Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
104 Meggendorser-Blätter, München

Die bombardierte Hutfabrik

Abwarte

Vum Irühjohr an, öe Summer dorch,
Do jammre schun die Leut,

Daß -es un sell -es 2ohr nix werd'
Un widöer nix gedeiht.

Un wann's -ann Herbscht is, -o gibt's
Sach,

Weeß Gott, in Hüll' un Züll',
Karüoffle, Aeppel, Korn un- Nüß
Un was mar sunscht noch will.

Un üoörum sag' ich alleweil:

SeiL schtill un schwätzt keen Bapp
Un jammert nit zum voraus schun,
Mar wart't 's am beschte ab.

Aarl Frank

Die Liebe des Neffen

und die Geldtasche des Onkels

Jm allgemeinen genügt bei einem verliebten Musen-
jünger ein langer, schwarzer Laarschops, ein verschleierter
Blick, eine kühn geschwungene Nase, eine blasse Lautfarbe,
eine blau durchäderte Land oder ein ähnlicher körperlicher
Vorzug vollauf zur Erzeugung von Gegenliebe. Beim
Komponisten und Kapellmeister Otto Grab aber traf dies
nicht zu. Er besaß nicht nur eine sondern alle diese Schön-
heiten, dessenungeachtet erwiderte die Zigarrenverkäuferin
Amalie Lattl seine heftige Liebe durchaus nicht. Ihret-
wegen hätte er tornisterblonde Äaare oder gar einen Glatz-
kopf, einen Limmelsschmecker, Glotzaugen, eine violette oder
gallgelbe Lautfarbe und Äände wie Westfälerschinken haben
können, wenn er nur einen gehörigen Sack Geld dazu ge-
habt hätte.

Von solcher Natur war die Zigarrenverkäuferin Amalie

Lattl, in welche Otto Grab bis zum Wahn-
sinn verliebt war.

Aber die Liebe ist nun einmal — wie das
Volk sagt — stockblind. Diese Tatsache allein
kann den damaligen Seelenzustand Otto Grabs
erklären. Er spazierte stundenlang vor dem
Ladeneingang auf und ab und warf durch das
kleine Loch im Türvorhang unerhört feurige
Blicke, die alle so wohlgezielt waren, daß sie
Amaliens Lerz durchbohren hätten müssen,
wenn dieses nicht von Stein gewesen wäre.
Aber alle Ausdauer war vergebens. Wenn
er jeden zweiten Tag den Laden betrat und
ein Päckchen Matrosenknaster mit Weichselduft
erstand, welchen er aus Billigkeitsrücksichten
zur Inbetriebsetzung seiner Stummelpfeife ver-
wendete, erregten seine verliebten Blicke nur
ein Lächeln voll abweisender Geringschätzung.

And als er, nachdem er eine ganze Nacht
um den Entschluß gekämpft hatte, endlich einmal
den Mut fand, ihr seine Liebe zu gestehen,
da bekam er erst völlige Aufklärung.

Es war damals noch früher Morgen.
Amalie Lattl hatte eben den Nolladen vor dem Auslag-
fenster in die Löhe geschoben und die Stange, die dazu
notwendig war, befand sich noch in ihrer Land. Sie sah
darum fast aus wie eine mit einem Speere bewaffnete
Amazone.

„Was? Sie möcht'n mi' heirat'n? Sie bräuchten
wahrscheinlich eine Frau, die wo Ihnen ernährt, Sie
Leiratsschwindler! Sie möcht'n, scheint's mir, ein allein-
stehendes Mädchen foppen! Sie Lanswurscht, Sie spinna-
ter! Machen S', daß S' weiterkommen! Wenn S' amal
imstand sind, eine anständige Frau standesgemäß zu er-
nähren, dann schauen S' wieder her!" schrie Amalie Lattl
entrüstet und deutete mit ihrer Lanze sehr energisch nach
der Türe. Beinahe wäre sie mit dem Laken, der oben
an dieser Waffe befestigt war, an Otto Grabs großem
Riechorgan hängen geblieben, als dieser durch die Türe
hinaussprang wie ein dreffierter Löwe durch einen feuri-
gen Neif.
 
Annotationen