Zeitschrift für Humor und Kunst 87
Licht
nächstfolgenden Zugewie-
derzurück. Jnfieberhafter
Eile raste ich nach meiner
Wohnung, um zu retten,
was zu retten war, und
sank dort fast zusammen
wie ein leerer Sack, den
jemand an die Wand ge-
stellt hat, denn die Woh-
nung war finster wie ein
Petroleumfaß, und der
Zähler stand unverrück-
bar still wie eine Firm-
lingsuhr. Trübselig und
traurig und voll Scham
und Aerger über meine
verwünschte Einbildungs-
kraft ging ich zu Bett
und versenkte mich in das
Traumland billiger Fin-
sternis.
Als ich am nächsten
Morgen erwachte, waren
alle die verrückten Spinn-
weben, die mein Gemüt
umsponnen hatten, verflo-
gen. Ich schalt mich einen Moderne Gauner
Narren, daßichmich hatte
durch kleinliche Bedenken
vonmeiner BerlinerNeise
abbringen laffen und packte meinen Koffer in den ortsüblichen
Rucksack um. Denn war auch der Llrlaub unterbrochen,
abgebrochen sollte er keineswegs sein. Nein, nun wollte
ich mich erst recht meiner Freiheit freuen und zwar mit
juchu und holdrio. Ietzt ging es ins Gebirge, allwo meine
ärztliche Verordnung hin lautete. Ich wußte da einen Ort,
wo man einen so fürchterlichen Dialekt sprach, daß weder
ein Berliner noch ein Sachse ihn verstehen konnte und mil-
hin die Loffnung bestand, daß mir diese Lerrschaften dort
keine Konkurrenz machen würden.
Bevor ich meiner Wohnung von neuem den Rücken
kehrte, überzeugte ich mich unter Anrufung meiner sämt-
— „Wir können mit dem Einbruch noch nicht anfangen;
der Schurschi mit dem Filmapparat is noch nicht dal"
lichen Sinne, daß das elektrische Licht nicht brannte, und zog
in heiterer Erwartung künftiger ungetrübter Freuden ab.
In dem Ort, deffen Namen ich nicht nennen möchte,
fand ich ein überaus einladendes Bauernhans, das schon
von weitem nach Schmalznudeln duftete, und in dem ich
mich häuslich niederließ. Dem Bauern hatte ich ein dick-
bauchiges Paket Tabak mitgebracht, was mir sofort einen
Liter Most und ein dickbestrichenes Butterbrot eintrug;
der Bäuerin händigte ich drei Pfund Zucker ein und im
geheimen einen Kuß, die Tochter und Stallmagd bekam
eine Luxusausgabe des „Bayrischen Liasl", und den sieben
Buben der Familie putzte ich tagtäglich vor dem Essen die
Nase. Auch ein alter Austragftübler war
noch da, ein steinalter Großvater. Da er be-
ständig krank war, so schenkte ich ihm mein
ärztliches Zeugnis, was ihn derart glücklich
machte, daß er alle srischgelegten Eier stahl,
deren er habhaft werden konnte und sie mir
heimlich brachte.
Das war ein Leben! Ich stand, bildlich
gesprochen, bis an den Lals im Schmalz, der
wohlgefüllten Räucherkammer, die gleich an
mein Schlafzimmer stieß, gar nicht zu gedenken, ,
noch auch der ungezählten selbst gebrannten
Verdauungsschnäpse und des herrlichen Apsel-
mostes. Ich kam mir vor wie im Paradies
und gelobte mir, keinerlei Llnvorsichtigkeiten
nach Art des alten Stammvaters Adam zu
begehen, die mich hätten daraus vertreiben
können. Bei alledem lauerte aber die Schlange
bereits auf mich, und bälder als ich dachte,
sollte sie über mich herfallen. And diese Schlange
war ein Wurm. Ein grauenhafter, nagender
Wurm. Er sah aus wie eine Rechnung über
Enttöuschung — „Lier wünschte ich mir ein Läuschen,
teure Agathe, wo wir beide ganz allein unserer Liebe leben könnten."
— „Pfui, Karl, du willst mir also nicht einmal ein Dienfimädchen halten."
Licht
nächstfolgenden Zugewie-
derzurück. Jnfieberhafter
Eile raste ich nach meiner
Wohnung, um zu retten,
was zu retten war, und
sank dort fast zusammen
wie ein leerer Sack, den
jemand an die Wand ge-
stellt hat, denn die Woh-
nung war finster wie ein
Petroleumfaß, und der
Zähler stand unverrück-
bar still wie eine Firm-
lingsuhr. Trübselig und
traurig und voll Scham
und Aerger über meine
verwünschte Einbildungs-
kraft ging ich zu Bett
und versenkte mich in das
Traumland billiger Fin-
sternis.
