<XXXXX-(XX Zeitschrift für Humor und Kunst SXXXXXXXXXXXXXXXX 187
Das verschluckte Ei
allem lagerte, das erkennen ließ. Am
Fenster stand ein kunstloser Schreib-
lisch, der über und über mit Büchern
und Papieren bedeckt war und gerade
noch Platz ließ sür einen riesigen
Aschcnbecher und eine Flasche mit
hellfarbigem Inhalt.
„Senfspiritus," erklärte Lerr
Pfeifcrl, um einem ekwaigen, un-
würdigen Verdachte meinerseits vor-
zubeugen. „Ich leide nämlich so
schrecklich an Wadenkrämpfen, und
da muß ich immer ein Linderungs-
mittel zur Land haben. Aber wollen
Sie nicht Platz nehmen?"
„Wenn ich Sie nicht störe?"
„Bitte, durchaus nicht. tlnd
ich bin Ihnen auch noch eine Erklä-
rung schuldig, warum ich damals so
plötzlich wegblieb. Denn ich habe es
immer als ein Anrecht empfunden,
Sie so unhöflich behandelt zu haben,
nachdem wir doch so gute Freunde
geworden waren. Aber es war eine ziemlich fatale Ge-
schichte, und so ließ ich es lieber ganz sein. Nun jedoch
hat sie ihren Abschluß gefunden, wenn auch einen tragischen.
And so will ich sie Ihnen erzählen."
Er nahm seine bei meinem Eintritt beiseite gestellte
lange Pfeife wieder zur Land und setzte ste in Brand.
Dann nahm er in der dunkelsten Ecke eines steiflehnigen
Sosas Platz und begann.
„Als ich damals, als wir zum lehten Male beisammen
waren, nach Lause kam, fand ich, aus der untersten Treppen-
stufe sitzend, einen Mann, der jemand zu erwarten schien.
Da ich ihn nicht kannte, wollte ich an ihm vorüber, aber
da stand der Mann auf, zupfte mich am Aermel und sagte:
„Aber mein lieber Pfeiferl, kennst du mich nicht mehr?"
Ich war ziemlich erschrocken bei der vertraulichen An-
rede, faßle mich indessen rasch und erwiderte: „Ich kenne Sie
wirklich nicht, mein Lerr. Sollte das aber jemals der Fall
gewesen sein und ich hätte es vergessen, so bitte ich es zu
entschuldigen und meinem Gedächtnis durch Nennung Ihres
Namens zu Lilse zu kommen."
„Na, alter Bursche," lachte der Fremde, „dann bleibt
mir freilich nichts anderes übrig, als mich in aller Form
vorzustellen. Maulbeer ist mein Name. Stefan Maulbeer."
Nun erkannte ich den Vesucher freilich, trotz der
großen Veränderung, die mit ihm vorgegangen war. Es
war ein früherer Schulkammerad von mir, der, wie ich
oberflächlich wußte, ein ziemlich wechselvolles Schicksal hinter
stch hatte. Er hatte bereits mit neunzehn Iahren geheiratet,
war dann in politische Amtriebe verwickelt worden, die ihn
in Konflikt mit den Gesetzen brachten, und war später nach
Amerika gegangen. Aber auch dort war es ihm nicht ge-
lungen, festen Boden zu fassen. Er war eben eine unstäte
Natur mit wenig Neigung zu straffer Lebensführung. Sein
abgerissenes Aeußere bestäkigte besser als seine Berichte,
wie es um ihn stand.
Ich war nicht sehr erbaut von solch einem Wieder-
sehen, wie man sich denken kann. Wußte ich doch
nur zu gut, daß nicht die Sehnsucht meinen alten
Schulkameraden zu mir getrieben hatte, sondern
die Selbstsucht. Klingt zwar ähnlich, ist aber doch
zweierlei. Aus diesem Grunde fprang ich auch trotz
meiner Teilnahme für ihn mit beiden Füßen in den
Kern der Sache hinein, fragte ihn nach seinen Plänen,
und wie weit er meine Person damit in Beziehung
gebracht habe.
„Ienun," antwortete er achselzuckend, „eigent-
liche Pläne habe ich gar nicht. Was aber deine
Person anbetrifst, so erhoffe ich mir aus alter Freund-
schaft für mich einen kleinen Nückhalt an dir, bis
ich etwas Passendes gefunden habe."
„Den ich dir nicht versagen will," entgegnete
ich, „obgleich das, was ich zu teilen habe, herzlich
wenig ist. Ich habe ein kleines Kämmerchen zur
Verfügung, in dem du dich wohnlich einrichten magst,
bis du eine entsprechende Beschäftigung gefunden
haben wirst."
„Das läßt sich hören," gab er zurück. „Nun mach'
aber mal gleich den Anfang und tische was auf. Du
Beim Trainieren — „Merkwürdig, da darf ich seit sechs
Wochen keinen Tropfen Alkohol zu mir
nehmen und dabei dreht sich die ganze Sache um ein Trinkhorn."
