Nr. 1332
Zeitschrift für Humor und Kunst
13
Adams großer Koffer
Als ich, das Kapital von 75 Mark in meiner Tasche, auf
der Straße stand und überlegte, wohin ich nun meine Schritte
lenken sollte, fuhr ein mit Gepäckstücken und einer Familie
beladenes Automobil vorüber. Diese Familie zieht in die
Sommerfrische, dachte ich mir, und da durchzuckte es mich:
Das mußt du auch tun! Ziehe hinaus aufs Land, wo es
keine Kaffeehäuser und ähnliche Lemmniffe rüstiger Arbeit
gibt, stärke in frischer, unverdorbener Luft deinen Geist und
dann spanne ihn an, und der Lohn wird nicht ausbleiben!
Und sehen Sie: so fahre ich denn jetzt nach Starnberg,
quartiere mich in einer angenehmen Pension ein, wandere
heute Abend am See spazieren und schreibe morgen schon
ein Feuilleton, — Sommertage in Starnberg. Das wird mir
mit Kußhand abgenommen und reich honoriert werden; mit
beflügelter Feder werde ich weiter schaffen, wie mir das in
dem wüsten Treiben der Stadt nie möglich gewesen wäre, und
dann auch zu jenen größeren Werken übergehn, die einst das
Entzücken des gebildeten Teils der Menschheit sein werden.
Einsteigen soll man? Es sind ja noch drei Minuten
auf der Bahnhossuhr, bis der Zug geht. Also eilig: ich will
Ihnen noch erzählen, wie ich mich gerüstet habe. Meiner
reichen Äabe — das ist übrigens ein Zitat aus dem Pro-
pheten von Meyerbeer — gänzlich verlustig, mußte ich doch
an Neuanschaffungen denken.
Ich ging also zu Tietz und kaufte mir für zwei Mark
diese Seglermütze und fllr einundzwanzig Mark diesen
Strandanzug. Ich zog ihn auch gleich bei Tiey a», — in
einem Naum, der neben der Speiselökalität liegt und mit
dieser in einem — wie soll ich sägen? — gewissermaßen
ursächlichen Zusammmenhang steht. Meinen alten Anzug
habe ich einfach in dem kleinen Raum, der mir zum !lm-
kleiden diente und für dessen Benutzung ich zehn Pfennige
bezahlt habe, liegen gelassen. Dann erstand ich für vierzig
Mark den Koffer, den Sie vorhin gesehn haben. Ein Pracht-
stück, nicht wahr? Solch Koffer erweckt doch Vertrauen,
ein geradezu unbegrenztes Vertrauen. Oder wenigstens
ein zwei bis drei Wochen dauerndes Vertrauen. Denn
dann werde ich zweifellos meine Nechnung in der Pension
begleichen können. Allmählich werde ich dann auch den
Koffer füllen, — mit all den schönen Dingen, die er jetzt
schon zu enthalten scheint."
„Da werden Sie aber ganz gewaltig arbeiten miifsen,lieber
Adam," meinte ich, „denn der Koffer ist wirklich sehr groß."
„Keine Sorge. Groß wird auch mein Eifer sein. Aber für
Sie werde ich doch Zeit übrig haben. Besuchen Sie mich doch
einmal, so elwa in-Lallo, was soll denn das heißen?"
Der Zug fuhr ab. Adam konnte gerade noch auf den
letzten Wagen springen, einen Wagen dritter Klasse für Rei-
sende mit Lunden. So hatte er sein Prinzip, nur noch zweiter
Klasse zu fahren, unglücklicherweise durchbrechen müffen.
Die nächsten vierzehn Tage ließ Adam nichts von sich
hören. Aber ich las etwas von ihm. Er hatte wirklich ge-
arbeitet; es erschien ein Feuilleton von ihm: „Segelsport auf
dem Starnberger See", das durch die reichlich darin vor-
kommenden segeltechnischen Vokabeln „Brise" und „Flaute"
einen soliden fachmännischen Eindruck machte.
Dann kam eine Karte. Adam lud mich herzlich ein, ihn
zu besuchen, — Fremdenpension Villa Lelmtrudis. Wenn
man in München wohnt, hat man schließlich die Verpflich-
tung, einmal im Sommer nach Starnberg hinauszufahren.
