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Nr. 1327

Zeitschrift für Humor und Kunst

141

Signor Tenente

Ia, nun war er fein heraus. Natürlich würde er das Ge-
schäft ganz unumschränkt leiten. O, und wenn einmal einer
seiner guten Freunde in Verlegenheit wäre, — nur nicht sich
genieren, bitte! Seine Kasse würde zur Verfügung stehn!

Die Lochzeit fiel in den Lochsommer, und so erlaubte
die Ruhe des Fremdenbetriebes eine kurze Lochzeitsreise.
Signor Scappini war sehr glücklich. Seine Gattin hatte ihm
eine genügende Summe zur Bestreitung der Reise einge-
händigt und kümmerte sich, ganz und gar Dame, in nichts
um das Geschäftliche.

Welch eine vernünftige Frau! dachte der Gatte. Aber
was tat diese vernünftige Frau im letzten Augenblick der
Leimkehr, der nach Andersen das Bouquet der ganzen
Reise ist? Als man wieder vor dem Lause am Lungarno
delle Grazie angelangt war und der Tenente den Kutscher
entlohnen wollte, schob die nunmehrige Signora Scappini
den Gatten einfach beiseite und bezahlte selbst. Das war
ein böses Shmptom, das den Gemahl beunruhigte. Der
Anruhe folgte bald völlige Klarheit. „Ietzt fängt also wieder
die Arbeit an," sprach die vernünftige Frau. „Der Mensch
muß zusehen, daß er im Leben zu etwas kommt. Dazu
habe ich meine Fremdenpension angesangen; ich habe sie
ganz allein in die Löhe gebracht und werde mir deshalb
auch in Zukunft von niemand hineinreden lassen. Du, mein
Lieber, brauchst auch eine Tätigkeit. Daß du ste auswärts
suchst, wäre unzweckmäßig; es wird im Lause genug sür
dich zu tun geben. Du wirst die Bücher führen, die Nech-
nungen ausstellen, — nun, du weißt ja schon Bescheid. Im
übrigen gebe ich dir ein Taschengeld von hundert Lire
monatlich."

Signor Scappini gab die dümmste Antwort, die mög-
lich war; er berief sich auf Standesrücksichten. Oho, cr
wäre doch schließlich ein ehemaliger Tenente und kein Lotel-
portier. „Mein Lieber, ich kann mir viele Leutnants denken,
die mit einem Lotelportier, aber keinen Lotelportier, der

niit einem Leutnant tauschen möchte," versetzte Signora
darauf kühl und sah die Angelegenheit als erledigt an.
Ganz war sie es freilich noch nicht. Der Signor Tenente
spielte zunächst den Widerspenstigen, aber seine Zähmung
besorgten die überlegene Ruhe der Gattin und seine leere
Tasche. — Als im Lerbst das Laus mit Gästen gefüllt war,
lief die Maschinerie genau so, wie Signora Scappini stch das
vorgenommen hatte. Signor Tenente tat seine Pflicht und
nahm die Jnteressen des Lauses wahr, — für Obdach, Klei-
dung und Nahrung und hundert Lire monatlichen Taschen-
geldes. Ieden Nachmittag von drei bis fünf, das war ihm zu-
gestanden worden, saß er im Cafö Giappone und tat dort
groß. Aber er sprach nicht, wie er sich das einst gedacht
hatte: Mein Geschäst geht großartig, ich habe das Laus
voll, ich bin außerordentlich zufrieden! Nein, er sagte:
Anser Geschäft geht großartig, wir haben das Laus voll,
wir sind außerordentlich zusrieden!

Im folgenden Iahre kaufte Signora Scappini dann
richtig das Laus und vergrößerte ihren Betrieb genau so,
wie das schon längst in ihren vorausschauenden Absichten
gelegen hatte. Der Gatte bekam nun sogar hundertund-
fünfzig Lire; er war zufrieden und wurde es mit der Zeit
mehr und mehr. Als er fünf Iahre verheiratet war, sah
er seine Stellung als ganz selbstverständlich an. Wer wollt«
etwas daran aussetzen? Freilich, der Frau gehörte alles,
Nun ja, aber es war doch eine Fremdenpension, und so
etwas, jeder Vernünftige muß das einfehen, ist eben Frauen-
sache. Er wurde jetzt übrigens nur noch Signor Scappini
gerufen; der Tenente war nach und nach verblichen.

Aber die Weltgeschichte fügte es, daß auf einmal selbst
ganz alte ehemalige Militärpersonen in einigen Ländern
Europas wieder zur Geltung kamen und längst verkrümmte
Brustkästen mit neuem Stolze aufblasen konnten. Italien
gesellte sich zu diesen Ländern erst später, und deshalb war
Signor Scappini zunächst nicht übermütig, sondern sast
ebenso erschreckt wie seine Gattin. Limmel, was sollte das
werden! Wo sollten jeht genügend Gäste für das ganze
große Laus herkommen, das mit 38 schön eingerichteten
Fremdenzimmern ein Kapital darstellte, dessen Verzinsung

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