Zeitschrift für Humor und Kunst
In der Gartenwirtschaft — „Vater, darf ich mir 'ne Tasse Schokolade bestellen?"
— „Ansinn Mädel, die kostet vierzig Pfennige! Lol' dir 'n Glas Wasser und zieh' aus 'm Auto-
maten 'ne Tafel Schokolade, das schmeckt gerade so schön und kostet nur den vierten Teil!"
Adams grotzer Koffcr
seine Schritte im umge-
kehrten Verhältnis zum
Gewicht seiner Geld-
börse einrichten soll und
großeSprünge nur dann
machen darsswenn er ge-
nug des schnöden Me-
talls besitzt. Wenn ich
mich dieser Anschauung
beugen wollte,könnte ich
mir nie etwas erlauben."
„Ich kenne Leute,"
meinte ich, „die von
Ihnen sagen, daß Sie
sich manchmal zu viel
erlauben."
Adam nickte. „Ich
weiß, es gibt manche,
die Aebles von mir re-
den. Aber warten wir's
nur ab, — gerade diese
Leute werden zuerst verstummen, oder vielmehr mein Lob
singen, wenn erst mein Stern erstrahlt. And schon ist er
im Aufgehen: ich sehe seine ersten Strahlen am Äorizont
blinken und habe begründete Lofsnung, daß er geschwind
dem Zenith zustreben wird."
Von seinem Stern hat Adam schon oft gesprochen.
Aber bisher hatte er sich noch immer getäuscht. Der Stern
war jedesmal ein Irrlicht gewesen. Den Irrlichtern wird
bekanntlich vorgeworfen, daß sie Menschen in Sümpfe zu
locken lieben.
Adam merkte, daß ich nicht recht glaubte. „Warten
Sie einen Augenblick," sagte er, „dann werde ich Ihnen
alles erzählen. Ich muß erst mein Gepäck aufgeben, den
pompösen Koffer, den Sie dort sehn." Wohlgefällig deutete
er auf den Gegenstand seines Stolzes. Dann besorgte er
das Notwendige am Gepäckschalter, und wir gingen auf den
Bahnsteig, damit Adam einen Platz im Zuge belegen könnte.
Nachlässig warf er seine Mütze in ein Abkeil zweiter Klasse.
„Ich werde von jetzt ab prinzipiell nur zweiter Klasse fahren,"
erklärte er. „Sie verstehen, — der Stern. Er wird mich auch
noch in die erste Klasse führen, wenn nicht alle Loffnungen
trügen. Aber passen Sie auf. Sie sehen mich also im Be-
griff, den Staub Münchens von meinen Füßen zu schütteln."
„Es ist auch wirklich die höchste Zeit dazu, lieber Adam,"
sagte ich und zeigte auf seine Stiefel, die nicht nur Staub,
sondern auch ansehnliche Mengen sehr soliden Münchener
Straßenschmutzes oder sogar schlammiger Erde aus dem
englischen Garten trugen.
„Bitte, unterbrechen Sie mich nicht mit Witzen. Sie
haben freilich recht: meine Stiefel sind ungewöhnlich schmutzig.
Aber warum? Das Dienstmädchen in der Pension, die
bis gestern den Vorzug gehabt hat, mich zu beherbergen
und zu beköstigen, hat sie nicht mehr reinigen können. Ge-
stern Abend, vielmehr zu später Nachtstunde hat man mich
hinausgesetzt. Oder nein: diese Beleidigung hat man doch
nicht gewagl, hinausgeworfen hat man mich nicht. Man
hat zu dem weniger verletzenden, aber in seiner Wirkung
darum nicht minder peinlichen Mittel gegriffen, die Tür
meines Zimmers vor mir zuzusperren. Verstehen Sie, —
man hat mich nicht in das von mir gemietete Zimmer
hineingelassen! Wie ist das möglich? Leben wir in einem
Rechtsstaate? Ein Mielsverhältnis kann doch nicht so ohne
weikeres aufgehoben werden. Ganz abgesehen davon, daß
in dem Zimmer meine ganze reiche Labe sich befand. Die
Frau, die Inhaberin der Penston, licß mir durch das Dienst-
mädchen sagen, siebenmal wäre mir die Nechnung präsentiert
worden, und jetzt hätte sie die Geduld verloren. Wenn ich
auf der Stelle bezahlte, dürfte ich in das Zimmer hinein und
noch eine Nacht darin schlafen, am nächsten Morgen aber
mit meinen Sachen abziehn. Da haben Sie ein Beispiel,
wie Geld alle Türen öffnet. Ich hatte aber keines, und
es blieb mir nichts übrig, als, wenn auch in glänzender
Laltung, schweigend abzutreten. Der Verlust meiner reichen
Labe schmerzte mich im Augenblick weniger; meinetwegen
mag die Frau den Krempel sogar behalten, sie darf ihn
sogar realisieren, wie die Finanzleute sagen. Peinlich aber
war mir, keine Stätte zu haben, wo ich mein Laupt nieder-
legen konnte, umso peinlicher, als dies Laupt durch den
Genuß einiger von Freundeshand gespendeter Liter starken
Bieres gerade recht schwer war. Mit meinem Schicksal
hadernd, wanderte ich zunächst in den englischen Gartcn,
wo mir in der frischen Nachtluft zwar das Laupt leichter,
dafür aber — eine häufig zu beobachtende Wechselwirkung —
das Lerz schwerer wurde. Außerdem wurden, wie Sie schon
bemerkt haben, meine Stiefel sehr schmutzig, viel schmutziger,
als sie jetzt noch sind. Ein Teil des Schmutzes muß nämlich
auf einem Kanapee liegen geblieben sein, woraus Sie schließen
können, daß es mir später doch noch gelungen ist, bei einem
guten Bekannten Einlaß und Obdach zu finden. Freilich
erst, nachdem ich ihm ein Fenster eingewoifen halte.
