Zeitschrift für Humor und Kunst 75
Der Käse
Wie ein fleißiges Schulkind sagte er die Fabel
her. Der Mann am Nebentisch, der flch vorhin über die
hohen Steuern beschwert hatte, hörte aufmerksam zu;
er schien die Geschichte nicht zu kennen. Er war sehr
zufrieden damit und lachte breit. „Ia ja, der Fuchs, —
der versteht's!" sagte er anerkennend.
Dann kam die Kellnerin mit dem Käse. Sie
hatte den ganzen Saal zu durchschreiten, und ich sah,
wie manche Köpfe sich nach ihr umwandten; einzelne
Rufe wurden laut, die nach Begeisterung klangen.
Noch einige Meter war fie von unserm Tisch ent-
fernt, da wurde bereits bemerkbar, was sie auf dem
Teller trug: der Käse kündigte sich (wie ein moderner
Sturmangriff mit Gas) durch starken Geruch an.
Als er schließlich vor Adam niedergesetzt wurde,
schienen im ersten Augenblick die Dünste über alles
Maß gewaltig; es fehlte die Abstufung, man hätte
sich erst durch eine Reihe weniger gewaltsam an der
Nase rüttelnder Käse hindurcharbeiten müssen, um
ohne Erschütterung diesen ungeheuerlichen Geruch
hinzunehmen. „Na, der wird Ihnen gewiß durch
genug sein," sagte die Kellnerin und entfernte
sich eilig.
Adam geriet in Begeisterung. Er senkte über
seine vom Bier gerundeten Augen die Lider, den
Geruch noch besser in sich aufzunehmen. „Limmel-
donnerwetter, riecht der Käse! Welch ein Duft!
Welche Fülle des Geruchesl Kann es einen ein-
dringlicheren Beweis dafür geben, welch ein köstliches
Geschenk dem Menschen mit seiner Nase gegeben
wurde, abgesehen davon, daß sie angenehm zur Ver-
vollkommnung des Antlitzes dient. Was sind alle
Rosenfelder von Schiras dagegen, was alle Wohlge-
rüche von Grasse, wo bekanntlich die meisten Rohmate-
rialien für die Parfümfabrikation kultiviert werden."
Treffende Logik
— „Wenn ein Anbekannter so ein Präparat schickt, muß
man sehr mißtrauisch sein. Mir hat mal einer einen an-
geblichen Parasiten eines Krokodils geschickt. Nachher
schrieb er mir höhnisch, es wäre ein grün lackierter Regen-
wurm. Ich hatte schon eine Broschüre fast fertig. Na,
ich hab' sie mir aufgehoben, — vielleicht paßt fie doch mal."
Frau Professor: „Ich werde diese
Lenne schlachten lassen, denn sie legt nur
jeden dritten Tag ein Ei."
Professor: „Ia, aber Amalie,wenndusie
schlachten läßt, dann legt ste gar keins mehr!"
„Nun essen Sie ihn doch auf!" mahnte ich, teils,
damit der aufdringliche Käse verschwände, teils weil
Adam zu geneigt schien, sich in seine Betrunkenheit hinein
zu schwatzen.
Er schüttelte den Kopf. „Noch nicht. Das hieße Raub-
bau an einem köstlichen Genuß treiben. Erst will ich in
meine Erinnerung für alle Zeit diesen Geruch aufnehmen.
Warum riecht überhaupt ein Käse? Wenn ich Statthalter
sein werde, muß meine Akademie der Wissenschasten sich
mit diesem Problem beschästigen; sie muß ein grundliegen-
des Werk herausbringen über die verschiedenen Gerüche
der einzelnen Käse, ihre Intenfität, Dauerhaftigkeit und
Einwirkung auf den menschlichen Geist. Auch werde ich
für Chemiker einen Preis aussetzen für die künstliche Ler-
stellung eines Käseparfüms — Lougust äs kroinags, 'l'ripls
extrsit. Oder nein; das werde ich doch nicht tun. Das
wäre ja Blödsinn; Frevel wäre das. Man soll der Na-
tur nicht ins Landwerk pfuschen. Ein Veilchenstrauß ist
auch hundertmal schöner als ein Fläschchen Essenz. Dagegen
werde ich Medaillen stiften für Molkereien, die cs sich an-
gelegen-"
Ich unterbrach Adam, dessen Phantasien in allzuweite
Bahnen zu schweifen drohten. „Essen Sie jetzt endlich den
Stinkkäse!"
Aoam schüttelte den Kopf. „Wenn ich ihn jetzt esse,
ist der köstliche Geruch fort, verschwunden für immer; er
kommt nie wieder. Wenn man eine Rose gepflückt hat,
stellt man sie in ein Wasserglas und erfreut sich längere
Zeit an ihrem köstlichen Duft." — Er schlug auf den Tisch
und schrie: „Nein, ich werde diesen Käse nicht essen!"