Deshalb folgte ich der Einladung. Gleich am Bahnhof
draußen traf ich auf Adam. Sein Antlitz hatte sich in der
Zwischenzeit stark gebräunt, was einen vortrefflichen Ein-
druck machte; sein gelber Strandanzug war auch ins Braune
übergegangen, aber hier war der Eindruck weniger vortreff-
lich. „Lerrlich, daß Sie gekommen sind!" rief Adam; „ich
danke Ihnen innigst dasür. Sie begleiten mich doch in mein
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Hleinigs loserstenanoabme: lluclolf hlvsre, L.oncocco-Lxxe(Iitiou.
Zeitschrift für Humor und Kunst
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Adams großer Koffer
Als ich, das Kapital von 75 Mark in meiner Tasche, auf
der Straße stand und überlegte, wohin ich nun meine Schritte
lenken sollte, fuhr ein mit Gepäckstücken und einer Familie
beladenes Automobil vorüber. Diese Familie zieht in die
Sommerfrische, dachte ich mir, und da durchzuckte es mich:
Das mußt du auch tun! Ziehe hinaus aufs Land, wo es
keine Kaffeehäuser und ähnliche Lemmniffe rüstiger Arbeit
gibt, stärke in frischer, unverdorbener Luft deinen Geist und
dann spanne ihn an, und der Lohn wird nicht ausbleiben!
Und sehen Sie: so fahre ich denn jetzt nach Starnberg,
quartiere mich in einer angenehmen Pension ein, wandere
heute Abend am See spazieren und schreibe morgen schon
ein Feuilleton, — Sommertage in Starnberg. Das wird mir
mit Kußhand abgenommen und reich honoriert werden; mit
beflügelter Feder werde ich weiter schaffen, wie mir das in
dem wüsten Treiben der Stadt nie möglich gewesen wäre, und
dann auch zu jenen größeren Werken übergehn, die einst das
Entzücken des gebildeten Teils der Menschheit sein werden.
Einsteigen soll man? Es sind ja noch drei Minuten
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Ich ging also zu Tietz und kaufte mir für zwei Mark
diese Seglermütze und fllr einundzwanzig Mark diesen
Strandanzug. Ich zog ihn auch gleich bei Tiey a», — in
einem Naum, der neben der Speiselökalität liegt und mit
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ursächlichen Zusammmenhang steht. Meinen alten Anzug
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kleiden diente und für dessen Benutzung ich zehn Pfennige
bezahlt habe, liegen gelassen. Dann erstand ich für vierzig
Mark den Koffer, den Sie vorhin gesehn haben. Ein Pracht-
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ein geradezu unbegrenztes Vertrauen. Oder wenigstens
ein zwei bis drei Wochen dauerndes Vertrauen. Denn
dann werde ich zweifellos meine Nechnung in der Pension
begleichen können. Allmählich werde ich dann auch den
Koffer füllen, — mit all den schönen Dingen, die er jetzt
schon zu enthalten scheint."
„Da werden Sie aber ganz gewaltig arbeiten miifsen,lieber
Adam," meinte ich, „denn der Koffer ist wirklich sehr groß."
„Keine Sorge. Groß wird auch mein Eifer sein. Aber für
Sie werde ich doch Zeit übrig haben. Besuchen Sie mich doch
einmal, so elwa in-Lallo, was soll denn das heißen?"
Der Zug fuhr ab. Adam konnte gerade noch auf den
letzten Wagen springen, einen Wagen dritter Klasse für Rei-
sende mit Lunden. So hatte er sein Prinzip, nur noch zweiter
Klasse zu fahren, unglücklicherweise durchbrechen müffen.
Die nächsten vierzehn Tage ließ Adam nichts von sich
hören. Aber ich las etwas von ihm. Er hatte wirklich ge-
arbeitet; es erschien ein Feuilleton von ihm: „Segelsport auf
dem Starnberger See", das durch die reichlich darin vor-
kommenden segeltechnischen Vokabeln „Brise" und „Flaute"
einen soliden fachmännischen Eindruck machte.
Dann kam eine Karte. Adam lud mich herzlich ein, ihn
zu besuchen, — Fremdenpension Villa Lelmtrudis. Wenn
man in München wohnt, hat man schließlich die Verpflich-
tung, einmal im Sommer nach Starnberg hinauszufahren.
Deshalb folgte ich der Einladung. Gleich am Bahnhof
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druck machte; sein gelber Strandanzug war auch ins Braune
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