Als ich am nächsten
Morgen erwachte, waren
alle die verrückten Spinn-
weben, die mein Gemüt
umsponnen hatten, verflo-
gen. Ich schalt mich einen Moderne Gauner
Narren, daßichmich hatte
durch kleinliche Bedenken
vonmeiner BerlinerNeise
abbringen laffen und packte meinen Koffer in den ortsüblichen
Rucksack um. Denn war auch der Llrlaub unterbrochen,
abgebrochen sollte er keineswegs sein. Nein, nun wollte
ich mich erst recht meiner Freiheit freuen und zwar mit
juchu und holdrio. Ietzt ging es ins Gebirge, allwo meine
ärztliche Verordnung hin lautete. Ich wußte da einen Ort,
wo man einen so fürchterlichen Dialekt sprach, daß weder
ein Berliner noch ein Sachse ihn verstehen konnte und mil-
hin die Loffnung bestand, daß mir diese Lerrschaften dort
keine Konkurrenz machen würden.
Bevor ich meiner Wohnung von neuem den Rücken
kehrte, überzeugte ich mich unter Anrufung meiner sämt-
— „Wir können mit dem Einbruch noch nicht anfangen;
der Schurschi mit dem Filmapparat is noch nicht dal"
lichen Sinne, daß das elektrische Licht nicht brannte, und zog
in heiterer Erwartung künftiger ungetrübter Freuden ab.
In dem Ort, deffen Namen ich nicht nennen möchte,
fand ich ein überaus einladendes Bauernhans, das schon
von weitem nach Schmalznudeln duftete, und in dem ich
mich häuslich niederließ. Dem Bauern hatte ich ein dick-
bauchiges Paket Tabak mitgebracht, was mir sofort einen
Liter Most und ein dickbestrichenes Butterbrot eintrug;
der Bäuerin händigte ich drei Pfund Zucker ein und im
geheimen einen Kuß, die Tochter und Stallmagd bekam
eine Luxusausgabe des „Bayrischen Liasl", und den sieben
Buben der Familie putzte ich tagtäglich vor dem Essen die
Nase. Auch ein alter Austragftübler war
noch da, ein steinalter Großvater. Da er be-
ständig krank war, so schenkte ich ihm mein
ärztliches Zeugnis, was ihn derart glücklich
machte, daß er alle srischgelegten Eier stahl,
deren er habhaft werden konnte und sie mir
heimlich brachte.
Das war ein Leben! Ich stand, bildlich
gesprochen, bis an den Lals im Schmalz, der
wohlgefüllten Räucherkammer, die gleich an
mein Schlafzimmer stieß, gar nicht zu gedenken, ,
noch auch der ungezählten selbst gebrannten
Verdauungsschnäpse und des herrlichen Apsel-
mostes. Ich kam mir vor wie im Paradies
und gelobte mir, keinerlei Llnvorsichtigkeiten
nach Art des alten Stammvaters Adam zu
begehen, die mich hätten daraus vertreiben
können. Bei alledem lauerte aber die Schlange
bereits auf mich, und bälder als ich dachte,
sollte sie über mich herfallen. And diese Schlange
war ein Wurm. Ein grauenhafter, nagender
Wurm. Er sah aus wie eine Rechnung über
Enttöuschung — „Lier wünschte ich mir ein Läuschen,
teure Agathe, wo wir beide ganz allein unserer Liebe leben könnten."
— „Pfui, Karl, du willst mir also nicht einmal ein Dienfimädchen halten."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Moderne Gauner; Enttäuschung
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Inschrift/Wappen/Marken
Transkription
- "Wir können mit dem Einbruch noch nicht anfangen; der Schurschi mit dem Filmapparat is noch nicht da!"
Anbringungsort/Beschreibung
Bildunterschrift Bild 1
Transkription
- "Hier wünschte ich mir ein Häuschen, teure Agathe, wo wir beide ganz allein unsere Liebe leben könnten." - "Pfui, Karl, du willst mir also nicht einmal ein Dienstmädchen halten."
Anbringungsort/Beschreibung
Bildunterschrift Bild 2
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
1917; um 1918
Entstehungsdatum (normiert)
1913 - 1923
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Zeitpunkt Aufnahme (normiert)
2009-10-21 - 2009-10-21
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 115.1918, Nr. 1454 (07.11.1918), S. 87 Universitätsbibliothek Heidelberg
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg