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Zeitschrift für Humor und Kunst

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Adams Krankheit und der große Medizinmann

leben! Dort kennen die kindlich glück-
lichen Menschen keine Sorgen; jeder
hat seinen Kokosnußbaum, der ihm
Nahrung und Kleidung gibt, dieser
wohltätige Baum. Ach, Verehrtester,
da müßte ich nicht immer sorgen, da
brauchte ich niemals zu borgen. Oder
- oder —?"

Adam runzelte die Stirn; gequält
sah er mich an. „Sagen Sie mir auf-
richtig, — wenn ich, der jetzt hier vor
Ihnen sitzende Adam, nicht ein Euro-
päer sein, sondern als Adam, der Süd-
see-Insulaner, auf der Insel Takuwiti
oder Romao oder Äuwai, oder was
für einen klangvollen Namen sie sonst
hätte, leben würde, — was meinen
Sie: würde ich auch dann nicht meine
eigenen Kokosnüfse haben, würde ich
auch dört verdammt sein, zu borgen
und immer zu borgen? Dürfte auch
dann irgend ein Insulanerbourgois zu
mir sagen: ,L>ören Sie mal, Lerr Nach-
bar, Sie haben vor vier Wochen drei
Kokosnüsse von mir geborgt und fest
versprochen, nach einer Woche sie zu-
rückzugeben und dazu zwei Kokosnüsse
als Zinsen. Aber wer nichts von sich
hat hören laffen, das waren Sie.

Aber Sei sollen malsehn, was passiert.

Ich verklage Sie!" Würde ich das
auch dort über mich ergehen laffen
müssen?"

Adam senkte das Äaupt und fiel
kläglich in sich zusammen. Er schüttelte
sich wieder.

Das gefiel mir nicht. „Lören Sie,
lieber Adam, mir scheint es schon die
ganze Zeitz daß heute etwas nicht richtig
mit Ihnen ist. Sie sind mir ja schon
manchmal nicht ganz richtig vorgekom-
men, aber heute, glaube ich, liegt dem
etwas Körperliches zugrunde. Am Ende
sind Sie krank."

Adam hob die Land an die Stirn.

„Ich fürchte, Sie haben recht. Jch fühle
mich so merkwürdig heiß an. Aeber-
haupt ist mir schon den ganzen Tag
nicht gut. Ich wollte es nur nicht
sagen, um mir nicht selbst Sorgen zu
machen. Denn ich darf doch nicht krank werden. Um Äimmels
willen, denken Sie doch, wenn ich ernstlich krank würde!

Wenn ich zu Bett liegen müßte und nicht ausgehn
könnte? Das ist doch einfach unmöglich. Ich muß doch
ausgehn, wenn ich Geld brauche, und das ist doch so oft
der Fall. Wenn ich jemanden in seiner Wohnung über-
falle und nicht locker lasse, dann borgt er mir schließlich
was. Aber würde mir jemand was ans Bett bringen?
Äöchstens Rechnungen. Ich würde der sogenannten öffent-
lichen Mildtätigkeit anheimfallen, in ein Krankenhaus würde
ich gebracht, auf dem Armenfriedhof würde ich begraben
werden. Da fühlen Sie nur einmal meine Äand an,
schrecklich, nicht wahr?"

Wirklich, Adams Äand glühte; ich schätzte ihn auf

Mutmaßung

— „Die Farben müffen doch schon recht
teuer geworden sein. Voriges Iahr bin
ich zweimal gemalt worden, und heuer
werd' ich bloß allweil photographiert."

vierzig Grad Fieber. „Aber Adam, — machen Sie, daß
Sie sofort ins Bett kommen! Sie haben sich wahrschein-
lich gehörig erkältet. Trinken Sie ein heißes Zitronen-
waffer, schlucken Sie Aspirin!"

„Sie haben ganz recht, Sie meinen es gut mit mir.
Ich werde Ihrem Rate folgen. Das bewährte Aspirin
wird mir helfen." Adam rüstete sich zum Gehn. „Ich hoffe,
ohne die Dienste eines Medizinmannes auskommen zu
können. Meine gegenwärtige Wohnung, — nun, Sie ver-
stehen schon: ich bin nicht so recht auf Besuche eingerichtet,
nicht einmal auf ärztliche. Ein Arzt bekommt zwar viele
merkwürdige Dinge zu sehn, aber bei mir würde er sich
doch wundern. Leben Sie wohl, Verehrtester, und wünschen
Sie mir das gleiche!"
 
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