Kriegschronik der Meggendorfer-Blätter, München
147
Briefe zum Semesterschluß
Lannover, 2. August 1916
Liebe Sieglinde!
Jch schreib Dir gleich
wieder, daß Du es mit Dei-
nem Kommen nicht so eilig
zu haben brauchst, es kommt
auf ein paar Wochen nicht
an. Last Du denn für
Deine Doktorarbeit die
Seminarbibliothek nicht nö-
tig? !lnd das mit dem
Essen bei Multern ist auch
nichtso einfach. Gewiß, wir
haben noch allweil reichlich
satt zu essen, aber es will
verdient sein. Wer mit
essen will, muß auch mit
stehen, muß man heutzu-
tage sagen. Willst Dunicht
liebernoch etwas mVayern
bleiben, wo dort alles so
reichlich sein soll, wie es
heißt? Papa meint auch,
ob Du nicht einmal einen
Versuch machen willst, Dich
selbst zu beköstigen, Du
seiest doch nun alt genug,
und er will Dir das Geld gern schicken. Aeberhaupt bist
du doch andere Iahr immer so für Deine Freiheit gewesen,
und daß Du Deine Ferien für Dich haben willst; das habe
ich nun alles auch einsehen gelernt, und ich möchte Dir da
kein Lindernis mehr in den Weg legen, wenn Du die Ferien
für Dich verbringen willst. Also überleg' es Dir noch einmal.
Lerzlichen Gruß Deine Mutter.
(m.) Murr
Fatal
— „Wie ich höre, Frau Müller, wollen Sie ausziehen.
Zch dachte, die Wohnung gefiele Ihnen so gut."
— „Gewiß, es tut mir sehr leid, aber ich muß. Denken
Sie stch, unsere Nachbarin, diese neugierige Person, ist zur
Post gegangen, und gerade unsere Straße ist ihr als Brief-
trägerin zugewiesen worden."
" „Die an der Front werden nicht sehr entzückt
sein über die heutige Menage."
^ „Warum denn?"
— „Na, drei Tage nischt wie blaue Bohnen und
nu weiße."
Ein Arlauber saß im Wirtshaus und ahmte das Geräusch nach,
welches die verschiedenen Geschosse verursachen. Es ist ganz verschieden
je nach Art und Nationalität. Bei den amerikanischen Granaten, die
ganz eigenartig zischen, bekam der Lerr vom nächsten Tisch eine kleine
feuchte Ladung ins Gesicht. Darüber fing dieser zu schimpfen an.
„Ieggerl, jeggerl!" erwiderte der Infanterist beleidigt, „Was
täten Sie denn nachher erst, wenn dös a echte Granat'n g'wen wär'."
Lans Sollinger
Der wertvolle Kaffeegrund
Die Norddeutsche Kartoffelmehlfabrik in Küstrin hat durch Ver-
suche festgestellt, daß getrockneter Kaffeegrund nach entsprechender
Behandlung recht gut als Viehfutter zu verwenden ist, ja, daß es
sogar nicht ausgeschlossen sein mag, noch Extraktstoffe daraus zu
gewinnen, die auch für die menschliche Ernährung in Betracht kommen
können. Es ist deshalb angeregt worden, nicht nur in größeren
Kaffeehäusern, sondern auch in den Laushaltungen fortan den Kaffee-
grund zu sammeln.
Das ist angenehm zu hören. Da während des Krieges das
Wahrsagen (weil im Kriege ja doch immer alles anders kommt)
streng untersagt ist, der Kaffeegrund also ohnehin seiner nakürlichen
Bestimmung, daß darin die Zukunft gelesen werde, entzogen ist, wäre
es wirklich sehr schön, wenn er anderswie nutzbringend verwendet
werden könnte.
Aebrigens ist schon ein Anfang gemacht worden mit dem Sam-
meln des Kaffeegrundes. So haben zum Beispiel in Dresden zahl-
reiche Lausfrauen Vorkehrungen getroffen, in besonderen, in der
Küche bequem neben dem Spültisch aufzustellenden Behältern den täg-
lichen Kaffeegrund aufzuspeichern, der dann von Zeit zu Zeit abgeliesert
werden soll, — so alle vier Wochen, wenn der Behälter voll ist.
Als vorzüglich geeignete Behälter kommen in Betracht leere Streich-
holzschachteln, Eierbecher oder alke Fingerhüte. (m.) -on.
