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Zeitschrift für Humor und Kunst

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Der Einzige — „Ich hab' sonst in der Stadt nie beim Schutzmann nach dem

Weg mich erkundigen mögen, aber heut' werd'ich's doch tun, —
jeder andere würd' mich gleich nach Butter und Eiern fragen."

Verfehlte Ironie

Ansere Tante Paula behält
ihre Meinung, im Gegensatz zu
ihrem Gelde, niemals für sich.

Aber sehr selten erklärt sie offen
heraus, was sie auf dem Lerzen
hat; gewöhnlich sagt sie das
gerade Gegenteil, nur mit et-
was verkniffenem Gesicht und in
geschraubtem Ton, womit sie
Ironie anzeigen und kundgeben
will, daß sie es umgekehrt meint.

Diese ironische Art kommt übri-
gens bei der heutigen Menschheit
immer mehr in Ausnahme, und
wenn das so weiter geht, wird
schließlich der eine immer erst
raten müffen, was der andre ihm
sagen will, und die Menschen
könnten sich,statt durch Sprechen,
ebenso gut durch Grunzen ver-
ständigen. Manchmal geschieht
das sogar schon.

Wenn zum Beispiel Tante
Paula zu mir auf Besuch kommt,
und ihre ersten Worte sind:

„Schönes Wetter, heute!" wäh°
rend der Wind die Dachziegel
auf die Straße sausen läßt und
das Waffer zollhoch auf dem
Fahrdamm steht, dann weiß ich
natürlich sofort, daß fie eigent-
lich meint: Es ist sehr unan-
genehmes, ganz scheußliches
Wetter. Wenn aber ^ante
Paula etwa vor einem Bilde
steht und erklärt: „Ein herrliches
Gemäldel" dann ist nicht ohne
weiteres klar, ob ihr das Bild
nun gefällt oder nicht; nur weil
diese Worte eben von Tante
Paula kommen, kann man an-
nehmen, daß sie das Bild für eine
grausame Schmiererei ansieht. -

Neulich fuhr ich mit Tante
Paula zusammen in einem
Trambahnwagen. Anfangs war
kein Sitzplatz für sie da; sie
mußte stehn. Ein paar junge Lerren saßen bequem, aber
keiner bot ihr seinen Platz an, was, trotzdem es Tante Paula
angetan wurde, durchaus nicht entschuldigt werden soll.
Tante Paula sprach vor sich hin: „Löfliche Leute, heutzu-
tage." Es hatte geregnet; die Fahrgäste hatten naßeKleider
an, und die Luft im Wagen war sehr schlecht. Tante Paula
sagte also: „Großartige Atmosphäre!"

Der Wagen war der Endstation schon nahe, da bekam
sie schließlich doch noch einen Platz, — neben einem schlichten,
aber biederen Manne, der an einer kalten Pfeife lutschte,
was ihm niemand verwehren konnte. Tante Paula aber
gefiel es nicht; sie machte eine krause Nase, als wäre wirklich
Rauch da, der sie belästigte. Auf einmal nahm der Mann
die Pfeife aus dem Munde und spuckte auf den Boden,
nachdrücklich und mit einer gewiffen Andacht. Tante Paula
rückte etwas von dem Manne ab und warf den Kopf zurück.

Dann hob sie den Arm und winkte gebieterisch dem Schaffner,
der zögernd herankam. „Schaffner," sagte Tante Paula,
„neuerdings ist es wohl erlaubt, in den Wagen zu spucken?"

Der Schaffner schüttelte den Kopf. „Nein, das ist nicht
erlaubt." Er sah dabei Tante Paula gutmütig an, als ob
er ihr helfen wollte; freundlich setzte er hinzu: „Warten Sie
doch noch das Weilchen, — Sie steigen ja doch gleich aus."

Nun aber meldete sich der biedere Mann. Er legte
seine Land auf Tante Paulas Ärm und sprach gemütlich:
„Kümmern's Ihnen nicht drum, Frau, — spucken's nur
ruhig aus!" -on.

Anspruch

Wirt (zu einer Gesellschaft von Leidtragenden, die er eben in das
gegenüberliegende Wirtshaus eintreten sieht): „§>e, meine Äerren
. . . bei mir hat der Verstorbene immer verkehrt!"
 
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