Das verschluckte Ei
allem lagerte, das erkennen ließ. Am
Fenster stand ein kunstloser Schreib-
lisch, der über und über mit Büchern
und Papieren bedeckt war und gerade
noch Platz ließ sür einen riesigen
Aschcnbecher und eine Flasche mit
hellfarbigem Inhalt.
„Senfspiritus," erklärte Lerr
Pfeifcrl, um einem ekwaigen, un-
würdigen Verdachte meinerseits vor-
zubeugen. „Ich leide nämlich so
schrecklich an Wadenkrämpfen, und
da muß ich immer ein Linderungs-
mittel zur Land haben. Aber wollen
Sie nicht Platz nehmen?"
„Wenn ich Sie nicht störe?"
„Bitte, durchaus nicht. tlnd
ich bin Ihnen auch noch eine Erklä-
rung schuldig, warum ich damals so
plötzlich wegblieb. Denn ich habe es
immer als ein Anrecht empfunden,
Sie so unhöflich behandelt zu haben,
nachdem wir doch so gute Freunde
geworden waren. Aber es war eine ziemlich fatale Ge-
schichte, und so ließ ich es lieber ganz sein. Nun jedoch
hat sie ihren Abschluß gefunden, wenn auch einen tragischen.
And so will ich sie Ihnen erzählen."
Er nahm seine bei meinem Eintritt beiseite gestellte
lange Pfeife wieder zur Land und setzte ste in Brand.
Dann nahm er in der dunkelsten Ecke eines steiflehnigen
Sosas Platz und begann.
„Als ich damals, als wir zum lehten Male beisammen
waren, nach Lause kam, fand ich, aus der untersten Treppen-
stufe sitzend, einen Mann, der jemand zu erwarten schien.
Da ich ihn nicht kannte, wollte ich an ihm vorüber, aber
da stand der Mann auf, zupfte mich am Aermel und sagte:
„Aber mein lieber Pfeiferl, kennst du mich nicht mehr?"
Ich war ziemlich erschrocken bei der vertraulichen An-
rede, faßle mich indessen rasch und erwiderte: „Ich kenne Sie
wirklich nicht, mein Lerr. Sollte das aber jemals der Fall
gewesen sein und ich hätte es vergessen, so bitte ich es zu
entschuldigen und meinem Gedächtnis durch Nennung Ihres
Namens zu Lilse zu kommen."
„Na, alter Bursche," lachte der Fremde, „dann bleibt
mir freilich nichts anderes übrig, als mich in aller Form
vorzustellen. Maulbeer ist mein Name. Stefan Maulbeer."
Nun erkannte ich den Vesucher freilich, trotz der
großen Veränderung, die mit ihm vorgegangen war. Es
war ein früherer Schulkammerad von mir, der, wie ich
oberflächlich wußte, ein ziemlich wechselvolles Schicksal hinter
stch hatte. Er hatte bereits mit neunzehn Iahren geheiratet,
war dann in politische Amtriebe verwickelt worden, die ihn
in Konflikt mit den Gesetzen brachten, und war später nach
Amerika gegangen. Aber auch dort war es ihm nicht ge-
lungen, festen Boden zu fassen. Er war eben eine unstäte
Natur mit wenig Neigung zu straffer Lebensführung. Sein
abgerissenes Aeußere bestäkigte besser als seine Berichte,
wie es um ihn stand.
Ich war nicht sehr erbaut von solch einem Wieder-
sehen, wie man sich denken kann. Wußte ich doch
nur zu gut, daß nicht die Sehnsucht meinen alten
Schulkameraden zu mir getrieben hatte, sondern
die Selbstsucht. Klingt zwar ähnlich, ist aber doch
zweierlei. Aus diesem Grunde fprang ich auch trotz
meiner Teilnahme für ihn mit beiden Füßen in den
Kern der Sache hinein, fragte ihn nach seinen Plänen,
und wie weit er meine Person damit in Beziehung
gebracht habe.
„Ienun," antwortete er achselzuckend, „eigent-
liche Pläne habe ich gar nicht. Was aber deine
Person anbetrifst, so erhoffe ich mir aus alter Freund-
schaft für mich einen kleinen Nückhalt an dir, bis
ich etwas Passendes gefunden habe."
„Den ich dir nicht versagen will," entgegnete
ich, „obgleich das, was ich zu teilen habe, herzlich
wenig ist. Ich habe ein kleines Kämmerchen zur
Verfügung, in dem du dich wohnlich einrichten magst,
bis du eine entsprechende Beschäftigung gefunden
haben wirst."
„Das läßt sich hören," gab er zurück. „Nun mach'
aber mal gleich den Anfang und tische was auf. Du
Beim Trainieren — „Merkwürdig, da darf ich seit sechs
Wochen keinen Tropfen Alkohol zu mir
nehmen und dabei dreht sich die ganze Sache um ein Trinkhorn."