120 Meggcndorfer-Blätter, MLnchen
_ _ —_ ___ . „Ich könnle eechent-
Spetulatlv Diener (zudeninderVorhalle versammelten Gliiubigern): Och ämal zurMammitz-
„Vielleicht Ansichtskarten vom Schloß gefällig?" schen schlumpern," dach-
te sie. „Die alte, gute
Das Zahrcheilmittel D°n C. A. s-nnig
Zwischen Kötzschenbroda und Constappel, an der schönen
Elbe, lag vor Iahren ein altes, großes Rittergut, das von
einer alten, würdevollen Dame bewohnt wurde, die in dem
Rufe großer Menschenfreundlichkeit stand und bis in die
sächsische Schweiz hinein als eine Frau von wundertätigen
Eigenschaften galt, obwohl niemand eigentlich hätte sagen
können, worin speziell diese Gabe bestand, noch wie sie zum
Ausdruck kam. Auch kannte man ihren eigentlichen Namen
nicht, ste hieß lediglich Tante Ledwig und das genügte ihr
sowohl als ihrer Amgebung und allen, die mit ihr in Be-
rührung kamen. Die Verehrung, die ste genoß, war so groß
und von so lauterer Art, daß es keinem Menschen eingefallen
wäre, nach den sonstigen Verhältniffen der Tante Äedwig
zu forschen. And das ist ein schätzenswerter Vorzug, der
nur wenigen Sterblichen zu teil wird. Nun sind aber gerade
die näheren Verhältnisse dieser wunderbaren und populären
Person is ooch nnmer
so viel alleene und ich hab' schon lange nich mehr nach 'r
gesehn."
Frau Alwine Mammitzsch war gleichfalls Witwe, aber
bloß die eines Landgendarmen und stand an Bildung natür-
lich unter der Bürgerschuldienerswitwe; aber eben darum
hielt diese es für Lhristenpflicht, ste hier und da zu besuchen,
um ihr zu zeigen, daß sie trotz ihres niederen Standes doch
nicht von aller Welt verlaffen sei.
Frau Lendschel zog ihre blaue Lusarentaille an, die
mit unzähligen derben Schnüren besetzt war und einen im-
ponierenden Eindruck machte, dafür aber dann ihre sonnige
Milde und ihre gütige Lerablaffung in ein umso grelleres
Licht rückte. Als Ergänzung dazu setzte sie ihren schwarzen
Tüllhut mit den Fliederdolden auf, die jede ihrer Bewegungen
mit einem entsprechenden Nicken begleiketen und ihrer Rede-
weise dadurch etwas Plastisches und Eindrucksvolles ver-
liehen. Dann steckte sie noch einen Zwieback als Mitbringsel
Persönlichkeit so inter-
essant und stehen in so
enger Beziehung zur
großen Allgemeinheit,
daß es ein verdienst-
liches Werk ist, die Ge-
schichte der Tante Led-
wig der Vergeffenheit
zu entreißen.
Von der nahen
Frauenkirche in Dres-
den schlug es eines Ta-
ges gerade drei Uhr, als
die Frau verwitwete
Bürgerschuldiener Led-
wig Lendschel aus ei-
nem Fenster der Ramp-
ischen-Gasse auf die
Straße hinunter schau-
te, um sich ein wenig
zu zerstreuen.
„Erst drei !lhr?"
murmelte ste. „Da is
aber der Nachmittag
noch lang."
Ihren gewohnten
Kaffee nebst den sechs
Lörnchen hatte sie
bereits zu sich genom-
men, zum Stricken war
sie heute nicht recht
aufgelegt und sich mit
einem erbaulichen Buch
zu beschäftigen, war
es noch zu früh. Das
tat sie lieber vor dem
Zubettgehen, damit sich
kein weltlicher Gedan-
ke mehr zwischen die
genoffene Seelenstär-
kung und ihren gerech-
ten Schlummer drängen
konnte.
