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Zeitschrift für Humor und Kunst

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Der gefragte Artikel

Phosphat und Mangan zum ursprünglichen
Preise von zwei Mark verkauste. !lnd wenn
cr keine solche finden wiirde, in die Storchen-
Apotheke würde er dann doch nicht wieder
gehn, denn die verlangte zwei Mark vierzig
für die Flasche, die Pfauen-Apotheke aber
nur zwei Mark zwanzig.

Am nächsten Morgen, ehe er in sein Bureau
sich begab, ging Äerr Philipp Leyermann also
in die Löwen-Apotheke.

„Ia, das ist so 'ne Sache," meinte der
Löwen-Apotheker. „Malz ist jetzt elend knapp.

Aber vielleicht kann ich Ihnen doch noch ein
paar Flaschen des Meierschen Präparates zu
einem nicht wesentlich höheren Preise ablaffen.

Ich werde mich gleich einmal erkundigen. Wenn
Sie einen Augenblick Platz nehmen wollen,
mein Lerr." Dann lief er in das neben seiner
Osfizin gelegene Zimmer, wo er sein Telephon
hatte.

„Das ist doch eine tolle Geschichte!" dachte
die Leinrichs-Apotheke. „Auf einmal scheint
alle Welt Meiers Malzextrakt mit Lacto-
Phosphat und Mangan schlucken zu wollen." Sie sagte
also zum Löwen-Apotheker: „Lören Sie mal, Lerr Kollege,
das Zeug ist jetzt ganz gewaltig gefragt. And überhaupt:
Malz! Also sagen wir mal zwei Mark achtzig, nicht wahr?
Iawohl: zwei Mark achtzig die Originalflasche." Gleich
darauf wurden auch die Storchen- und die Pfauen-Apotheke
von der neuen, durchaus notwendigen Preissteigerung in
Kenntnis gesetzt.

„Aber da bitle ich Sie um alles in der Welt," sagte Lerr
Leyermann in der Löwen-Apotheke, „das istjasündhaftteuer."

Der Löwen-Apotheker wiegte den Kopf, der mit dem
eines Löwen wenig Aehnlichkeit hatte, denn er war ganz
kahl. Er erklärte: Meiers Malzextrakt mit Lacto-Phos-
phat und Mangan wäre gegenwärtig, wo es so ungeheuer
viele, der Stärkung bedürftige Rekonvaleszenten gäbe, ein
ganz ungemein gefragter Artikel, der Lerr möchte nur zu-
greifen, ehe der Preis noch mehr sticge.

— „Fräulein, ich habe frische Zwetschgcn ge-
kauft. Sie können nicht verlangen, daß ich
warte, bis Dörrobst daraus geworden ist."

— „Nun, wie gefällt Ihnen denn mein Bub, Lerr Professor?"

— „Ein reizender Iunge."

— „Nur ein etwas langes Kinn hat er."

— „Das macht nichts. Er muß sich halt so bald wie möglich

einen Vollbart stehen lassen."

Lerr Leyermann griff aber nicht zu; er ging in sein
Bureau und ärgerte sich. Am Nachmittag suchte er die Ele-
fanten-Apotheke auf. Der Elefanten-Apotheker verlangte
rund drei Mark sür die Flasche von Meiers Malzextrakt
mit Lacto-Phosphat und Mangan. Vorher hatte er na-
türlich sein Telephon in Anspruch nehmen müssen, u»d es
mag nur der Vollständigkeit wegen erwähnt werden, daß
im Anschluß daran von der Leinrichs-Llpotheke die Löwcn-,
Storchen- und Pfauen-Apotheken angerufen und über eine
neue Erhöhung des Preises für das Meiersche Medikament
verständigt wurden.

„Lol's der Teufel!" dachte Lerr Leyermann, „ich suche
weiter." Da traf er aber einen Bekannten, der ihn zu
einem Skat überredete, und so blieb sein Vorhaben an diesem
Tage aufgeschoben. Am nächsten suchte er die Aegidius-
Apotheke heim. Da kostete die Flasche aber drei Mark
zwanzig Pfennige. Im Zusammenhang damit standen
Telephonanrufe seitens der Leinrichs-Llpotheke an die Ele-
fanten-, Löwen-, Storchen- und Pfauen-Apotheken.

„Also so unverschämt ist doch keine andere Apotheke,"
sagte sich Lerr Leyermann. Darin irrte er aber. Die
Nepomuk-Apotheke verlangte genau den gleichen Preis.
Sie hatte natürlich auch erst bei der Leinrichs-Apotheke an
gefragt, aber die hatte es für ratsam gehalten, nun doch
nicht mehr aufzuschlagen, erst mußte nach der vielen Fragerei
einmal wirklich etwas von dem verdammtcn Zeug gekauft
werdcn.

„Ietzt habe ich genug gefragt," dachte Lerr Leyermann.
„Nun weiß ich, was ich mache. Ich kaufe in der Pfauen-
Apotheke; die ist am billigsten; da werde ich jetzt überhaupt
immer hingehn." Aber siehe da: der Pfauen-Apotheker
bedaucrte unendlich, Meiers Malzextrakt mit Lacto-Phos-
phat und Mangan nicht mehr für zwei Mark zwanzig liefern
zu können. Nein, die Flasche kostete jetzt drei Mark zwanzig;
der Artikel wäre eben sehr, sehr knapp und ganz furcht-
bar gefragt.

Lerr Leyermann lief in die Storchen-Apotheke, die
zwei Mark vierzig verlangt hatte. Großes Bedauern:
leider beim besten Willen nicht mehr möglich, Preis jetzt
drei Mark zwanzig. Der Löwen-Apotheker bedauerte noch
mehr. Aber er hätte dem Lerrn ja gleich geraten, zuzugreifen.


Trost
 
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