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-Z Meggendorfer-Blätter, München

Rasch entschloffen

Straßenbahnwagenführer: „Wo ist denn meine Schaffnerin hin?'
— „Fort ist sie, ein Fahrgast hat ihr einen Leiratsantrag gemacht.'

Die Walffschjagd Von Alfred Manns

Zu Amsterdam in einer Lasenstraße, deren Anterwoh-
nungen zwischen 48 und 50 Prozent aus Schifferkneipen
bestehen, befindet sich auch der Ort, wo Ian Näspickel, der
Ostfriese, sich im Kampfe ums Dasein mit Lilfe von Genever,
Grog und Lagerbier sein tägliches Brot erstreitet.

Lier bei Näspickel besand und besindet sich der Zu-
sammenkunftsort der Fahrensleute deutschen Stammes in
der Charge vom Quartiermeister ab-
wärts.

Vorzugsweise bestand die Kund-
schast jeht im Kriege aus alten, militär-
freien Ianmaats, die auf holländischen
Fischer- und anderen Slupen angeheuert
hatten, welche sich in der Loheitszone
bewegten. Aber auch Kord Kodderfisch
war noch da.

Letzteres konnteman nun keineswegs
als eine Selbstverständlichkeit ansprechen,
denn erstens gehörte Kord als Segel-
macher zu den „gehobenen Anteroffizie-
ren" der Landelsmarine,die im „Blauen
Dunst" bei Fritz Schruppenpüster ihr
Klublokal hatten, und zweitens fuhr er
große Fahrt auf einem Walfischfänger.

Daß ihn die Engländer noch nicht auf-
gepickt hatten, verdankte er dem Am-
stande, daß seine Mutter, Wabbe Kod-
derfisch, ihn seinem Vater Tjark auf Ein IrrtUM
dessen Tjalk geboren hatte, als diese

Anno 48 mit einer Bremer Transitladung
Guano im Delftsteler Lafen lag.

Die Tatsache, daß Kord in Gesellschast
unter seinem Stande verkehrte, läßt mit Recht
aus eine große Leutseligkeit seines Gemütes
schließen.

Im „wilden Knurrhahn", jo hieß die Re-
stauration, saß auch heute Kodderfisch vor ei-
nem saftigen Grog, und neben ihm, gleicherweise
beschäfligt, saß Töns Smortaal aus Waddens,
der als Donkeyman auf einem holländischen
Buttschiff tätig war.

Schon zwei Stunden saßen die beiden so
und hatten sich recht gut unterhalten, aber
gesprochen hatten sie nicht.

Da öffnete sich die Tür und herein trat
ein Mann von etwa 30 Iahren in Schifferbluse
und Timpmütze.

„Tag, Leute. Feines Wetter heute, was?"
sagte er laut und lachte vertraulich.

Ian Näspickel sah den Ankömmling als
Antwort fragend an, aber auch die beiden
Gäste entgegneten nichts. Als alte Fahrens-
leute durften sie von einem Anbekannten etwas
mehr Zurückhaltung und auch Respekt erwarten.

Kord nahm mit der rechten Mundhälfte
einen kräftigen Schluck — die linke eignete sich
nicht zum Trinken, dort saß seit 50 Iahren die
Shagschmurgel und hatte Formalionen erzeugt,
die stch keinem Glase der Welt anpaßten.

Töns Smortaal sah durch den Körper des
neuen Gastes auf die dahinter liegende Tresen-
häffte, wo der Demijohn mit Rum stand.

Der Matrose versuchte derweil erfolglos
eine Anterredung mit Näspickel in Gang zu bringen, wobei
er den üblichen Grog trank.

„Kord," raunte Töns dem Freunde zu, „der Butscher
lungert all vier Wochen für Fasel an' Lasen rum, was
der wohl-"

„Ich will zwei Zigaretten," bestellte eben der Neue.
Wie auf ein Zeichen sahen sich Kodderfisch und Smor-
taal an, auch der Wirt sah zum Tisch hinüber.

— „Papa, laß mal das
Grammophon spielenl"
 
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