Zeitschrift für Humor und Kunst 43
— „Nein, mein Lieber, mehr zahl' ich dir nicht für die alte Kuh."
— „Leut' ist's eine alte Kuh, und nächste Woche, wenn das
Fleisch bei dir im Laden hängt, ist's ein junger Ochse gewesen."
Wie der tote ModerflHki seine Strafe bezahlte
zum Schreibkramps — und dann anfangen, ein Buch zu
schreiben, ein stattliches, gewichtiges Buch, das später eine
rührige und geschickte Verlagshandlung in die Welt hin-
ausschicken sollte.
Ein juristisches Buch? Bewahre der Limmel, nichts
hätte dem Lerrn Kreisgerichtsdirektor ferner gelegen. Er
war vielmehr der Meinung, es gäbe schon viel zu viele
juristische Bücher, und bei diesen wäre, wie beim Angeziefer,
die Anzahl das Schlimme. Oder sie wären auch wie Flaschen
Wein; eine Flasche tuk gut, eine zweite geht auch noch an,
aber wenn es mehr und mehr werden, wird der Mensch
eben elend besoffen. Eigentlich tat überhaupt nur ein ein-
ziges juristisches Buch not: ein stramm gebundenes Exem-
plar des Allgemeinen Preußischen Landrechts. Dies allein
und kein anderes dazu nahm Lerr Kreisgerichtsdirektor
Diesterbeck mit, wenn er mit seinem Aktuar und dem Land-
reiter zum Gerichtstag fuhr, — einmal zur Stadt durch
das Niedertor hinaus sechs Stunden weit an der See ent-
lang, damit auch die sernsten Stranddörfer einigermaßen
bequem mit Gerechtigkeit versorgt würden, und ein anderes
Mal durch das hohe Tor einen noch längeren Weg durch
die weiten Wälder ins hügelige Vinnenland, auf daß auch
hier am festgesetzten Sammelplatz gebührend geschlichtet
und gesühnt würde.
Nein, Lerr Kreisgerichtsdirektor Diesterbeck hatte eine
viel schönere Absicht. Ein unterhaltendes Buch wollte er
schreiben, Geschichten wollte er erzählen, solche spannenden
Geschichten, in denen der Erzähler gewissermaßen mit starker
Faust den geehrten Leser beim Schopf packt und unerbittlich
über dem Buche festhält. Das war gewiß ein löbliches
Anternehmen, denn solche Geschichten kann die Menschheit
jederzeit sehr gut gebrauchen, und sie hat ja auch immer
ein großes Vergnügen daran gehabt. Sie sind freilich sehr
schwer zu erfinden, aber das hatte der Lerr Kreisgerichts-
direktor nicht nötig; er wußte genug Geschichten, die ihm
Beruf und Leben zugetragen hatten. In langen Jahren
hatte er sie gesammelt. In unheimlichen Winkeln der alten
Seestadt spielten ste oder in den Fsscherhäusern draußen
zwischen den Dünen oder auf einsamen Lösen weit hinten
im Walde, wo die Füchse einander gute Nacht sagen. Viel
böse Dinge gingen darin vor; Geister und Gespenster traten
in manchen auf, und gerade diese schätzte Lerr Diesterbeck
am meisten. Denn, ganz unter uns gesagt, aber der Lerr
Kreisgerichtsdirektor ist ja auch schon lange tot, und in
seiner amtlichen Laufbahn kann es ihm also nicht mehr
schaden: er glaubte an Geister, und daß sie, freiwillig und
auch gezwungen, sich ost bemerkbar machen. Er hatte die
Lleberzeugung, daß gegen das richtig Böse die berufsmäßig
ausgeübte menschliche Gerechtigkeit nie und nimmer ge-
bührend verhandeln kann. Doch schien ihm das, trotzdem
er Iurist und sogar Richter war, nicht so unbedingt nötig;
er verließ sich auf eine über die Kreisgerichte, die Appellations-
gerichte und sogar das Kammergericht hinausreichende
— „Nein, mein Lieber, mehr zahl' ich dir nicht für die alte Kuh."