Der Käse
Wie ein fleißiges Schulkind sagte er die Fabel
her. Der Mann am Nebentisch, der flch vorhin über die
hohen Steuern beschwert hatte, hörte aufmerksam zu;
er schien die Geschichte nicht zu kennen. Er war sehr
zufrieden damit und lachte breit. „Ia ja, der Fuchs, —
der versteht's!" sagte er anerkennend.
Dann kam die Kellnerin mit dem Käse. Sie
hatte den ganzen Saal zu durchschreiten, und ich sah,
wie manche Köpfe sich nach ihr umwandten; einzelne
Rufe wurden laut, die nach Begeisterung klangen.
Noch einige Meter war fie von unserm Tisch ent-
fernt, da wurde bereits bemerkbar, was sie auf dem
Teller trug: der Käse kündigte sich (wie ein moderner
Sturmangriff mit Gas) durch starken Geruch an.
Als er schließlich vor Adam niedergesetzt wurde,
schienen im ersten Augenblick die Dünste über alles
Maß gewaltig; es fehlte die Abstufung, man hätte
sich erst durch eine Reihe weniger gewaltsam an der
Nase rüttelnder Käse hindurcharbeiten müssen, um
ohne Erschütterung diesen ungeheuerlichen Geruch
hinzunehmen. „Na, der wird Ihnen gewiß durch
genug sein," sagte die Kellnerin und entfernte
sich eilig.
Adam geriet in Begeisterung. Er senkte über
seine vom Bier gerundeten Augen die Lider, den
Geruch noch besser in sich aufzunehmen. „Limmel-
donnerwetter, riecht der Käse! Welch ein Duft!
Welche Fülle des Geruchesl Kann es einen ein-
dringlicheren Beweis dafür geben, welch ein köstliches
Geschenk dem Menschen mit seiner Nase gegeben
wurde, abgesehen davon, daß sie angenehm zur Ver-
vollkommnung des Antlitzes dient. Was sind alle
Rosenfelder von Schiras dagegen, was alle Wohlge-
rüche von Grasse, wo bekanntlich die meisten Rohmate-
rialien für die Parfümfabrikation kultiviert werden."
Treffende Logik
— „Wenn ein Anbekannter so ein Präparat schickt, muß
man sehr mißtrauisch sein. Mir hat mal einer einen an-
geblichen Parasiten eines Krokodils geschickt. Nachher
schrieb er mir höhnisch, es wäre ein grün lackierter Regen-
wurm. Ich hatte schon eine Broschüre fast fertig. Na,
ich hab' sie mir aufgehoben, — vielleicht paßt fie doch mal."
Frau Professor: „Ich werde diese
Lenne schlachten lassen, denn sie legt nur
jeden dritten Tag ein Ei."
Professor: „Ia, aber Amalie,wenndusie
schlachten läßt, dann legt ste gar keins mehr!"
„Nun essen Sie ihn doch auf!" mahnte ich, teils,
damit der aufdringliche Käse verschwände, teils weil
Adam zu geneigt schien, sich in seine Betrunkenheit hinein
zu schwatzen.
Er schüttelte den Kopf. „Noch nicht. Das hieße Raub-
bau an einem köstlichen Genuß treiben. Erst will ich in
meine Erinnerung für alle Zeit diesen Geruch aufnehmen.
Warum riecht überhaupt ein Käse? Wenn ich Statthalter
sein werde, muß meine Akademie der Wissenschasten sich
mit diesem Problem beschästigen; sie muß ein grundliegen-
des Werk herausbringen über die verschiedenen Gerüche
der einzelnen Käse, ihre Intenfität, Dauerhaftigkeit und
Einwirkung auf den menschlichen Geist. Auch werde ich
für Chemiker einen Preis aussetzen für die künstliche Ler-
stellung eines Käseparfüms — Lougust äs kroinags, 'l'ripls
extrsit. Oder nein; das werde ich doch nicht tun. Das
wäre ja Blödsinn; Frevel wäre das. Man soll der Na-
tur nicht ins Landwerk pfuschen. Ein Veilchenstrauß ist
auch hundertmal schöner als ein Fläschchen Essenz. Dagegen
werde ich Medaillen stiften für Molkereien, die cs sich an-
gelegen-"
Ich unterbrach Adam, dessen Phantasien in allzuweite
Bahnen zu schweifen drohten. „Essen Sie jetzt endlich den
Stinkkäse!"
Aoam schüttelte den Kopf. „Wenn ich ihn jetzt esse,
ist der köstliche Geruch fort, verschwunden für immer; er
kommt nie wieder. Wenn man eine Rose gepflückt hat,
stellt man sie in ein Wasserglas und erfreut sich längere
Zeit an ihrem köstlichen Duft." — Er schlug auf den Tisch
und schrie: „Nein, ich werde diesen Käse nicht essen!"