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Zeitschrift für Humor und Kunst

Der Freier — „Ru, was sagen Sie zu der Stimme meiner Tochter?"

— „Sehr hübsch, aber mir kommt's mehr auf die Stimme der Mutter an."

Adams Krankheit und der große Medizinmann
ich bekäme auch ein Lehen! Es brauchte ja kein sehr großes
zu sein, mit einem mittelmäßigen wäre ich schon ganz zu-
frieden. Was meinen Sie: ob ich mich einmal darum be-
werben soll? Walter von der Vogelweide hat ja auch
erst bitten müffen. Vielleicht wäre das gar nicht so aus-
sichtslos. Erst gestern habe ich den König getroffen, als
er die Briennerstraße entlang spazierte, und er hat meinen
Gruß äußerst freundlich erwidert, — er hat sogar beinahe
höflicher gegrüßt als ich."

Adam machte eine Pause; er schien über die Möglich-
keit, ein Lehen zu erwerben, ernstlich nachzudenken. Aber
dann schüttelte er verzagt den Kopf. „Ach, es wird wohl
keinen Zweck haben, — dazu habe ich auch noch nicht so schön
gesungen wie Walter von der Vogelweide. Ich bin auch
noch zu jung. ich muß auf spätere Ernte hoffen. Einstweilen
muß ich mich durchbeißen. Ich wollte, ich wäre ein Bär
und könnte mich zum Winterschlaf niederlegen und schlafen
und schlafen, bis der holde Mai wieder da wäre, und ich
aufstehn und aus voller Brust anstimmen könnte:

,Winterstürme wichen dem Wonnemond^."

Adam sang wirklich, oder wenigstens machte er den
Versuch dazu, aber seine Stimme war schwach und zitterte
wre die eines kranken Greises. Immerhin war es so laut,
daß die Kellnerin herbei kam, wohl in der Meinung, Adam
wollte noch etwas bestellen oder vielleicht bezahlen. Er
sah sie aber gar nicht; er war ganz von einem plötzlichen
Ernfall gepackt. „Äaha," lachte er los, „Winterstürme wichen

dem Wonnemond, — schön, sehr schön, aber was meinen
Sie zu dieser Variation:

,Winterstrümpfe riechen im Wonnemond"."

Triumphierend brüllte Adam diese erschütternden Worte
hinaus. Da ging die Kellnerin wieder. Ein paar Minuten
lang sreute Adam sich über seine Winterstrümpfe, — natür-
lich über die eben gedachten, denn wirkliche besaß er wohl
noch nicht, und auf diese hätten seine Worte sich auch kaum
beziehen sollen, — schon weil wir ja noch gar nicht im
Wonnemond waren. Dann kehrte er wieder zu seinem
Thema zurück:

„Der Winter ist die Iahreszeit des satten Bürgers,
aber eine Leidenszeit für so fröhliche Vögel, wie ich einer
bin. Ich wünschte aber, ich wäre ein Zugvogel und könnte
jetzt meine Schwingen ausbreiten" — (hoppla, da fiel beinahe
sein Glühweinglas um, denn er zeigte mir, wie er das
Ausbreiten der Schwingen machen würde) „und mich in
ein warmes Land begeben. Wenn ich zum Beispiel ein
Storch wäre, — ja, wäre das nicht sehr schön? Dann
hätte ich lange Beine — die habe ich übrigens jetzt auch
schon, — einen roten Schnabel dazu und sähe sehr würdig
aus; freilich hätte ich auch die Verpflichtung, kleine Kinder
zu bringen und die Frauen ins Bein zu beißen. Oho, dann
würde ich all den Leuten kleine Kinder bringen, die mir in
meinem Menschendasein nichts haben borgen wollen. Aber
halt, — neuerdings dürfen ja bei uns die Störche ohne
Gnade totgeschossen werden, — ich glaube, auf Veranlassung
der Imker, die behauptet haben, daß die Störche sehr viel
 
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