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Briefe zum Semesterschluß
Lannover, 2. August 1916
Liebe Sieglinde!
Jch schreib Dir gleich
wieder, daß Du es mit Dei-
nem Kommen nicht so eilig
zu haben brauchst, es kommt
auf ein paar Wochen nicht
an. Last Du denn für
Deine Doktorarbeit die
Seminarbibliothek nicht nö-
tig? !lnd das mit dem
Essen bei Multern ist auch
nichtso einfach. Gewiß, wir
haben noch allweil reichlich
satt zu essen, aber es will
verdient sein. Wer mit
essen will, muß auch mit
stehen, muß man heutzu-
tage sagen. Willst Dunicht
liebernoch etwas mVayern
bleiben, wo dort alles so
reichlich sein soll, wie es
heißt? Papa meint auch,
ob Du nicht einmal einen
Versuch machen willst, Dich
selbst zu beköstigen, Du
seiest doch nun alt genug,
und er will Dir das Geld gern schicken. Aeberhaupt bist
du doch andere Iahr immer so für Deine Freiheit gewesen,
und daß Du Deine Ferien für Dich haben willst; das habe
ich nun alles auch einsehen gelernt, und ich möchte Dir da
kein Lindernis mehr in den Weg legen, wenn Du die Ferien
für Dich verbringen willst. Also überleg' es Dir noch einmal.
Lerzlichen Gruß Deine Mutter.
(m.) Murr
Fatal
— „Wie ich höre, Frau Müller, wollen Sie ausziehen.
Zch dachte, die Wohnung gefiele Ihnen so gut."
— „Gewiß, es tut mir sehr leid, aber ich muß. Denken
Sie stch, unsere Nachbarin, diese neugierige Person, ist zur
Post gegangen, und gerade unsere Straße ist ihr als Brief-
trägerin zugewiesen worden."
" „Die an der Front werden nicht sehr entzückt
sein über die heutige Menage."
^ „Warum denn?"
— „Na, drei Tage nischt wie blaue Bohnen und
nu weiße."
Ein Arlauber saß im Wirtshaus und ahmte das Geräusch nach,
welches die verschiedenen Geschosse verursachen. Es ist ganz verschieden
je nach Art und Nationalität. Bei den amerikanischen Granaten, die
ganz eigenartig zischen, bekam der Lerr vom nächsten Tisch eine kleine
feuchte Ladung ins Gesicht. Darüber fing dieser zu schimpfen an.
„Ieggerl, jeggerl!" erwiderte der Infanterist beleidigt, „Was
täten Sie denn nachher erst, wenn dös a echte Granat'n g'wen wär'."
Lans Sollinger
Der wertvolle Kaffeegrund
Die Norddeutsche Kartoffelmehlfabrik in Küstrin hat durch Ver-
suche festgestellt, daß getrockneter Kaffeegrund nach entsprechender
Behandlung recht gut als Viehfutter zu verwenden ist, ja, daß es
sogar nicht ausgeschlossen sein mag, noch Extraktstoffe daraus zu
gewinnen, die auch für die menschliche Ernährung in Betracht kommen
können. Es ist deshalb angeregt worden, nicht nur in größeren
Kaffeehäusern, sondern auch in den Laushaltungen fortan den Kaffee-
grund zu sammeln.
Das ist angenehm zu hören. Da während des Krieges das
Wahrsagen (weil im Kriege ja doch immer alles anders kommt)
streng untersagt ist, der Kaffeegrund also ohnehin seiner nakürlichen
Bestimmung, daß darin die Zukunft gelesen werde, entzogen ist, wäre
es wirklich sehr schön, wenn er anderswie nutzbringend verwendet
werden könnte.
Aebrigens ist schon ein Anfang gemacht worden mit dem Sam-
meln des Kaffeegrundes. So haben zum Beispiel in Dresden zahl-
reiche Lausfrauen Vorkehrungen getroffen, in besonderen, in der
Küche bequem neben dem Spültisch aufzustellenden Behältern den täg-
lichen Kaffeegrund aufzuspeichern, der dann von Zeit zu Zeit abgeliesert
werden soll, — so alle vier Wochen, wenn der Behälter voll ist.
Als vorzüglich geeignete Behälter kommen in Betracht leere Streich-
holzschachteln, Eierbecher oder alke Fingerhüte. (m.) -on.