Zeitschrift für Humor und Kunst 105
Die Liebe des Neffen
und die GeldLasche des Onkels
Das stimmte nun aller-
dings: Otto Grab war keiner
von jenen Kapellmeistern, de-
ren Taktstock sozusagen ein
Zauberstab ist, mit dem nicht
nur das Neich der Töne be-
herrscht wird, sondern auch
Geld in Äülle und Fülle her-
vorgezaubertwerden kann. Ka-
pellmeister Otto Grab schwang
vorläufig überhaupt noch kei-
nen Taklstock, denn die ganze
Kapelle, die er meisterte, war
ein Klavier, das im Gast-
haus zum „Grünen Rotspecht"
stand. Dort trat nämlich all-
abendlich die von der Witwe
Pratzl geleitete Volkssänger-
gesellschaft auf. !lnd wenn
auch Kapellmeister Otto Grab
in der letzten Zeit einige heftige
Auseinandersetzungen mit die-
ser durch übermäßige Tatkraft
ausgezeichneten Dame hatte,
weil eben dieses Klavier in-
folge der Stimmung seines
Meisters selbst zu den ausge-
lassensten Spässen des ersten
Charakterkomikers winselte
und jammerte wie ein Schoß-
hündchen, dem der Mond angst
macht, so war er der Gesell-
schaft doch ein viel zu unent-
behrliches Mitglied, als daß
er ernstlich um seine bescheidene
Existenz hätte besorgt sein
müssen.
!lnd was die Zukunft barg,
das wußte überhaupt noch kein
Sterblicher. Iedenfalls war
Otto Grab nach seiner ehr-
lichen Aeberzeugung ein sehr
großer Künstler. !lnd, für-
wahr, nicht die Geringsten
auf dem Gebiete der Tonkunst
haben so begonnen wie Otto
Grab. !lnd manches ideal ver-
anlagte Mädchen, das einem
bettelarmen Musenjünger die Land fürs Leben reichte,
wurde später durch die Kunst ihres Mannes eine große
Dame, vor der Fürsten und Könige tiefe Verbeugungen
machten.
Aber auf Zukunftshoffnungen gab die Zigarrenver-
käuferin Amalie Lattl keinen Pfifferling. Dies erklärt auch
die höhnische Antwort auf das Liebesgeständnis des Kapell-
meisters und Komponisten Otto Grab, der, nachdem er den
Laden verlassen hatte, davon rannte wie ein Amokläufer,
den der Wahnstnn peitscht und der das Entsetzen vor sich
hertreibt. !lnd als er später in der Einsamkeit seines kleinen
Nückwärtszimmers wieder zu sich kam, beschloß er sein
Leben mit Lilfe des Leuchtgases zu beenden. Leider aber
hatte er infolge seines übereilten Rückzuges fein letztes
Geld, einen Darlehenskaffenschein zu 1 Mark, auf dem Laden-
Llngeeignete Lektüre
— „Vielleicht kann ich den Lerrschaften Dahns ,Kampf um
Rorw empfehlen."
— „Ree, wir sind keine Anhänger übertriebener Kriegsziele."
tisch der Amalie Lattl liegen laffen. So war es ihm nicht
einmal möglich, dieses Vorhaben auszuführen, weil er das
Gas durch einen Automaten bezog, der nichts herausgab,
bevor nicht ein Zehnernickel hineingeworfen wurde.
Da klopfte es und der ländliche Gutsbesitzer Sebastian
Kaspfluderer, der Onkel Otto Grabs, trat herein. Eine
geschäftliche Angelegenheit hatte ihn in die Lauptstadt ge-
führt. Er erledigte sie so günstig, daß er das bei einfachen
Leuten häufig auftretende Bedürfnis fühlte, auch anderen
Menschen sein Glück mitzuteilen. Als Opfer hiezu erwählte
er seinen Neffen, der außerdem, wie Sebastian Kaspfluderer
sehr wohl wußte, stets Fleischmarken im Besitze hatte, die
er infolge besonderer finanzieller Verhältnifse nicht ver-
werten konnte.
