Zeitschrift für Humor und Kunst 85
Der Salouheld
— „Nun, noch immer nicht im Feld, Lerr Doktor?"
— „Nee, verschieße nur jeistige Munition."
Licht
Tugend haben'^, ihre gesamten Eßvorräte in Gestalt von
belegten Bemmchen auf Reisen mitzunehmen, so traute ich
mich nicht recht und gab Berlin den Vorzug.
Der Wagen, in dem ich saß, war ein Wagen dritter
Klaffe und nur ganz mäßig besetzt, was ganz meinem Er
warten entsprach. Denn die meisten Paffagiere mit Aus-
weisen für die dritte Klasse saßen in der zweiten, und so
hatte ich eine recht angenehme und bequeme Fahrt. Das
sanfte Rütteln und Schaukeln des mit mäßiger Geschwindig-
keit dahingleitenden Schnellzuges tat mir, der ich jahraus,
jahrein am stillen Schreibtisch fitze, außerordentlich wohl
und war so recht dazu angetan, müßigen Träumereien
nachzuhängen. Die einzelnen Stationen zogen fast schemen-
haft an mir vorüber, kaum daß ich auf ihre Namen achtete.
Auch daslfrüher so lästige Geschrei der Kellnerjungen mit
ihren albernen Schinkenbrötchen und heißen Würstchen fehlte
ja, und so riß mich keinerlei profane Störung aus meiner
behaglichen Versunkenheit. Auf einmal aber wurde das
anders. Ein Name schreckte mich plötzlich jäh aus meinem
Dahinbrüten und ging mir wie ein glühender Draht durch
sämtliche Gehirnwindungen. And das war der Name
Lichtensels. Eine Ideenverbindung hatte mich blitzartig
gefaßt und ließ .mir das Blut in den Adern zu Schlackwurst
gerinnen. Eine plötzliche schreckliche Ahnung war in mir
aüfgetaucht, und die bestand in nichts Geringerem als in
der niederschmetternden Gewißheit, daß ich daheim das
elektrische Licht hatte brennen laffen. And noch dazu eine
Serienschaltung mit fünf Lampen. Wie eine grauenhafte
Vifion stieg es vor meinem geistigen Auge auf: der schöne
fünfarmige Lüster, am Tage fahl und schwefelgelb brennend
und bei Nacht eine strahlende Lichtflut auf die gespenstisch
stillen Räume gießend. !lnd im Korridor dann der elektrische
Zähler, fleißig und unermüdlich zählend und Kilowatt um
Kilowatt registrierend zu Gunsten einer habgierigen Gesell
schaft. Groß angelegte Geister mögen fich gewiß mit
lächelnder Verachtung über derartige krämerhafte Bedenken
hinweg setzen, aber ich bin kein großangelegter Geist, wenig-
stens nicht, was das geniale Äerumwerfen mit dem Gelde
anbetrifft. Ich habe immer den Bratenteller noch mit einem
Stück Brot nachgewischt und mit meinen Taschentüchern
fange ich stets sparsamer Weise an den vier Ecken an. !lnd
nun'. diese unverantwortliche ^Verschwendung ohne Sinn
und Zweck! !lnd ich hatte keinen Menschen, den ich etwa
hätte beauftragen können, das Licht abzudrehn und mich
so vor dem zeitweiligen Ruin zu retten.
Da galt es kein Zögern und Besinnen. Mir war
zu Mute, wie einem Seekranken, und in^Probstzella stieg
ich aus, noch ehe der Zug hielt. Dann löste ich mir eine
Fahrkarte in umgekehrter Richtung und fuhr mit 'dem
Der Salouheld
— „Nun, noch immer nicht im Feld, Lerr Doktor?"
— „Nee, verschieße nur jeistige Munition."
Licht
Tugend haben'^, ihre gesamten Eßvorräte in Gestalt von
belegten Bemmchen auf Reisen mitzunehmen, so traute ich
mich nicht recht und gab Berlin den Vorzug.
Der Wagen, in dem ich saß, war ein Wagen dritter
Klaffe und nur ganz mäßig besetzt, was ganz meinem Er
warten entsprach. Denn die meisten Paffagiere mit Aus-
weisen für die dritte Klasse saßen in der zweiten, und so
hatte ich eine recht angenehme und bequeme Fahrt. Das
sanfte Rütteln und Schaukeln des mit mäßiger Geschwindig-
keit dahingleitenden Schnellzuges tat mir, der ich jahraus,
jahrein am stillen Schreibtisch fitze, außerordentlich wohl
und war so recht dazu angetan, müßigen Träumereien
nachzuhängen. Die einzelnen Stationen zogen fast schemen-
haft an mir vorüber, kaum daß ich auf ihre Namen achtete.
Auch daslfrüher so lästige Geschrei der Kellnerjungen mit
ihren albernen Schinkenbrötchen und heißen Würstchen fehlte
ja, und so riß mich keinerlei profane Störung aus meiner
behaglichen Versunkenheit. Auf einmal aber wurde das
anders. Ein Name schreckte mich plötzlich jäh aus meinem
Dahinbrüten und ging mir wie ein glühender Draht durch
sämtliche Gehirnwindungen. And das war der Name
Lichtensels. Eine Ideenverbindung hatte mich blitzartig
gefaßt und ließ .mir das Blut in den Adern zu Schlackwurst
gerinnen. Eine plötzliche schreckliche Ahnung war in mir
aüfgetaucht, und die bestand in nichts Geringerem als in
der niederschmetternden Gewißheit, daß ich daheim das
elektrische Licht hatte brennen laffen. And noch dazu eine
Serienschaltung mit fünf Lampen. Wie eine grauenhafte
Vifion stieg es vor meinem geistigen Auge auf: der schöne
fünfarmige Lüster, am Tage fahl und schwefelgelb brennend
und bei Nacht eine strahlende Lichtflut auf die gespenstisch
stillen Räume gießend. !lnd im Korridor dann der elektrische
Zähler, fleißig und unermüdlich zählend und Kilowatt um
Kilowatt registrierend zu Gunsten einer habgierigen Gesell
schaft. Groß angelegte Geister mögen fich gewiß mit
lächelnder Verachtung über derartige krämerhafte Bedenken
hinweg setzen, aber ich bin kein großangelegter Geist, wenig-
stens nicht, was das geniale Äerumwerfen mit dem Gelde
anbetrifft. Ich habe immer den Bratenteller noch mit einem
Stück Brot nachgewischt und mit meinen Taschentüchern
fange ich stets sparsamer Weise an den vier Ecken an. !lnd
nun'. diese unverantwortliche ^Verschwendung ohne Sinn
und Zweck! !lnd ich hatte keinen Menschen, den ich etwa
hätte beauftragen können, das Licht abzudrehn und mich
so vor dem zeitweiligen Ruin zu retten.
Da galt es kein Zögern und Besinnen. Mir war
zu Mute, wie einem Seekranken, und in^Probstzella stieg
ich aus, noch ehe der Zug hielt. Dann löste ich mir eine
Fahrkarte in umgekehrter Richtung und fuhr mit 'dem
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Der Salonheld
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Inschrift/Wappen/Marken
Transkription
Der Salonheld - "Nun, noch immer nicht im Feld, Herr Doktor?" - "Nee, verschieße nur jeistige Munition."
Anbringungsort/Beschreibung
Bildunterschrift
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
1917
Entstehungsdatum (normiert)
1917 - 1917
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Zeitpunkt Aufnahme (normiert)
2009-10-21 - 2009-10-21
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 115.1918, Nr. 1454 (07.11.1918), S. 85 Universitätsbibliothek Heidelberg
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg