr zur Natur." Er kann sich's leisten, daß er aus 'm
Mäu riecht. Stinkt der Misthaufen aa und is doch an
Bauern sei' Goldgruab'n!
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