Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
102 Meggendorfer-Blätter, München

Dunkle Ahnung

Vorsichtig

Die Beschlagnahme der süßen Liköre hal viele Leute
sehr verstimmt. Namentlich nervöse, bei denen ja jede
Kleinigkeit eine Steigerung ihrer Nervosität hervorruft,
fühlten sich durch diese Maßregel sehr beunruhigt.

Da erschien gerade zur rechten Zeit eine Ankündigung der
Rabenapotbeke, in welcher diese einen neuen, von ihr erfun-
denen Nervenlikör anzeigt, und schon am gleichen Tage taucht
als erste Kundin dafür Fräulein Amanda Sauerkohl auf.

„Sie inserieren in der heutigen Zeitung einen Nerven-
ltkör," fragt sie.

„Iawohl," erwidert der Provisor. „Ganz vorzüglich
für die Nerven. Wünschen Sie eine Flasche?"

„Gewiß," gibt Fräulein Amanda zurück. „Aber sagen
Sie, schmeckt er auch wirklich nach Likör?" C. A. Lg.

Gleichgültige

Mischung

In dem Lölzchen
vor der Stadt, das alle
mögliche Botanik in sich
birgt, traf ich als ein-
samen Wanderer Äerrn
Kniehas. Er pflegt im-
mer einen würdigen
schwarzen Rock zu tra-
gen, und den hatte er
auch diesmal an, aber
sehr schlecht paßten dazu
zwei kleine Säcke, die er
an Strippen über den
Arm gehängt hatte.
Der eine Sack war aus
blauer, der andere aus
roter Leinwand und mit
dieser Ausrüstung sah
Lerr Kniehas recht
komisch aus. „Botani-
sieren Sie vielleicht?"
fragte ich.

Lerr Kniehas lächelte
resigniert. „Ich sammele
zwei mir durchaus not-
wendige Artikel, ohne
die ich ganz unmöglich
noch weiter durchhalten
kann: Tabak und Tee.
Tabak, — dazu nehme
ich hier die Blätter von
den Leckenrosensträuch-
ern, von den jungen
Birken, von den wilden
Kirschbäumen, was zu-
sammen eine ganz gute
Mischung gibt. Tee,
— nun hier sind genug
Blätter an Brombeer-
sträuchern, an Erdbeeren
und Äeidelbeeren; das
gibt auch eine ganz
erträgliche Mischung.
Der Tabak kommt in
den blauen und der
Tee in den roten Sack,
damit es keine Ver-
wechselung gibt. Ia,
man muß eben vor-
sorgen!"

Wirgingen einStück-
chen zusammen. Lerr
Kniehas schritt vor mir
auf dem schmalen Fuß-
weg, pflückte bald links, bald rechts etwas und versorqte
bald den roten, bald den blauen Sack.

„Erlauben Sie, Lerr Kniehas," mußte ich da bemerken
„eben haben Sie Kirschblätter in den roten Sack getan und
vorhin, wenn ich nicht irre, Brombeerblätter in den blauen
Sack. Ich denke, es sollte doch umgekehrt sein."

Lerr Kniehas schaute in seine Säcke hinein. „Wahrhaftia
da habe ich mich geirrt. Na, das wird mir schon öfters
passiert sein."

„Da werden Sie aber rechte Mühe haben, das nackk^
wieder auszulesen," meinte ich. "

Lerr Kniehas zuckte die Achseln. „Auslesen? Ach
wo werde ich denn! So genau kommt's nicht daraufan
Wiffen Sie, - im Grunde ist das ja ganz gleichqültia'
aber ganz und gar gleichgültig."

— „Alle schimpfen sie im Dorf auf den Kommunalver-
band. Ich möcht' bloß wiffen, wer das eigentlich ist, —
der muß schon was recht Schlimmes ausgefressen haben."

Copyrtght 1917 by I. F. Schretber
 
Annotationen