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Meggendorfer-Blätter, München

Ein Schwärmer

— „Ach, Fräulein Alma, nach
diesem süßen Kuß hat das Meer
alle Bitterkeit für mich verloren."

machen, und demzufolge-

Donnerwetter, was wollte ich

Adams Krankheit und der große Medizinmann

Ia, es ging auf den Winter zu; kahl standen die Bäume;
kalte Winde pusteten, und die Menschen pusteten auck, näm-
lich über Gläser hin mit dampfenden alkoholischen Flüssig-
keiten, ehe sie den ersten heißen Schluck nahmen.

Mein Freund Adam, der große Lebenskünstler, der oft
Borgende und selten Zahlende, war sehr traurig. Schon
das dritte Glas Glühwein hatte er — wir saßen im Cafe
Odeon — sich geben laffen und war doch noch nicht ver-
gnügt geworden. Endlich sprach er aus, was seine Seele
bedrückte:

„Schrecklich, Verehrtester, schrecklich!

O, wie ist es kalt geworden
Llnd so traurig ringsumherl
Rauhe Winde wehn von Norden,

And die Sonne scheint nicht mehr. —

Ia. so ist es, wenn auch die Verse nicht wörtlich zu-
treffen, denn die rauhen Winde wehn hier bei uns in der
Negel von Osten, ein Amstand, den ich freilich immer
wieder vergeffe, wenn ich mir eine Wohnung miete, bezieh-
ungsweise ein Zimmer, denn ich nehme stets eine, bezieh-
ungsweise eines, deren, beziehungsweise dessen Fenster nach
dieser unangenehmen Äimmelsrichtung liegen, sodaß ich von
den erwähnten rauhen Winden auf das peinlichste belästigt
werde, und ich werde mir wahrhaftig noch für mein so
häufig notwendiges Wohnungssuchen einen Kompaß an°
schaffen müssen, einen kleinen Taschenkompaß, den ich ja
immer in jener Westentasche bei mir tragen kann, in der
sonst männliche Menschen ihre Taschenuhr zu tragen Pflegen,
was aber bei mir, wie Ihnen hinlänglich bekannt ist, nicht
der Fall ist, da ich den Besttz einer !lhr, mit Rücksicht
auf das Vorhandensein von Turmuhren, Normaluhren,
Trambahnuhren und sonstigen, der allgemeinen Benutzung

zugänglichen Zeitmeffern, für überflüssig er°
achte, eine Taschenuhr zudem ein Wertgegen-
stand ist, der fich veräußern oder beleihen läßt,
welche Eigenschaft also ein längeres Verweilen
in meinem Besitz schon ganz und gar aus-
schließt, da ja, wie Ihnen gleichfalls bekannt
ist, in meinem durchaus nicht einförmigen
Dasein so oft Amstände eintreten, die eine
Realisierung meiner irdischen Güter, eine Ver-
flüssigung meiner Äabe dringend erforderlich

-ja, zum

denn eigentlich

sagen?"

Adam hatte sich vollkommen in einem selbst
gebauten Redelabyrinth verirrt. Er hielt inne,
nahm einen großen Schluck, schüttelte sich, als
fröre ihn, und sah traurig durchs Fenster
zum grauen Äimmel empor, der schon mit
Schnee geladen zu sein schien. Dann nickte
er bekümmert und sprach weiter. „Das war
es, — den Winter, der langsam aber sicher
naht, wie ein schönes Wort lautet, den gräß-
lichen Winter hatte ich zum Gegenstand meiner
Nede ausersehen. Den Winter hat ja schon
Lerr Walter von der Vogelweide bitter an-
geklagt, aber er kam späterhin doch in die
angenehme Lage, vor *seinen Schrecken nicht
mehr bangen zu müffen, — als ihm, wie Ihnen
zweifellos bekannt ist, König Friedrich ein
Lehen gegeben hatte, und der Dichter nun
nicht mehr ,den hornunc an die zeherL zu
fürchten brauchte. O Verehrtester, ich wünschte.

als Ausgeher bei mir haben
können Sie denn auch gut laufen?"
- „Ia. loofen kennt ich fchon,
bloß keene Stlweln hab'ich nich l"
 
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