Erquickt wachte ich heute früh auf. Mein freundlicher
Gastgeber — den Namen lassen Sie mich verschweigen —
speiste mich und wollte mich dann mit einem Gastgeschenk
von fünf Mark entlassen. Ich will nicht verschweigen, daß
ich ihn dringend um diesen Betrag ersuchte. Nun aber
geben Sie acht: mein Stern zeigte sich. Ein Getümmel
entsteht vor der Tür meincs Wirtes. Der Gerichtsvollzieher
ist da. Mein Gastgeber hatte sich nämlich vor einiger Zeit
eine Schreibmaschine gekauft, — auf Raten. Einem un-
lauteren Kontrakt zufolge, den man meinen Freund hatte
unterschreiben lassen, war nun wegen angeblicher Nicht-
zahlung der Raten die ganze Summe auf eimnal fällig
geworden. Mein Gaftgeber erblaßt. Ich, in solchen Situa-
tionen gewandter, entreiße ihm seine Börse, der er eben
die mir zugedachten fünf Mark hatke entnehmen wollen,
und stecke sie in meine Tasche. Der Gerichtsvollzieher tritl
In der Gartenwirtschaft — „Vater, darf ich mir 'ne Tasse Schokolade bestellen?"
— „Ansinn Mädel, die kostet vierzig Pfennige! Lol' dir 'n Glas Wasser und zieh' aus 'm Auto-
maten 'ne Tafel Schokolade, das schmeckt gerade so schön und kostet nur den vierten Teil!"
Adams grotzer Koffcr
seine Schritte im umge-
kehrten Verhältnis zum
Gewicht seiner Geld-
börse einrichten soll und
großeSprünge nur dann
machen darsswenn er ge-
nug des schnöden Me-
talls besitzt. Wenn ich
mich dieser Anschauung
beugen wollte,könnte ich
mir nie etwas erlauben."
„Ich kenne Leute,"
meinte ich, „die von
Ihnen sagen, daß Sie
sich manchmal zu viel
erlauben."
Adam nickte. „Ich
weiß, es gibt manche,
die Aebles von mir re-
den. Aber warten wir's
nur ab, — gerade diese
Leute werden zuerst verstummen, oder vielmehr mein Lob
singen, wenn erst mein Stern erstrahlt. And schon ist er
im Aufgehen: ich sehe seine ersten Strahlen am Äorizont
blinken und habe begründete Lofsnung, daß er geschwind
dem Zenith zustreben wird."
Von seinem Stern hat Adam schon oft gesprochen.
Aber bisher hatte er sich noch immer getäuscht. Der Stern
war jedesmal ein Irrlicht gewesen. Den Irrlichtern wird
bekanntlich vorgeworfen, daß sie Menschen in Sümpfe zu
locken lieben.
Adam merkte, daß ich nicht recht glaubte. „Warten
Sie einen Augenblick," sagte er, „dann werde ich Ihnen
alles erzählen. Ich muß erst mein Gepäck aufgeben, den
pompösen Koffer, den Sie dort sehn." Wohlgefällig deutete
er auf den Gegenstand seines Stolzes. Dann besorgte er
das Notwendige am Gepäckschalter, und wir gingen auf den
Bahnsteig, damit Adam einen Platz im Zuge belegen könnte.
Nachlässig warf er seine Mütze in ein Abkeil zweiter Klasse.
