100 Meggendorfer-Blätter, München
Das Patentkammerfenster
— „Geh, Zenzerl, mach auf.
^onl Von Ertch Stooß
Ort der Landlung: Stadt in Süddeutschland.
Zeit: Gegenwart in Friedenszeit.
Toni ist ein Metzger von echtcm Schrot und Korn, der
neben seinem fettigen Beruf eine flottgehende Wirtschaft
führte, so daß eins dem andern half und beistand. Die
Bekanntschaft mit ihm machte ich eines Tages auf der
Wanderschaft. Von einem guten Freund begleitet, der sich
jedoch bald darauf wieder entfernte, um das goldene Glück
auf der Landstraße zu suchen, betrat ich, bestaubt und müde
vom Marsch, sein Lokal. Sogleich fällt mir in der peinlich
sauberen Wirtschaft ein in weißen Lemdsärmeln herum-
stolzierender, lebhafter Mensch mit blühendem, vollen Apfel-
gesicht, schneidigem Schnurrbart nebst Fliege am Kinn,
auf. Blitzschnell saust er auf uns zu und begrüßt uns
mit einer Lerzlichkeit und Wärme, als wenn er nur auf
uns gewartet hätte. „Grüß Gottl Grüß Gott! Gelt,
Seppl, mir kenne unsch doch, mir kenne unsch doch?"
sprudelt es aus seinem Munde. „Nein, das kann nicht sein,
denn ich heiße Emil!" ist meine Antwort. „Wosch, wosch,
Emil heischt, Emil heischt? Resi, Nesi, bring' 'm Emil
a Bier, a Bierl Gelt, Ihr kummt weit her heut'?" „Nein
wir haben heute nur 10 Kilometer zurückgelegt!" „Do hobt
'r Lung'r, wosch, Lung'r hobt 'r? Sog', willscht a Sulz'n, a
Sulz'n, Lax'n, Lax'n mit Sauerkraut, Seirippche, Seirippche,
konnscht olles hob'n bei mir!" Erschöpft holte er Atem, denn
beim Sprechen hatte er keine Zeit dazu. „Bitte, einen
Teller Sulze!" Da schmetterte seine Stimme schon wieder
durch den Raum: „Alti, Alti, sog', hoscht a Sulz'n, hoscht
noch a Sulz'n do?" Eine sanfte Stimme, der man das
Dulden von weitem anhörte, sagte: „Nein, Toni, die Sulze ist
alle geworden!" Ein ellenlanger, kerniger Fluchl Darauf
wendet er sich an mich: „Sulz'n isch ausgang'n, isch aus-
gang'n, ober sonscht konnscht olles hob'n, konnscht olles
hob'n, sog', willscht a Lax'n, a Lax'n?" „Ja, bringen Sie
eine Portion davon!" „Alti, Alti, a Lax'n, a Lax'n,
gleich bringscht a Lax'nl" Die ruhige Stimme antwortet
vorwurfsvoll: „Aber, Toni, es waren doch nur vier Lax'n
da!" „Wosch, sind nit meh do? Lax'n sind ausgang'n,
ausgang'n, ober sonscht konnscht olles hob'n bei mirl" brüllt
er mich an in bedauerndem Tone. Aeberhaupt war sein
Stimmorgan nicht von schlechten Eltern, denn ein feines
Singen ging von den Gläsern auf dem Schenktisch aus,
wenn er sich 'mal hören ließ. „Dann geben Sie mir, was
Sie da haben!" „Wort', i geh glei selbscht, werd' scho'
wosch bringe, werd' scho' wosch bringel" Im Nu war
er verschwunden und tauchte bald wieder mit einer
riesigen Platte, auf der ein halber Schweinskopf lag,
auf. „Siegscht, siegscht, a holb's Schweinsg'sicht, wosch
feins, wosch feins, dös Schweinsg'sicht!" Mit diesen
Worten stellte er das wirklich sehr appetitliche Gericht
vor mich hin. „Fresch, fresch, losch dir'sch gut schmecke, do
isch noch meh' drausch, do isch noch meh' drausch!" Dann
entfernte er sich und machte bei den Skatspielern am
Nebentisch den „Kibitz": „Siegscht, siegscht, hättscht grün
drauf g'worfe, hättscht g'wonne, hättfcht g'wonne!" In
wenigen Minuten hatte er bei seiner Lebhaftigkeit die Runde
durch sein Reich gemacht und stand wieder vor mir: „Willscht
weiter morge, willscht glei weiter morge?" „Nein, erst
möchte ich mich nach Arbeit umsehen, ist hier welche zu
bekommen?" „Wosch, Orbeit, Orbeit? Orbeit g'nung, solltscht
ka finne, konnscht bei mir Lausbursch wsrde, wirscht zu-
friede seil" „Am liebsten wär' mir's aber in meinem
Fach zu arbeiten!" „Freili, freili, isch besser, viel besser,
wosch bischt glei, wosch bischt?" „Schloffer!" „Do wirscht
schaffe könne, nur ka Angscht, nur ka Angscht!" „Könnte ich
denn heute bei Ihnen übernachten?" „Freili, freili konntscht!
Das Patentkammerfenster
— „Geh, Zenzerl, mach auf.
^onl Von Ertch Stooß
Ort der Landlung: Stadt in Süddeutschland.
Zeit: Gegenwart in Friedenszeit.
