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<xxxxxxxxxx>2^ Zeitschrift für Humor und Kunst <x><xxxxxxxxxxxxxx> 185

Der Lerbergs-Automak

Das verschluckte Er

erfuhr ich, daß mein neuer Freund Nikotinus
Pfeiferl hieß und ein Literat war.

„Kein Dichter etwa," fügte er bescheiden hinzu,
„o Gott behüte! So hoch erhebe ich meine Augen
nicht. Ich mache lediglich Gelegenheitsgedichte, wie
man sie für Lochzeiten, Kindtaufen, Nachrufe und
ähnliche Anlässe braucht. Auch Eingaben und Gesuche
an Behörden mache ich, und manchmal muß ich sogar
für Kutjcher und Dienstmädchen Liebesbriefe ver-
fassen. Aber mein Beruf befriedigt mich und nährt
mich anständig, und wenn es nebenbei noch für eine
Pfeife Tabak reicht, so tausche ich mit keinem Neichs-
grafen."

Das mit dem Rauchen mochts stimmen. Denn
nach dem Essen qualmte er aus einer kurzen Äolz-
pfeife, daß das ganze Lokal ineinanderschwamm. Es
muß den „Literaten" wohl so im Blut liegen.

So faßen wir etwa ein halbes Iahr lang in
schönster Larmonie tagtäglich beisammen, als Lerr
Pfeiferl plötzlich ausblieb.

„Er wird unwohl sein," dachte ich, und gern
hätte ich nach ihm geschen, aber ich wußte nicht, wo
er wohnte. Er hatte nie davon gesprochen, und ich
hatte ihn nie darnach gefragk. Als aber Wochen
vergingen, ohne daß er sich wieder blicken ließ, mußte
ich wohl annehmen, daß er das Lokal gewechselt
habe. Es tat mir leid um den biederen Menfchen,
der mir lieber war als zehn gelehrte Doktoren mit

allen möglichen akademischen Graden, aber was ging es
mich schließlich an, wenn er es vorzog, fern zu bleiben.

Da machte ich an einem der ersten schönen Frühlings-
tage einen kleinen Erfrischungsbummel. So ganz ziellos
durch S'raßen und Gäßchen, freute mich an den fröhlichen
Gestchtern der Menschen, denen die wiedererwachende Natur
neue Lebenshoffnung geqeben hatte, und guckte neugierig
in offene Fenster und Türen, in denen alte Großmütter
saßen, um fchadhafte Losen zu flicken, und mutwillige Buben
sich tummelten, um ste wieder zu zerreißen. Da blieb ich
plötzlich wie gebannt stehen. Denn in einem der oberen
Fenster eines kleinen Vorstadthäuschens mit einem wind-
fchiefen Spalier und einigen knorrigen Reben daran saß
mein Mann, mein ungetreuer Ausreißer. Ein bläulicher
Rauch quoll aus der Fensteröffnung, den der übermütige
Lenzwind ebensoschnell in hundert Fetzen zerriß und auf-
fraß, und über dem mit einem grünen Augenschirm be-
wehrten Kopfe des Lerrn Pfeiferl drehte sich mit aus-
gebreiteten Flügeln eine ausgestopfte, zcrzauste alte Eule.

„Guten Tag, Lerr Pfeiferl," rief ich, einem freudigen
Impulfe gehorchend.

Wie ein Wetter fuhr der Kopf in die Löhe und zum
Fenster heraus.

„Ah, Sie sind es, werter Lerr, freut mich, freut mich!"
And über fein gutes, wunderliches Gestcht flog ein ehrlich
vergnügtes Schmunzeln.

„Wie geht es Ihnen denn, Lerr Pfeiferl?" erwiderte
ich. „Ich dachte schon — —"

„O, mir geht es gut, danke bestens," fiel mir Lerr
Pfeiferl etwas hastig ins Wort. „Aber wollen Sie nicht
lieber einen Augenblick herauskommen?"

Gern folgte ich der Einladung, schon um meinen alten
Tischgenossen in seinem Leim kennen zu lernen.

Lerr Pfeiferl empfing mich bereits an der Tür und
führte mich durch einen dunklen Vorplatz in eine niedrige,
kleine Stube. Sie war ziemlich vollgepfropft mit allerhand
zusammengewürfeltem Lausgerät verfchiedenster Zeiten und
Geschmacksrichtungen, foweit der dichte Rauch, der über

Pantoffelhelden — "Du hast ja hier ein Paar ganz fremde
Stiefel, August!"

— „Lm... ich bin gestern nacht mit dem Lerrn
Rat dieTreppe heraufgegangen, und da haben
wir,scheint's, dieSchuh gegenseitig vertauscht."
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