_ _ —_ ___ . „Ich könnle eechent-
Spetulatlv Diener (zudeninderVorhalle versammelten Gliiubigern): Och ämal zurMammitz-
„Vielleicht Ansichtskarten vom Schloß gefällig?" schen schlumpern," dach-
te sie. „Die alte, gute
Das Zahrcheilmittel D°n C. A. s-nnig
Zwischen Kötzschenbroda und Constappel, an der schönen
Elbe, lag vor Iahren ein altes, großes Rittergut, das von
einer alten, würdevollen Dame bewohnt wurde, die in dem
Rufe großer Menschenfreundlichkeit stand und bis in die
sächsische Schweiz hinein als eine Frau von wundertätigen
Eigenschaften galt, obwohl niemand eigentlich hätte sagen
können, worin speziell diese Gabe bestand, noch wie sie zum
Ausdruck kam. Auch kannte man ihren eigentlichen Namen
nicht, ste hieß lediglich Tante Ledwig und das genügte ihr
sowohl als ihrer Amgebung und allen, die mit ihr in Be-
rührung kamen. Die Verehrung, die ste genoß, war so groß
und von so lauterer Art, daß es keinem Menschen eingefallen
wäre, nach den sonstigen Verhältniffen der Tante Äedwig
zu forschen. And das ist ein schätzenswerter Vorzug, der
nur wenigen Sterblichen zu teil wird. Nun sind aber gerade
die näheren Verhältnisse dieser wunderbaren und populären
Person is ooch nnmer
so viel alleene und ich hab' schon lange nich mehr nach 'r
gesehn."
Frau Alwine Mammitzsch war gleichfalls Witwe, aber
bloß die eines Landgendarmen und stand an Bildung natür-
lich unter der Bürgerschuldienerswitwe; aber eben darum
hielt diese es für Lhristenpflicht, ste hier und da zu besuchen,
um ihr zu zeigen, daß sie trotz ihres niederen Standes doch
nicht von aller Welt verlaffen sei.
Frau Lendschel zog ihre blaue Lusarentaille an, die
mit unzähligen derben Schnüren besetzt war und einen im-
ponierenden Eindruck machte, dafür aber dann ihre sonnige
Milde und ihre gütige Lerablaffung in ein umso grelleres
Licht rückte. Als Ergänzung dazu setzte sie ihren schwarzen
Tüllhut mit den Fliederdolden auf, die jede ihrer Bewegungen
mit einem entsprechenden Nicken begleiketen und ihrer Rede-
weise dadurch etwas Plastisches und Eindrucksvolles ver-
liehen. Dann steckte sie noch einen Zwieback als Mitbringsel
Persönlichkeit so inter-
essant und stehen in so
enger Beziehung zur
großen Allgemeinheit,
daß es ein verdienst-
liches Werk ist, die Ge-
schichte der Tante Led-
wig der Vergeffenheit
zu entreißen.
Von der nahen
Frauenkirche in Dres-
den schlug es eines Ta-
ges gerade drei Uhr, als
die Frau verwitwete
Bürgerschuldiener Led-
wig Lendschel aus ei-
nem Fenster der Ramp-
ischen-Gasse auf die
Straße hinunter schau-
te, um sich ein wenig
zu zerstreuen.
„Erst drei !lhr?"
murmelte ste. „Da is
aber der Nachmittag
noch lang."
Ihren gewohnten
Kaffee nebst den sechs
Lörnchen hatte sie
bereits zu sich genom-
men, zum Stricken war
sie heute nicht recht
aufgelegt und sich mit
einem erbaulichen Buch
zu beschäftigen, war
es noch zu früh. Das
tat sie lieber vor dem
Zubettgehen, damit sich
kein weltlicher Gedan-
ke mehr zwischen die
genoffene Seelenstär-
kung und ihren gerech-
ten Schlummer drängen
konnte.