Als der Onkel den Neffen bei seinem Eintritt in das
Die Liebe des Neffen
und die GeldLasche des Onkels
Das stimmte nun aller-
dings: Otto Grab war keiner
von jenen Kapellmeistern, de-
ren Taktstock sozusagen ein
Zauberstab ist, mit dem nicht
nur das Neich der Töne be-
herrscht wird, sondern auch
Geld in Äülle und Fülle her-
vorgezaubertwerden kann. Ka-
pellmeister Otto Grab schwang
vorläufig überhaupt noch kei-
nen Taklstock, denn die ganze
Kapelle, die er meisterte, war
ein Klavier, das im Gast-
haus zum „Grünen Rotspecht"
stand. Dort trat nämlich all-
abendlich die von der Witwe
Pratzl geleitete Volkssänger-
gesellschaft auf. !lnd wenn
auch Kapellmeister Otto Grab
in der letzten Zeit einige heftige
Auseinandersetzungen mit die-
ser durch übermäßige Tatkraft
ausgezeichneten Dame hatte,
weil eben dieses Klavier in-
folge der Stimmung seines
Meisters selbst zu den ausge-
lassensten Spässen des ersten
Charakterkomikers winselte
und jammerte wie ein Schoß-
hündchen, dem der Mond angst
macht, so war er der Gesell-
schaft doch ein viel zu unent-
behrliches Mitglied, als daß
er ernstlich um seine bescheidene
Existenz hätte besorgt sein
müssen.
!lnd was die Zukunft barg,
das wußte überhaupt noch kein
Sterblicher. Iedenfalls war
Otto Grab nach seiner ehr-
lichen Aeberzeugung ein sehr
großer Künstler. !lnd, für-
wahr, nicht die Geringsten
auf dem Gebiete der Tonkunst
haben so begonnen wie Otto
Grab. !lnd manches ideal ver-
anlagte Mädchen, das einem
bettelarmen Musenjünger die Land fürs Leben reichte,
wurde später durch die Kunst ihres Mannes eine große
Dame, vor der Fürsten und Könige tiefe Verbeugungen
machten.
Aber auf Zukunftshoffnungen gab die Zigarrenver-
käuferin Amalie Lattl keinen Pfifferling. Dies erklärt auch
die höhnische Antwort auf das Liebesgeständnis des Kapell-
meisters und Komponisten Otto Grab, der, nachdem er den
Laden verlassen hatte, davon rannte wie ein Amokläufer,
den der Wahnstnn peitscht und der das Entsetzen vor sich
hertreibt. !lnd als er später in der Einsamkeit seines kleinen
Nückwärtszimmers wieder zu sich kam, beschloß er sein
Leben mit Lilfe des Leuchtgases zu beenden. Leider aber
hatte er infolge seines übereilten Rückzuges fein letztes
Geld, einen Darlehenskaffenschein zu 1 Mark, auf dem Laden-
Llngeeignete Lektüre
— „Vielleicht kann ich den Lerrschaften Dahns ,Kampf um
Rorw empfehlen."
— „Ree, wir sind keine Anhänger übertriebener Kriegsziele."
tisch der Amalie Lattl liegen laffen. So war es ihm nicht
einmal möglich, dieses Vorhaben auszuführen, weil er das
Gas durch einen Automaten bezog, der nichts herausgab,
bevor nicht ein Zehnernickel hineingeworfen wurde.
Da klopfte es und der ländliche Gutsbesitzer Sebastian
Kaspfluderer, der Onkel Otto Grabs, trat herein. Eine
geschäftliche Angelegenheit hatte ihn in die Lauptstadt ge-
führt. Er erledigte sie so günstig, daß er das bei einfachen
Leuten häufig auftretende Bedürfnis fühlte, auch anderen
Menschen sein Glück mitzuteilen. Als Opfer hiezu erwählte
er seinen Neffen, der außerdem, wie Sebastian Kaspfluderer
sehr wohl wußte, stets Fleischmarken im Besitze hatte, die
er infolge besonderer finanzieller Verhältnifse nicht ver-
werten konnte.
Als der Onkel den Neffen bei seinem Eintritt in das