Meggendorfer-Blätter, München
36
Llrnschrieben
— „Kriegst du denn noch immer Tabak, Toni?
— „Nee, bin schon lange Selbstversorger."
Die Kafsette Von Peter Robtnson
Das von meinem Freunde Adam mit Vorliebe und
Beharrlichkeit besuchte Kaff-ehaus erweiterte seine Näume;
außer dem Erdgeschoß sollte noch das darüber liegende
Stockwerk der Kaffee trinkenden, rauchenden, Billard spie-
lenden und nebenbei auch noch notwendige Reformen der
schöaen Künste besprechenden Kundschast zur Verfügung
gestellt werden. Die Treppe, die von unten nach oben
führen mußte — und natürlich auch von oben nach unten,
was einleuchtend ist — sollte gerade dort hinkommen, wo
Adam schon seit längerer Zeit seinen Stammplatz gehabt
und den größeren Teil des Tages verbracht hatte. Die
Arbeit schritt, wie vorauszusehn gewesen war, sehr langsam
vorwärts; es war noch gar nicht zu bestimmen, wann das
Lokal wieder frei von Landwerkern sein würde.
Darüber war Adam sehr ungehalten. „Es ist rück-
fichtslos von den Leuten," sagte er. „Ich bin ganz und
gar aus meiner gewohnten Behaglichkeit gerissen. Was
würden Sie sagen, Verchrtester, wenn in Ihre freundliche
Wohnung rauhe Fremdlinge mit polterndem Landwerks-
zeug dringen und nun Tapeken abreißen, Steine ausbrechen,
Lolz zersägen, Nägel einschla-
gen und ähnliche, mit starkem
Lärm und großer Ansauberkeit
verbundene Dinge vornehmen
würden? Sie würden, wenn
solches gegen Ihren Wunsch ge-
schähe, gewiß sehr empört sein,
Verehrtester. Nun wohl, ich
bin auch empört. Denn das
Kaffeehaus ist seit längerer Zeit
meine Wohnung. Oder viel-
mehr mein Wohnzimmer, —
mein Schlafzimmer liegt zwei
Straßen weiter und links um
die Ecke, eine zwar wohlfeile,
aber auch aller Reize erman-
gelnde, ungeheizte Bude, in der
ich mich tagsüber nicht aufhalten
kann. Von meinem Wohnzim-
mer nach meinem Schlafzimmer
habe ich fünf Minuten zu gehen.
Es hat ja einen gewiffen groß-
artigen Zug, wenn Wohnraum
und Schlafgemach so weit ge°
trennt find, aber ich werde doch
nicht länger bei diesem System
bleiben können. Die sonst so
trauten Näume des Kaffee-
hauses sind erfüllt vom Lärm
rauher, mit saurem Schweiß
verbundener Arbeck und dcm-
entsprechenden Geruch, — ich
werde mir wieder einmal eine
bessere Wohnung suchen. Aber
ich werde nicht, wie sonst, die
Straßen durchstreifen, nach aus-
gehängten Schildern schauen
und treppauf, treppab steigen
wie ein Briefträger; diesmal
werde ich es mir bequemer
machen und ein Inserat er-
laffen, — vornehmer junger
Lerr sucht eleqant möblierte
Wohnung von zwei Zimmern in ruhigem Lause, mit der
Neuzeit entsprechendem Komfort und so weiter. Ich werde
nicht säumen, Verehrtester, von dem Resultat dieses Anter-
nehmens Sie alsbald in Kenntnis zu setzen." —
Einige Taqe später besuchte mich Adam und trug ein
großes Paket Briefe bei sich. „Ich schätze, daß es an hundert
Stück sind," sagte er; „wenn Sie Intereffe daran haben,
zählen Sie, — ich meinerseits halte es für überflüsstg. mir
diese Mühe zu machen. Aber so sind die Menschenl Wenn
ich in höchsteigner Person mir eine Wohnung gesucht habe,
bin ich schon oft mißtrauischen Blicken begegnet, die un-
liebenswürdige Zweifel an meiner Kreditwürdigkeit aus-
drückten, und manchmal sagten dann die Leute, die Wohnung
würde wohl doch nicht das Nichtige für mich sein, womit
sie aber eigentlich meinten, ich wäre nicht der Richtige für
die Wohnung. Ietzt aber, wo ich mich in den Schleier
der Anonymität gehüllt habe — ich wünschte, alle andern
Kleidungsstücke wären so billig wie dieser Schleier — über-
häufen mich die Leute mit Angeboten, und alle die zahl-
reichen Lände, die diese zahlreichen Briefe geschrieben haben,
werden nun voll Erwartung sein — das heißt: natürlich
nicht die Lände, sondern ihre Inhaber, Besitzer, Etgen-
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Llrnschrieben
— „Kriegst du denn noch immer Tabak, Toni?
