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Meggendorfer-Blätter, München

Eierersatz-Mittel

— „Ocker darfst schon ziemlich nein tun, damit
wenn d' Leut seh'n, daß das Zeug nix taugt,
sie 's zum Vorhangfärben brauchen können."

Nachts

Nachts, wenn alle Stimmen schweigen,
Schlummermüö öie Gassen sinü,
Heimlich nur zum Sternenreigen
In Len Kronen harft öer Wind,
Höre ich ein fernes Geigen,

Wie üer Sehnsucht leises Lied,
llnd ich muß öie Stirne neigen,
Daß mich niemanö weinen sieht.

Lockst öu mich mit süßer Klage
In öer Liebe Zauberlanö,
Sehnsucht, öie am lauten Tage
Nich in engen Iesseln fanö?

Löse nun mit einem Schlage,
Was gebunöen Herz unö Sinn,
llnö öie freie Seele trage
In öas Lanö öer Liebe hinl

Thusnelda lvolff-Rettner

Nachgeholt

Wir haben einen neuen Amtsdiener be-
bekommen. Er ist ein Muster von Genauig-
keit und Gcwiffenhaftigkeit. Als der Äerr
Amtsvorstand einmal einen Tag ausblieb, be-
grüßte ihn der Amtsdiener tags darauf mit
folgenden Worten: „Guten Morgen, Lerr
Amtsvorstand. Auch für gestern."

Eine Frage

Das kleine Mädchen hatte im Sande neben der Bank
gespielt, und der Mann, der dort saß, halte ihm mit einem
Lächeln zugesehn, das Glück in sich schloß, aber auch etwas
Zaghaftigkeit und vielleicht auch Müdigkeit. Das Mädchen
mochte fünf Iahre alt sein; es hatte blaffe Backen und
ein dürftiges, mit einem anspruchslosen Bändchen vor dem
Aufgehn gesichertes Zöpfchen. Der Mann halte schon an-
gegrautes Laar; seine eingefallene Brust mochte in langen
Iahren an einem Amtstisch oder Kontorpult zusammen-
gesunken sein, an dem seine schwächliche weiße Land irgend
ein Schreibwerk zu vollbringen hatte, deffen Mühseligkeit
sich jeweils zu einem Monatsgehältchen kristallisierte.

Das kleine Mädchen war des Sandes überdrüssig ge-
worden, der ihm wohl nur eine ungewohnte Beschäftigung
bieten mochte. Es kletterte aus die Bank und setzte sich
dickt an den Mann heran, zärtlich dicht. „Warm ist's
heute, Vater."

„Ia, Kindchen. Das ist besser als der häßliche Winter,
nicht?" Der Mann reckte sich in den Sonnenschein hinein
und versuchte, etwas tiefer Atem zu holen, als wollte er
Wärme und srische Luft auf Vorrat genießen.

Das kleine Mädchen sah altklug zu ihm aus. „Mutter hat
gesagt: im Winter sterben mehr Menschen als im Sommer."

Der Vater schüttelte leicht verdroffen den Kopf über
das böse Thema. Aber am Ende glaubte er doch Auskunft
geben zu müssen. „Da nimmt eben das Wetker manchen
mehr mit, Kindchen."

Die Kleine nickte verständig. „Manchen," sagte sie und
dachte dann wohl darüber nach. „Du, Vater, warum werden
nicht alle Menschen gleich alt?"

Der Mann lachte über die Frage, aber es war ein
kleines, ein wenig unglückliches Lachen. Er strich dem kleinen
Mädchen über den Kopf. „Es sind doch nicht alle gleich
stark und gesund, und was für eine Arbeit der Mensch
hat, das macht's doch auch."

Das Kind sah eifrig auf. „Die Schlächter werden am
ältesten, nicht, Vater? Weil die immer so gut zu essen haben."

Darüber nun konnte der Mann, wenn ihm auch eine
verdrießliche Aeberlegung hätte nahe liegen mögen, ganz
vergnügt lachen. „Die Schlächter werden meist zu dick
Kindchen. Aber warte mal, — ich glaube, ich habe mal
gelesen, welche Leute am ältesten werden. Richtig: die
Gärtner sind das! Weil sie so viel im Freien sind und
eine gesunde und doch nicht zu schwere Arbeit haben."

Das kleine Mädchen ließ den Kops hängen, eine ganze
Weile lang. Dann kroch es ganz dicht an den Vater heran
und legte die kleine Land auf seinen Arm. „Warum bist
du nicht Gärtner, Vater?" —on.

Bedingte Ehrlichkeit

Fremder: „Sie glauben also nicht, daß es der Zeitungs-
bote war, der stch meinen Schirm angeeignet?"

Wirt: „Kein Gedanke, der Michel ist 'ne grundehrliche
Laut! Ia, wenn 's gerade geregnet hätte."

Zrn Konzertlokal

Garderobenfrau: „Ihre Garderobe, mein Lerrl"

— „Die möchte ich mit hineinnehmen, weil es im Saal
gewöhnlich kalt ist!"

— „Bedaure, zuerst muß sie aber abgegeben werdcn! Wenn
's Ihnen zu kalt ist, können Sie sie ja nachher hereinholen."

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