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Zeitschrist für Humor und Kunst

3S

Die Kassette

herberqung war, und so war das stets lediglich
ein Geschäft, wenn auch manchmal für die
Belreffenden kein gewinnbringendes, womit
sie sich eben abfinden mußten, denn wer sich
auf Geschäfte einläßt, muß doch auch mit
Verlusten rechnen. Doch nun, — o Verehr-
tester, ich wohne im sogenannten Schoße einer
Familie. Lören Sie zu. Schneibke, seines
Vornamens Otto, ist königlicher Postsekretär;
er sitzt jeden Tag auf dem Postamt I Schalter 2.

Wenn Sie Lust haben, können Sie ihn sich
dort ansehn, Sie brauchen ja nur eine Post-
anweisung aufzugeben, — ich ermächtige Sie,
auf diese Anweisung meinen Namen als den
des Empfängers zu schreiben. Sie wollen
nicht, Sie haben sckon genug Postsekretäre
gesehn? Ich auch, Verehrtester, an Schneibke
wenigstens habe ich schon genug. Ich sitze
nämlich abends — erschaudern Sie! — mit
der Familie zusammen. Frau Schneibke, Emma
heißt sie, hat mich in ihr Lerz geschloffen; so
wie ich, sagt fie, müßte auch ihr Sohn aussehn,
wenn ste einen hätte. Sie hat aber nur zwei
Töchter. Besonderer Reize entbehren diese
Mädchen; sie sind natürlich unvermählt, aber
durchaus nicht abgeneigt und so weiter. Ich
glaube, ohne mir damit schmeicheln zu wollen,
daß jede ein Auge auf mich geworfen hat, —
was übrigens einer der unappetitlichsten Aus-
drücke der deutschen Sprache ist. Abwechselnd
bringen fie mir morgens das Frühstück, und
jede will netter als die andere sein. Ia, und
zum Abendbrot werde ich eingeladen. Frau
Schneibke hat schon viermal eigens für mich
Reibekuchen gemacht, für welches Kartoffel
gericht ich von meiner Leimat her, dem Lande
der roten Erde, dem fernen Westfalen eine
große Vorliebe habe. Lerr Schneibke ißt auch
gern Reibekuchen; nachher wischt er sich die Finger in
seinem Lauplhaar ab. Er hat einen ganz außerordentlich
stattlichen, struppigen Laarwald, — vielleicht in Folge dieser
Aebung, möchte ich vermuten. Am Ende könnte ich aus
dieser Erkenntnis reichen Gewinn ziehn, indem ich in zahl-
losen Blättern Anzeigen Mafse: ,Gegen Einsendung von
zeh» Mark teile ich jedem ein unfehlbares Mittel zur Er
langung reichen Laarwuchses mit'. — Antwort: ,Efsen Sie
recht fette Kartoffelpuffer mit den Fingern, und wiscken
Sie sich dann die Pfoten auf dem Schädel ab'. — Ia,
Verehrtester, und nach dem Abendbrot sitzen wir dann um
den runden Tisch herum, und die Gaslampe summt behaglich.
Wenigstens behauptet Lerr Schneibke, daß ste solches tue.
Dann unterhält er mich gebildet; alle Interna des Post-
amts I sind mir bereits bekannt. In den Pausen redet
Frau Schneibke. Ich arbeite gegenwärtig an einer Novelle,
Verehrtester, und habe das gleich am ersten Tage bei
Schneibkes erwähnt, damit die Leute doch sehn, daß ich
einer Erwerbstätigkeit obliege. Ia, und nun fragt Frau
Schneibke immer, wie es mit der Novelle geht. „Darin
kommt gewiß viel von Liebe vor," sagt fie, schelmisch den
Finger hebend, und dann stoßen sich die beiden Mädchen
an und bringen jenes Geräusch hervor, das man gemeinhin
als Kichern zu bezeichnen pflegt. Dann schmunzelt Papa
Schneibke und bietet mir eine Zigarre an, und die Mama
setzt mir einen Aschbecher hin, auf dem zu lesen steht:

Eine Wohltäterin — „Sehen Sie, Auguste, da finde ich ja doch

eine Bluse von mir zwischen Ihren Sachen "
— „Froh sollten Sie sein, gnädige Frau, wenn Ihnen was wegkommt.
Daraufhin können Sie doch 'nen Bezugschein beanspruchen."

,Wo man raucht, da kannst du ruhig harren; böse Menschen

haben nie Zigarren'.-"

Adam seufzte schwer. „Ia, Verehrtester, das sind für-
wahr trauliche Abendstunden. O, der Teufel soll die ganze
Familie Schneibke holen! Gestern hätte ich die Wohnung
zum nächsten Ersten kündigen können, aber ich habe nicht
einmal gewagt, diesen Gedanken ins Auge zu fassen, was
übrigens auch ein greulicher Ausdruck der deutschen Sprache
ist. Augenärzte fassen ins Auge, sonst niemand. Denken
Sie, wenn ich kündigen würde! Mama Schneibke würde
seufzen, daß es schaurig durch den Korridor hallen würde,
die Töchter würden mit verweinten Augen und blaffen
Wangen umher gehn, und Papa Schneibke würde mich
ansehn, als lägen auf dem Postamt hunderttausend Briefe
mit Strafporto für mich. Ia, und das Schlimmste, Ver-
ehrtester, das Ekelhafteste: am Ersten muß ich doch bezahlen,
120 Mark muß ich an Mama Schneibke zahlen, aber es
steht schon heute unumstößlich fest, daß ich diese Summe
nicht besitzen werde. Meine Reffoureen sind wieder einmal
erschöpft. Meine reiche und manchmal auch hilfreiche Tante
Alrike weilt zur Zeit in Italien und kommt erst Mitte des
nächsten Monats zurück. Wie werde ich am Ersten vor
Schneibkes dastehn, wie am Zweiten, wie gar am Dritten?
Sie kennen meine außerordentliche und rühmliche Furcht-
losigkeit Schuldverhältniffen gegenüber, Verehrtester, —
aber hier läßt ste mich im Stich. Ich werde es nicht fertig
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