120 Meggendvrfer-Blätter, München
Ein verzeihlicher Irrtum
— „So, Pepperl, bevor wir die Zeitung lesen, werden wir
uns ein kleines Pfeiferl-
-stopfen!"-
Ersparnis
Braut: „Papa sagt, mit deinem Monatsgehalt von hun-
dert Mark würden wir verhungern; wir sollten lieber mit
dem Leiraten noch warten!"
Bräutigam: „Sieh Schatz, daran habe ich auch schon
gedacht, aber ich mein', augenblicklich ist gerade so eine
günstige Zeit, weil der nächste Monat der Februar ist. .
der hat doch nur achtundzwanzig Tage!"
Petroleum Von Alfred Manns
Im ostfriesischen, hart an der holländischen Grenze,
wohnt der Bauer Fokko Mullsoot.
Fokko hat drei Laupteigenschaften.
Die erste ist eine geradezu unglaubwürdige Nüchternheit,
die zweite eine fast abenteuerliche Sparsamkeit und die
dritte ist seine Magd, die auf den Namen Wubke nur des-
halb nicht hört, weil sie taub ist. Obwohl die Taubheit
annähernd sechzig Iahre zurückdatiert, bis zu dem Tage,
an dem besagte Magd vom Lichte der Welt zum ersten
Male erblickt wurde, so hatte sie sich doch an das Mißge-
schick keineswegs gewöhnen können, was darin zum Aus-
druck kam, daß Wubke jedesmal, wenn sie einen Menschen
zu anderen Zwecken als zur Nahrungsaufnahme den Mund
öffnen sah, fragend das Wörtchen „Was?" ausstieß, wo-
mit sie dann gleichzeitig ihren Sprachschatz erschöpste.
Die Magd als dritte Eigentümlichkeit Fokkos steht in
unmittelbarem Zusammenhang mit der zweiten, der Spar-
samkeit, denn sie, die Magd, bekam keinen Lohn sondern
nur jedes zweite Weihnachten einen alten Rock von Fokkos
Anno 70 verstorbener Mutter Ecke Mullfoot, geborenen
Dreckinga, die zum Nutzen ihres Sohnes eine bedeutende
Kollektion hinterlaffen hatte.
Trotzdem diese Geschichte keineswegs als Vollroman
gedacht ist, muß der Vollständigkeit halber doch erwähnt
werden, daß die Parzen Mullfoot die Nüchternheit keines-
wegs in die Wiege gelegt hatten, wie beispielsweise die
Sparsamkeit und sozusagen auch Magd Wubke. Im Gegen-
teil liebte es der jugendliche Fokko, seine eben erreichte
Mannbarkeit daburch zu betätigen, daß er ganz verab-
sckeubar viel Schnaps, meist Schidamer, trank, allerdings
stets nur in Gesellschaft solcher Freunde, denen das sportliche
Intercsse an dem Mordsrausch des Sparsamen die Zeche
wert war.
Ein nächtlicher Sturz in die Bäke, die zur Zeit des
Lochwassers mindestens einen Fuß tief Waffer sührte, machte
den Gelegenheitsausschweifungen ein Ende. Fokko war
nämlich bei diesem Fall am ganzen Körper naß geworden,
und das war ihm nicht wieder paffiert, seit ihn die Lebamme
durchaus gegen sein Verlangen gewaschen hatte.
Das unfreiwillige Bad flößte ihm ein solches Grauen
vor dem Schidamer ein, daß er ihn für sein ferneres Leben
nicht nur abschwur, sondern daß er den Schwur auch hielt.
Die Abneigung gegen den Schnaps wuchs im Laufe der
Iahre aus bem ideellen ins gegenständliche hinüber.
Mittlerweile war der Krieg hereingebrochen und wütete
bereits zwei Iahre.
Zu den älteren Bauern, die sich nicht sreiwillig der
Leeresverwaltung zur Verfügung gestellt hatten, gehörte
der nun fünfzigjährige Fokko Mullfoot.
Obwohl Fokko keine Anverwandte irgend welchen Grades
an der Front hatte, ging der große Krieg nicht spurlos an
seinem Innenleben vorüber. Seine Psyche, die sich ebenso
wie die Schweinepreise bisher in normalen Bahnen bewegt
hatte, begann mit dem starken Anschwellen der letzteren
ebenfalls aus den Fugen zu geraten.
Daran war aber nicht zum wenigsten das Moorlocker
Kreisblatt schuld, das er regelmäßig las, mit Ausnahme
der Sonntagsnummer. Nein, gewiß war er nicht darauf
abonniert, aber ein Arbeiter der nahen Ziegelei brachte in
der vorletzten Nummer stets sein Butterbrot mit, das er
immer an derselben Stelle im Chaufseegraben zu verzehren
pflegte. Nach dem Frühstück des Mannes holte sich FEy
regelmäßig das zurückgebliebene Orientierungs- und Bil-
dungsinstrument.
Ein verzeihlicher Irrtum
— „So, Pepperl, bevor wir die Zeitung lesen, werden wir
uns ein kleines Pfeiferl-
-stopfen!"-
Ersparnis
Braut: „Papa sagt, mit deinem Monatsgehalt von hun-
dert Mark würden wir verhungern; wir sollten lieber mit
dem Leiraten noch warten!"
Bräutigam: „Sieh Schatz, daran habe ich auch schon
gedacht, aber ich mein', augenblicklich ist gerade so eine
günstige Zeit, weil der nächste Monat der Februar ist. .
der hat doch nur achtundzwanzig Tage!"
Petroleum Von Alfred Manns
Im ostfriesischen, hart an der holländischen Grenze,
wohnt der Bauer Fokko Mullsoot.
Fokko hat drei Laupteigenschaften.
Die erste ist eine geradezu unglaubwürdige Nüchternheit,
die zweite eine fast abenteuerliche Sparsamkeit und die
dritte ist seine Magd, die auf den Namen Wubke nur des-
halb nicht hört, weil sie taub ist. Obwohl die Taubheit
annähernd sechzig Iahre zurückdatiert, bis zu dem Tage,
an dem besagte Magd vom Lichte der Welt zum ersten
Male erblickt wurde, so hatte sie sich doch an das Mißge-
schick keineswegs gewöhnen können, was darin zum Aus-
druck kam, daß Wubke jedesmal, wenn sie einen Menschen
zu anderen Zwecken als zur Nahrungsaufnahme den Mund
öffnen sah, fragend das Wörtchen „Was?" ausstieß, wo-
mit sie dann gleichzeitig ihren Sprachschatz erschöpste.
Die Magd als dritte Eigentümlichkeit Fokkos steht in
unmittelbarem Zusammenhang mit der zweiten, der Spar-
samkeit, denn sie, die Magd, bekam keinen Lohn sondern
nur jedes zweite Weihnachten einen alten Rock von Fokkos
Anno 70 verstorbener Mutter Ecke Mullfoot, geborenen
Dreckinga, die zum Nutzen ihres Sohnes eine bedeutende
Kollektion hinterlaffen hatte.
Trotzdem diese Geschichte keineswegs als Vollroman
gedacht ist, muß der Vollständigkeit halber doch erwähnt
werden, daß die Parzen Mullfoot die Nüchternheit keines-
wegs in die Wiege gelegt hatten, wie beispielsweise die
Sparsamkeit und sozusagen auch Magd Wubke. Im Gegen-
teil liebte es der jugendliche Fokko, seine eben erreichte
Mannbarkeit daburch zu betätigen, daß er ganz verab-
sckeubar viel Schnaps, meist Schidamer, trank, allerdings
stets nur in Gesellschaft solcher Freunde, denen das sportliche
Intercsse an dem Mordsrausch des Sparsamen die Zeche
wert war.
Ein nächtlicher Sturz in die Bäke, die zur Zeit des
Lochwassers mindestens einen Fuß tief Waffer sührte, machte
den Gelegenheitsausschweifungen ein Ende. Fokko war
nämlich bei diesem Fall am ganzen Körper naß geworden,
und das war ihm nicht wieder paffiert, seit ihn die Lebamme
durchaus gegen sein Verlangen gewaschen hatte.
Das unfreiwillige Bad flößte ihm ein solches Grauen
vor dem Schidamer ein, daß er ihn für sein ferneres Leben
nicht nur abschwur, sondern daß er den Schwur auch hielt.
Die Abneigung gegen den Schnaps wuchs im Laufe der
Iahre aus bem ideellen ins gegenständliche hinüber.
Mittlerweile war der Krieg hereingebrochen und wütete
bereits zwei Iahre.
Zu den älteren Bauern, die sich nicht sreiwillig der
Leeresverwaltung zur Verfügung gestellt hatten, gehörte
der nun fünfzigjährige Fokko Mullfoot.
Obwohl Fokko keine Anverwandte irgend welchen Grades
an der Front hatte, ging der große Krieg nicht spurlos an
seinem Innenleben vorüber. Seine Psyche, die sich ebenso
wie die Schweinepreise bisher in normalen Bahnen bewegt
hatte, begann mit dem starken Anschwellen der letzteren
ebenfalls aus den Fugen zu geraten.
Daran war aber nicht zum wenigsten das Moorlocker
Kreisblatt schuld, das er regelmäßig las, mit Ausnahme
der Sonntagsnummer. Nein, gewiß war er nicht darauf
abonniert, aber ein Arbeiter der nahen Ziegelei brachte in
der vorletzten Nummer stets sein Butterbrot mit, das er
immer an derselben Stelle im Chaufseegraben zu verzehren
pflegte. Nach dem Frühstück des Mannes holte sich FEy
regelmäßig das zurückgebliebene Orientierungs- und Bil-
dungsinstrument.