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Nr. 1343

Zeitschrift für Humor und Kunst

191

Der Puppenwagen

Er brachte ihn selbst, um mir zu erklären, daß sich bei dem
alten Kasten die kostspielige Reparatur ja eigentlich kaum
mehr gelohnt hätte. Aber er habe sich trotzdem über den
Auftrag nicht gewundert. Denn er wisse durch Ersahrung,
daß manche Leute aus Pietät alte Spielsachen immer wieder
reparieren ließen, obgleich die Reparatur den wahren Wert
weit übersteige. Aber die Pietät! Lalt ja, die Pietät!
And seine Rechnung betrüge 12,75 Mark.

15.85 Mark -j- 12,75 Mark -j- eine Kiste Zigarren -j- ein
dopPelter Logierbesuch! Als der Stellmacher wieder draußen
war, legte ich mich aufs Bett, trank einen halben Liter
Bromwasser und machte Eisumschläge auf die Stirn. Ich
werde nicht zum Geburtstag gehen.

-Ich bin doch dagewesen. Wenn man ein Geschenk

bringt, für das man 28,60 Mark bezahlt hat (und eine
Kiste Zigarren und einen doppelten Logierbesuch!). dann
kann man wohl etwas dafür verlangen. Ich ließ durch
einen Dienstmann den Wagen hinbringen und ging gleich
selbst mit ihm mit. Als der Wagen ausgepackt worden war,
machten alle lange Gesichter; da fing das Geburtstagskind
an zu brttllen und schrie: „Mit dem alten Karren gehe ich
nicht über die Straße. Liepmanns Annemarie hat einen
viel feineren, und ich schäme mich so."

Meine Kusine nahm das Kind in den Arm, um es zu
trösten. Es ist unglaublich, wie schlecht manche Menschen
ihre Kinder erziehen. Mein Vetter absr klopfte mir lachend
auf die Schulter: „Na, du. Das Gestell da hast du aber
für alt gekauft. And wenn du mehr als einen Taler dafür
ausgegeben hast, dann bist du mächtig angeschmiert worden."

Einen Taler! Ich biß mich auf die Lippen, aber ich
schwieg. Es war eine peinliche Situation. Meine Kusine
fand sich zuerst wieder in ihr zurecht; ste setzte das noch
immer schreiende Kind nieder und gab mir dankend die
Land, wobei sie erklärte, daß man bei Geschenken nicht
nach dem Preis fragen dürfe, und daß es vollauf genüge,
wenn jemand seinen guten Willen zeige. Den guten Willen!
And dabei habe ich 28,60 Mark bar bezahlt, von allem
übrigen noch gar nicht zu reden. Aber ich schluckte alles
herunter und schwieg. Nur bei Tisch erzählte ich, daß mich
wahrscheinlich die Kinder meiner Schwester demnächst be-
suchen würden. Allein niemand nahm von dieser Mitteilung
irgendwie Notiz. Es war ein sehr ungemütlicher Sonntag,
und ich war froh, bis ich nach dem Abendessen einen schick-
lichen Moment wahrnehmen konnte, um mich zu empfehlen.
Gleichwohl wollte ich eine dauernde Verstimmung nicht
aufkommen lassen. Ich sagte daher beim Abschied nochmals,
daß die Kinder meiner Schwestcr mich demnächst besuchen

/ 3s 3. 2!. 86si1. 1916. insp.itivnsxsbüdrsn 4xespLlt. ^onxarsiUersils 1 dlarlc. Allslnlgs InserLtsn-Lkinstims bei ÜUlloIs IVI0886, äklltvklüeil'Apkliilillll.



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