Toni ist ein Metzger von echtcm Schrot und Korn, der
neben seinem fettigen Beruf eine flottgehende Wirtschaft
führte, so daß eins dem andern half und beistand. Die
Bekanntschaft mit ihm machte ich eines Tages auf der
Wanderschaft. Von einem guten Freund begleitet, der sich
jedoch bald darauf wieder entfernte, um das goldene Glück
auf der Landstraße zu suchen, betrat ich, bestaubt und müde
vom Marsch, sein Lokal. Sogleich fällt mir in der peinlich
sauberen Wirtschaft ein in weißen Lemdsärmeln herum-
stolzierender, lebhafter Mensch mit blühendem, vollen Apfel-
gesicht, schneidigem Schnurrbart nebst Fliege am Kinn,
auf. Blitzschnell saust er auf uns zu und begrüßt uns
mit einer Lerzlichkeit und Wärme, als wenn er nur auf
uns gewartet hätte. „Grüß Gottl Grüß Gott! Gelt,
Seppl, mir kenne unsch doch, mir kenne unsch doch?"
sprudelt es aus seinem Munde. „Nein, das kann nicht sein,
denn ich heiße Emil!" ist meine Antwort. „Wosch, wosch,
Emil heischt, Emil heischt? Resi, Nesi, bring' 'm Emil
a Bier, a Bierl Gelt, Ihr kummt weit her heut'?" „Nein
wir haben heute nur 10 Kilometer zurückgelegt!" „Do hobt
'r Lung'r, wosch, Lung'r hobt 'r? Sog', willscht a Sulz'n, a
Sulz'n, Lax'n, Lax'n mit Sauerkraut, Seirippche, Seirippche,
konnscht olles hob'n bei mir!" Erschöpft holte er Atem, denn
beim Sprechen hatte er keine Zeit dazu. „Bitte, einen
Teller Sulze!" Da schmetterte seine Stimme schon wieder
durch den Raum: „Alti, Alti, sog', hoscht a Sulz'n, hoscht
noch a Sulz'n do?" Eine sanfte Stimme, der man das
Dulden von weitem anhörte, sagte: „Nein, Toni, die Sulze ist
alle geworden!" Ein ellenlanger, kerniger Fluchl Darauf
wendet er sich an mich: „Sulz'n isch ausgang'n, isch aus-
gang'n, ober sonscht konnscht olles hob'n, konnscht olles
hob'n, sog', willscht a Lax'n, a Lax'n?" „Ja, bringen Sie
eine Portion davon!" „Alti, Alti, a Lax'n, a Lax'n,
gleich bringscht a Lax'nl" Die ruhige Stimme antwortet
vorwurfsvoll: „Aber, Toni, es waren doch nur vier Lax'n
da!" „Wosch, sind nit meh do? Lax'n sind ausgang'n,
ausgang'n, ober sonscht konnscht olles hob'n bei mirl" brüllt
er mich an in bedauerndem Tone. Aeberhaupt war sein
Stimmorgan nicht von schlechten Eltern, denn ein feines
Singen ging von den Gläsern auf dem Schenktisch aus,
wenn er sich 'mal hören ließ. „Dann geben Sie mir, was
Sie da haben!" „Wort', i geh glei selbscht, werd' scho'
wosch bringe, werd' scho' wosch bringel" Im Nu war
er verschwunden und tauchte bald wieder mit einer
riesigen Platte, auf der ein halber Schweinskopf lag,
auf. „Siegscht, siegscht, a holb's Schweinsg'sicht, wosch
feins, wosch feins, dös Schweinsg'sicht!" Mit diesen
Worten stellte er das wirklich sehr appetitliche Gericht
vor mich hin. „Fresch, fresch, losch dir'sch gut schmecke, do
isch noch meh' drausch, do isch noch meh' drausch!" Dann
entfernte er sich und machte bei den Skatspielern am
Nebentisch den „Kibitz": „Siegscht, siegscht, hättscht grün
drauf g'worfe, hättscht g'wonne, hättfcht g'wonne!" In
wenigen Minuten hatte er bei seiner Lebhaftigkeit die Runde
durch sein Reich gemacht und stand wieder vor mir: „Willscht
weiter morge, willscht glei weiter morge?" „Nein, erst
möchte ich mich nach Arbeit umsehen, ist hier welche zu
bekommen?" „Wosch, Orbeit, Orbeit? Orbeit g'nung, solltscht
ka finne, konnscht bei mir Lausbursch wsrde, wirscht zu-
friede seil" „Am liebsten wär' mir's aber in meinem
Fach zu arbeiten!" „Freili, freili, isch besser, viel besser,
wosch bischt glei, wosch bischt?" „Schloffer!" „Do wirscht
schaffe könne, nur ka Angscht, nur ka Angscht!" „Könnte ich
denn heute bei Ihnen übernachten?" „Freili, freili konntscht!
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Das Patentkammerfenster
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Inschrift/Wappen/Marken
Transkription
- "Geh, Zenzerl, mach auf. Jeß, Marand Josef!"
Anbringungsort/Beschreibung
Bildunterschrift
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1918
Entstehungsdatum (normiert)
1913 - 1923
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Zeitpunkt Aufnahme (normiert)
2009-10-21 - 2009-10-21
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 115.1918, Nr. 1455 (14.11.1918), S. 100
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg