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Kriegschronik der Meggendorfer-Blät

Zm Hungerverlies

Der Kerkermeister: „Ihr dürft nicht
glauben, daß wir euch hungern lassen.
Wir befreien nur die Menschheit."

Die schweizerische Sprache

Kürzlich wurde in Petersburg eine Versammlung zur Besprechung eines
technischen Projektes abgehalten, an dem auch der finnische Staat interessiert
ist. Die Verhandlungen wurden geleitet vom Generalgouverneur Stacowitsch,
teil nahmen finnische Senatoren, russische Beamte und ein schwedischer Sach-
verständiger. Der Meinungsaustausch wurde aber sehr beeinträchtigt dadurch,
daß die Finnländer mangelhaft Russisch, die Russen nicht Finnisch und der
Schwede keine der beiden Sprachen sprechen konnten. Deutsch konnten alle
Anwesenden sprechen, aber natürlich mochten die Russen sich nicht der Sprache
des Feindes bedienen. Endlich fand einer der russischen Beamten einen Aus-
weg. „Ich schlage vor," sagte er, „daß wir zu der neutralen schweizerischen
Sprache übergehen."

Das war wirklich ein vortreffliches Auskunftsmittel. Die schweizerische
Sprache konnte natürlich bei dep Russen nicht Anstoß erregen. Sprechen
konnten sie alle Teilnehmer der Versammlung, denn für jeden, der Deutsch
kann, ist auch die schweizerische Sprache sehr leicht. Man findet ja auch in
Deutschland, daß selbst ganz kleine Kinder die schweizerische Sprache spielend
beherrschen, und ebenso werden in Deutschland in schweizerischer Sprache
erscheinende Zeitungen allgemein gelesen, wie der Berner Bund, die Basler
Nachrichten und so weiter. Auch sind Dichter, die in der schweizerischen Sprache
geschrieben haben, in Deutschland sehr geschätzt und werden von jedem ver-
standen, wie Gollfried Keller und Konrad Ferdinand Meyer.

Nur etwas hälte den Russen doch nicht ganz recht sein müffen, wenn sie
nun einmal gegen feindliche Sprachen einen Widerwillen haben. Denn sie
führen doch nicht nur mit Deutschland, sondern auch mit Oesterreich Krieg.
Die schweizerische Sprache aber hat eine ganz auffallende Aehnlichkeit mit der
österreichischen Sprache. —on.

Kriegerische Gesinnurig

Lausherr: „Ansere Köchin hat nichts im Kopf wie den Krieg; jetzt bringt
sie sogar die Knödel schon in Form von Granaten auf den Tisch!"

Bei Ankunft der Feldpost

Feldgrauer: „Wie unvorsichtig von meiner Braut, die Bücher mit der
Butter zusammenzupacken! Zwei große Flecken sind auf den Einband gekommen
. . . schad' um die schöne Bulter!"

ter, München

Ili c!en fecrien l-lansatsgen
^Vucb8 cüe 5t3c!t am Oünastr'Znc!.
liire tioiren ?üsme rsgen
^Veitbin über fremcle8 l^anc!.
lbre alten Oa88en leigen
biocb Ü38 6ilct ent^cb^vunclner 2eit.
(_lnc! 3U8 dem Oemäuer 8teigen
/^n cüe l'age, ctie nun ^veit,
/^abnencle Lrinnerungen
üang' verblicbner I-t3N3spracbt:
L)eut8cbe Kratt bst ctie8 errungen.
Oeut8cbe8 ^Verlc >vsrct bier vollbrscbt!

Kü8t'ge cleut^cbe Kämpker rieben
ln ctie 8cbone 5tactt am /^ieer.
Kci^cbem >Vagen, neuem /^übeu
^Varcl cler barte >Veg nicbt 8ctnver.
Ob im >Ve8ten aueb von f'eincten
lmmer neue8 Ztürmen ürobt,

Ob 8ie alle Krätte rinten
(_Iri8 ru Ontergang ^inct blot, —
blier i8t cloeb cler 5cblag gelungen.

(_IncI 68 >varcl clie >Velt belebrt:
Oeut^cbe Kraft bat die8 errungen,
Oeut8ebe5 V/eric bat 8ieb be>väbrt!

V/a8 clie grsuen /^auern 8agen
ln cler alten ätaclt am /^teer,
>Vurde nun in un8ern lagen
Ourcb cla8 mübge>vobnte bleer
bleu ver8proeben, neu begrünclet.

!n cler ätaclt am Oüna8tranc1
V/arcl au8 biin8t uncl üetrt, verbünclet,
?tucb cler lukunft 6ild erkannt:
Veut8cbe Kraft uncl cleut8ebe8 /^üben.
>Vie in der Vergangenbeit,
^Verclcn bleiben. >verclen blüben
/^ueb in allerfern8ter ^eit!

Oe 6311611818

Dilemma

Gestern besuchte ich meinen Freund.
Er saß an seinem Schreibtisch, seine kurze
Pfeife im Mund und blickte gedanken-
voll vor sich hin.

„Was schaust du denn so nachdenk-
lich?" fragte ich.

„Meine Pfeife ist mir ausgegangen/
crwiderte er mit dumpfer Stimme.

„So zünde sie doch wieder an "
riet ich. „Du machst ja ein Gesichi, als
ob die Sache ein Anglück wäre."

„3st sie auch. Schon seit einer
Viertelstunde sinne ich darüber nach
was wertvoller ist: Der kleine Rest
Tabak in der Peife oder das ZündhoU
das ich eventuell dafür opfern muß.«

C. A. Lg.
 
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