— „Leut' ist's eine alte Kuh, und nächste Woche, wenn das
Fleisch bei dir im Laden hängt, ist's ein junger Ochse gewesen."
Wie der tote ModerflHki seine Strafe bezahlte
zum Schreibkramps — und dann anfangen, ein Buch zu
schreiben, ein stattliches, gewichtiges Buch, das später eine
rührige und geschickte Verlagshandlung in die Welt hin-
ausschicken sollte.
Ein juristisches Buch? Bewahre der Limmel, nichts
hätte dem Lerrn Kreisgerichtsdirektor ferner gelegen. Er
war vielmehr der Meinung, es gäbe schon viel zu viele
juristische Bücher, und bei diesen wäre, wie beim Angeziefer,
die Anzahl das Schlimme. Oder sie wären auch wie Flaschen
Wein; eine Flasche tuk gut, eine zweite geht auch noch an,
aber wenn es mehr und mehr werden, wird der Mensch
eben elend besoffen. Eigentlich tat überhaupt nur ein ein-
ziges juristisches Buch not: ein stramm gebundenes Exem-
plar des Allgemeinen Preußischen Landrechts. Dies allein
und kein anderes dazu nahm Lerr Kreisgerichtsdirektor
Diesterbeck mit, wenn er mit seinem Aktuar und dem Land-
reiter zum Gerichtstag fuhr, — einmal zur Stadt durch
das Niedertor hinaus sechs Stunden weit an der See ent-
lang, damit auch die sernsten Stranddörfer einigermaßen
bequem mit Gerechtigkeit versorgt würden, und ein anderes
Mal durch das hohe Tor einen noch längeren Weg durch
die weiten Wälder ins hügelige Vinnenland, auf daß auch
hier am festgesetzten Sammelplatz gebührend geschlichtet
und gesühnt würde.
Nein, Lerr Kreisgerichtsdirektor Diesterbeck hatte eine
viel schönere Absicht. Ein unterhaltendes Buch wollte er
schreiben, Geschichten wollte er erzählen, solche spannenden
Geschichten, in denen der Erzähler gewissermaßen mit starker
Faust den geehrten Leser beim Schopf packt und unerbittlich
über dem Buche festhält. Das war gewiß ein löbliches
Anternehmen, denn solche Geschichten kann die Menschheit
jederzeit sehr gut gebrauchen, und sie hat ja auch immer
ein großes Vergnügen daran gehabt. Sie sind freilich sehr
schwer zu erfinden, aber das hatte der Lerr Kreisgerichts-
direktor nicht nötig; er wußte genug Geschichten, die ihm
Beruf und Leben zugetragen hatten. In langen Jahren
hatte er sie gesammelt. In unheimlichen Winkeln der alten
Seestadt spielten ste oder in den Fsscherhäusern draußen
zwischen den Dünen oder auf einsamen Lösen weit hinten
im Walde, wo die Füchse einander gute Nacht sagen. Viel
böse Dinge gingen darin vor; Geister und Gespenster traten
in manchen auf, und gerade diese schätzte Lerr Diesterbeck
am meisten. Denn, ganz unter uns gesagt, aber der Lerr
Kreisgerichtsdirektor ist ja auch schon lange tot, und in
seiner amtlichen Laufbahn kann es ihm also nicht mehr
schaden: er glaubte an Geister, und daß sie, freiwillig und
auch gezwungen, sich ost bemerkbar machen. Er hatte die
Lleberzeugung, daß gegen das richtig Böse die berufsmäßig
ausgeübte menschliche Gerechtigkeit nie und nimmer ge-
bührend verhandeln kann. Doch schien ihm das, trotzdem
er Iurist und sogar Richter war, nicht so unbedingt nötig;
er verließ sich auf eine über die Kreisgerichte, die Appellations-
gerichte und sogar das Kammergericht hinausreichende