— „Nee, bin schon lange Selbstversorger."
Die Kafsette Von Peter Robtnson
Das von meinem Freunde Adam mit Vorliebe und
Beharrlichkeit besuchte Kaff-ehaus erweiterte seine Näume;
außer dem Erdgeschoß sollte noch das darüber liegende
Stockwerk der Kaffee trinkenden, rauchenden, Billard spie-
lenden und nebenbei auch noch notwendige Reformen der
schöaen Künste besprechenden Kundschast zur Verfügung
gestellt werden. Die Treppe, die von unten nach oben
führen mußte — und natürlich auch von oben nach unten,
was einleuchtend ist — sollte gerade dort hinkommen, wo
Adam schon seit längerer Zeit seinen Stammplatz gehabt
und den größeren Teil des Tages verbracht hatte. Die
Arbeit schritt, wie vorauszusehn gewesen war, sehr langsam
vorwärts; es war noch gar nicht zu bestimmen, wann das
Lokal wieder frei von Landwerkern sein würde.
Darüber war Adam sehr ungehalten. „Es ist rück-
fichtslos von den Leuten," sagte er. „Ich bin ganz und
gar aus meiner gewohnten Behaglichkeit gerissen. Was
würden Sie sagen, Verchrtester, wenn in Ihre freundliche
Wohnung rauhe Fremdlinge mit polterndem Landwerks-
zeug dringen und nun Tapeken abreißen, Steine ausbrechen,
Lolz zersägen, Nägel einschla-
gen und ähnliche, mit starkem
Lärm und großer Ansauberkeit
verbundene Dinge vornehmen
würden? Sie würden, wenn
solches gegen Ihren Wunsch ge-
schähe, gewiß sehr empört sein,
Verehrtester. Nun wohl, ich
bin auch empört. Denn das
Kaffeehaus ist seit längerer Zeit
meine Wohnung. Oder viel-
mehr mein Wohnzimmer, —
mein Schlafzimmer liegt zwei
Straßen weiter und links um
die Ecke, eine zwar wohlfeile,
aber auch aller Reize erman-
gelnde, ungeheizte Bude, in der
ich mich tagsüber nicht aufhalten
kann. Von meinem Wohnzim-
mer nach meinem Schlafzimmer
habe ich fünf Minuten zu gehen.
Es hat ja einen gewiffen groß-
artigen Zug, wenn Wohnraum
und Schlafgemach so weit ge°
trennt find, aber ich werde doch
nicht länger bei diesem System
bleiben können. Die sonst so
trauten Näume des Kaffee-
hauses sind erfüllt vom Lärm
rauher, mit saurem Schweiß
verbundener Arbeck und dcm-
entsprechenden Geruch, — ich
werde mir wieder einmal eine
bessere Wohnung suchen. Aber
ich werde nicht, wie sonst, die
Straßen durchstreifen, nach aus-
gehängten Schildern schauen
und treppauf, treppab steigen
wie ein Briefträger; diesmal
werde ich es mir bequemer
machen und ein Inserat er-
laffen, — vornehmer junger
Lerr sucht eleqant möblierte
Wohnung von zwei Zimmern in ruhigem Lause, mit der
Neuzeit entsprechendem Komfort und so weiter. Ich werde
nicht säumen, Verehrtester, von dem Resultat dieses Anter-
nehmens Sie alsbald in Kenntnis zu setzen." —
Einige Taqe später besuchte mich Adam und trug ein
großes Paket Briefe bei sich. „Ich schätze, daß es an hundert
Stück sind," sagte er; „wenn Sie Intereffe daran haben,
zählen Sie, — ich meinerseits halte es für überflüsstg. mir
diese Mühe zu machen. Aber so sind die Menschenl Wenn
ich in höchsteigner Person mir eine Wohnung gesucht habe,
bin ich schon oft mißtrauischen Blicken begegnet, die un-
liebenswürdige Zweifel an meiner Kreditwürdigkeit aus-
drückten, und manchmal sagten dann die Leute, die Wohnung
würde wohl doch nicht das Nichtige für mich sein, womit
sie aber eigentlich meinten, ich wäre nicht der Richtige für
die Wohnung. Ietzt aber, wo ich mich in den Schleier
der Anonymität gehüllt habe — ich wünschte, alle andern
Kleidungsstücke wären so billig wie dieser Schleier — über-
häufen mich die Leute mit Angeboten, und alle die zahl-
reichen Lände, die diese zahlreichen Briefe geschrieben haben,
werden nun voll Erwartung sein — das heißt: natürlich
nicht die Lände, sondern ihre Inhaber, Besitzer, Etgen-