Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Zeitschrift für Humor und Kunst 123








U ^

L



Vorteil

-- „Papa, mir sind zwei Fliegen in die Milch gefallen."
— „Sei froh, da sind zwei weniger."

Der neue Anzug

Jch hatte Glück mit meinem Schneider. And einen
Stoff! Das beste Lhemnitzer Fabrikat „echt englisch". So-
lange ich Losen trug, hatte ich noch niemals solch einen
feinen Anzug besessen. O, ich war stolz!

„Geben Sie ihn mir gleich mit!" sagte ich zu dem
Schneider. Ich wohnte gleich um die Ecke. Was tat da
das Paket? An der Ecke aber, da lag das Cafö.

Ich erzählte von meinem neuen Anzug, und man besah
ihn. And dann schimpften fie weiter: Der Anarchist Iungfer,
der Lyriker Meyerlein, Wüstebeck, der elegante Dichter,
Elea, die rumänische Prinzessin (ste stammte aus Tarnopol)
und Ganeff der Maler. Ganeff nannte ihn, nicht ohne
Recht, vr. Kohn, wenn er auch mal an den Stamm-
tisch kam.

Er nicht, aber Nischi kam, der südrussische Maler.
„Nanu, Nischi? Im Paletot?" fragte wer.

Der Mai war augusthaft. 30 Grad im Schatten. Der
schwarze Mantel reichte dem Lageren bis zu den Knöcheln.
Darunter stampften schlecht geputzte Reitstiefel, wie sie die
Landarbeiter tragen . . . und die russischen Dichter. Der
Mantelkragen war hochgestülpt.

„Jch frier," sagte Nischi.

Wüstebeck erhob sich und hielt sein Taschentuch (oäsur
äe iniUtz üsurs) an die Nase. Meyerlein aber sagte:
„Nischi, piepst's bei dir?"

Es piepste nicht bei ihm. Denn als er den Mantel
zurückschlug, da sah man, daß er nicht viel an hatte, unter
dem Mantel. Ein Sportshemd halt.

„Ich habe augenblicklich keinen Anzug," sagte Nischi.
„Äerr Nußbaum war bei mir und wollte alte Sachen kaufen.
Er bat so herzlich, da konnte ich nicht anders. Ich bin ein
Opfer meiner guten Seele. Denn wenn ich jetzt einen An-
zug hätte, dann könnte ich in acht Tagen eine Villa in
Starnberg haben. Oder in Tegernsee. Zwei Damen wollen
sich von mir kitschen lassen. Ich soll ins Lotel . . . die
ersten Sitzungen verabreden . . . kann ich etwa so . . .?
Leute . . . einen Anzug! Väterchens ganzes Neich für
einen Anzug." Meyerlein blätterte in seinen Pfand-
scheinen. Schließlich sand er einen, der ihm zusagte. „Da
hast du einen Anzug von mir!"

Nischi hatte nur Lohn für solche Lilfe. And während
er noch verächtlich lächelte, fiel sein Lächeln auf mein Paket.
Da wars um mich geschehen. And Iungfer rief: „Student,
Muttersöhnlein . .. Sie haben doch eine neue Kluft? Geben
Sie doch Nischi das Leil. Morgen haben Sie ihre» An-
zug zurück und Sie erwachen als Mäzen."

Nischi war einen Kopf größer als ich. Ich kannte ihn
erst seit vorgestern. Darum sagte ich: „Wenn ich vielleicht
hier diesen Anzug geben dürft . . ."

„Wozuso viele Amstände, lieber Freund?" schrie Nischi, er-
rafftemeinPaketund verschwanddamithinterder Glastürstp.
 
Annotationen