„Ich werde von jetzt ab prinzipiell nur zweiter Klasse fahren,"
erklärte er. „Sie verstehen, — der Stern. Er wird mich auch
noch in die erste Klasse führen, wenn nicht alle Loffnungen
trügen. Aber passen Sie auf. Sie sehen mich also im Be-
griff, den Staub Münchens von meinen Füßen zu schütteln."
„Es ist auch wirklich die höchste Zeit dazu, lieber Adam,"
sagte ich und zeigte auf seine Stiefel, die nicht nur Staub,
sondern auch ansehnliche Mengen sehr soliden Münchener
Straßenschmutzes oder sogar schlammiger Erde aus dem
englischen Garten trugen.
„Bitte, unterbrechen Sie mich nicht mit Witzen. Sie
haben freilich recht: meine Stiefel sind ungewöhnlich schmutzig.
Aber warum? Das Dienstmädchen in der Pension, die
bis gestern den Vorzug gehabt hat, mich zu beherbergen
und zu beköstigen, hat sie nicht mehr reinigen können. Ge-
stern Abend, vielmehr zu später Nachtstunde hat man mich
hinausgesetzt. Oder nein: diese Beleidigung hat man doch
nicht gewagl, hinausgeworfen hat man mich nicht. Man
hat zu dem weniger verletzenden, aber in seiner Wirkung
darum nicht minder peinlichen Mittel gegriffen, die Tür
meines Zimmers vor mir zuzusperren. Verstehen Sie, —
man hat mich nicht in das von mir gemietete Zimmer
hineingelassen! Wie ist das möglich? Leben wir in einem
Rechtsstaate? Ein Mielsverhältnis kann doch nicht so ohne
weikeres aufgehoben werden. Ganz abgesehen davon, daß
in dem Zimmer meine ganze reiche Labe sich befand. Die
Frau, die Inhaberin der Penston, licß mir durch das Dienst-
mädchen sagen, siebenmal wäre mir die Nechnung präsentiert
worden, und jetzt hätte sie die Geduld verloren. Wenn ich
auf der Stelle bezahlte, dürfte ich in das Zimmer hinein und
noch eine Nacht darin schlafen, am nächsten Morgen aber
mit meinen Sachen abziehn. Da haben Sie ein Beispiel,
wie Geld alle Türen öffnet. Ich hatte aber keines, und
es blieb mir nichts übrig, als, wenn auch in glänzender
Laltung, schweigend abzutreten. Der Verlust meiner reichen
Labe schmerzte mich im Augenblick weniger; meinetwegen
mag die Frau den Krempel sogar behalten, sie darf ihn
sogar realisieren, wie die Finanzleute sagen. Peinlich aber
war mir, keine Stätte zu haben, wo ich mein Laupt nieder-
legen konnte, umso peinlicher, als dies Laupt durch den
Genuß einiger von Freundeshand gespendeter Liter starken
Bieres gerade recht schwer war. Mit meinem Schicksal
hadernd, wanderte ich zunächst in den englischen Gartcn,
wo mir in der frischen Nachtluft zwar das Laupt leichter,
dafür aber — eine häufig zu beobachtende Wechselwirkung —
das Lerz schwerer wurde. Außerdem wurden, wie Sie schon
bemerkt haben, meine Stiefel sehr schmutzig, viel schmutziger,
als sie jetzt noch sind. Ein Teil des Schmutzes muß nämlich
auf einem Kanapee liegen geblieben sein, woraus Sie schließen
können, daß es mir später doch noch gelungen ist, bei einem
guten Bekannten Einlaß und Obdach zu finden. Freilich
erst, nachdem ich ihm ein Fenster eingewoifen halte.
Erquickt wachte ich heute früh auf. Mein freundlicher
Gastgeber — den Namen lassen Sie mich verschweigen —
speiste mich und wollte mich dann mit einem Gastgeschenk
von fünf Mark entlassen. Ich will nicht verschweigen, daß
ich ihn dringend um diesen Betrag ersuchte. Nun aber
geben Sie acht: mein Stern zeigte sich. Ein Getümmel
entsteht vor der Tür meincs Wirtes. Der Gerichtsvollzieher
ist da. Mein Gastgeber hatte sich nämlich vor einiger Zeit
eine Schreibmaschine gekauft, — auf Raten. Einem un-
lauteren Kontrakt zufolge, den man meinen Freund hatte
unterschreiben lassen, war nun wegen angeblicher Nicht-
zahlung der Raten die ganze Summe auf eimnal fällig
geworden. Mein Gaftgeber erblaßt. Ich, in solchen Situa-
tionen gewandter, entreiße ihm seine Börse, der er eben
die mir zugedachten fünf Mark hatke entnehmen wollen,
und stecke sie in meine Tasche. Der Gerichtsvollzieher tritl