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Meggendorfer-Blätter, Müncken
schmeichelt werden um einer lumpigen Dienstleistung
willen, die man noch obendrein teuer bezahlen und
als große Gunst betrachten muß. Wer dagegen
schert sich um uns? Wer respektiert uns und macht
uns Komplimente? Keine räudige Katz l"
v2a, ja," erwiderte Lerr Grasmayer und blickte
trttbselig vor sich hin.
„Sag nicht immer stumpfsinnig ja, ja," schalt
seine Frau ärgerlich. „Aeberhaupt ist das noch eine
Art für einen Mann! Als wir gestern in der Aus-
stellung waren, und der Kontrolleur uns anschnauzte,
weil wir nicht rasch genug die EmtrittSkarten bei
der Land hatten, hast du gezittert und einen roten
Kopf gekriegt wie ein Schuljunge, der seinen Ent-
schuldigungszettel verloren hat."
„Ia, glaubst du vielleicht, ich hätte mich mit
dem Mann in einen Streit einlaffen sollen?" pro
testierte Lerr Grasmayer. „Er trug eine regelrechte
Aniform, und wie leicht ist da eine Beamtenbeleidigung
fertig. Die andern Leute taten es ja auch nicht."
Frau Grasmayer tat einen zornigen Schnaufer.
„Jmmer und immer die andern," murrte fie.
„Das ist's, was mich wurmt! Stets und immer
gehören wir zu den ,andern', die sich nicht mucksen
und rühren dttrfen und beständig vor dem Mauseloch
stehen mttssen, um auf das erste Signal hineinzu-
kriechen. Könnten wir nicht ebenso gut einen Dienst-
rock oder eine Autoritätskappe tragen, und könnten
wir nicht mal zur Abwechselung diejenigen sein, die
den ,andern' auf die Lühneraugen treten?"
„Ich bin ja vollkommen deiner Meinung, liebste
Malwine," stimmte Lerr Grasmayer zu, „aber es
läßt sich nun einmal nicht erzwingen. Du weißt ja
selbst, wie ich herumgelaufen bin, um mich den ver-
schiedenen Lilssdienstausschüffen und Versorgungs-
ämtern zur Verfügung zu stellen. Aufs Brot habe
ich mich ihnen sozusagen gestrichen, in die Nase habe
ich mich ihnen gerieben, aber was hat es mir genüht?
„Wenn du wenigstens ein Schuster wärst,
Lans Kaspar," klagte Frau Malwine. „Ein
ganz gewöhnlicher Flickschuster meinetwegen.
So ein Schuster ist jetzt eine Nummer. Neu-
lich, als ich deine Stiefel hintrug, war auch
die Frau Baronin von nebenan im Laden.
Eine Baronin in höchsteigener Person in einer
Schusterwerkstätte, mein Lieber, denke doch nur
mall And was sie für schöne Worte machen
mußte, daß ihr der Schuster die zerrissenen
Schuhe nur annahm, und was sie von der
Schustersfrau für dreiste Vertraulichkeiten hin-
nehmen mußte, nur um sie bei guter Laune
zu erhalten. Es ist wirklich staunenswert und
der helle Neid könnte einen packen, wenn man
steht, wie diese Leute förmlich hofiert und um-
Ein Versehen - „Sieh' zu, Nannerl, daß du bald mal in die Stadt
kommst! Am End' bleib' ich nicht mehr g. v. — morgen
muß ich wieder zum Stabsarzt."
- „O weh, und ich hab' dir noch so viel zu effen vorgesetzt."
Taschentuchnot
Herrn Grasrnayers Glückstern^ Von C A sennig
Lerr Kaspar Grasmayer (richtig Lans Kaspar) und seine Frau
Malwine waren sehr unglücklich. Nicht etwa, daß sie materielle
Sorgen gehabt hätten, o, durchaus nichtl Sie hatten sogar drei
Pfund Butter die Woche und manchmal auch
noch ein Pfund Schweinefleisch. Aber ein
andrer Kummer drückte fie und warf einen ver-
drießlichen Schatten auf ihr sonst so geruhiges
Leben. And das war ihre völlige Bedeutungs-
losigkeit im Reigen der gegenwärtigen sozial-
und kriegswichtigen Existenzen. Jhr Dasein
floß so völlig ruhmlos dahin, so ganz ohne
jenen Gnadenschimmer eines öffentlichen An-
sehns, wie er eben jetzt zur Erhöhung der
persönlichen Geltung fast unerläßlich ist.
Meggendorfer-Blätter, Müncken
schmeichelt werden um einer lumpigen Dienstleistung
willen, die man noch obendrein teuer bezahlen und
als große Gunst betrachten muß. Wer dagegen
schert sich um uns? Wer respektiert uns und macht
uns Komplimente? Keine räudige Katz l"
v2a, ja," erwiderte Lerr Grasmayer und blickte
trttbselig vor sich hin.
„Sag nicht immer stumpfsinnig ja, ja," schalt
seine Frau ärgerlich. „Aeberhaupt ist das noch eine
Art für einen Mann! Als wir gestern in der Aus-
stellung waren, und der Kontrolleur uns anschnauzte,
weil wir nicht rasch genug die EmtrittSkarten bei
der Land hatten, hast du gezittert und einen roten
Kopf gekriegt wie ein Schuljunge, der seinen Ent-
schuldigungszettel verloren hat."
„Ia, glaubst du vielleicht, ich hätte mich mit
dem Mann in einen Streit einlaffen sollen?" pro
testierte Lerr Grasmayer. „Er trug eine regelrechte
Aniform, und wie leicht ist da eine Beamtenbeleidigung
fertig. Die andern Leute taten es ja auch nicht."
Frau Grasmayer tat einen zornigen Schnaufer.
„Jmmer und immer die andern," murrte fie.
„Das ist's, was mich wurmt! Stets und immer
gehören wir zu den ,andern', die sich nicht mucksen
und rühren dttrfen und beständig vor dem Mauseloch
stehen mttssen, um auf das erste Signal hineinzu-
kriechen. Könnten wir nicht ebenso gut einen Dienst-
rock oder eine Autoritätskappe tragen, und könnten
wir nicht mal zur Abwechselung diejenigen sein, die
den ,andern' auf die Lühneraugen treten?"
„Ich bin ja vollkommen deiner Meinung, liebste
Malwine," stimmte Lerr Grasmayer zu, „aber es
läßt sich nun einmal nicht erzwingen. Du weißt ja
selbst, wie ich herumgelaufen bin, um mich den ver-
schiedenen Lilssdienstausschüffen und Versorgungs-
ämtern zur Verfügung zu stellen. Aufs Brot habe
ich mich ihnen sozusagen gestrichen, in die Nase habe
ich mich ihnen gerieben, aber was hat es mir genüht?
„Wenn du wenigstens ein Schuster wärst,
Lans Kaspar," klagte Frau Malwine. „Ein
ganz gewöhnlicher Flickschuster meinetwegen.
So ein Schuster ist jetzt eine Nummer. Neu-
lich, als ich deine Stiefel hintrug, war auch
die Frau Baronin von nebenan im Laden.
Eine Baronin in höchsteigener Person in einer
Schusterwerkstätte, mein Lieber, denke doch nur
mall And was sie für schöne Worte machen
mußte, daß ihr der Schuster die zerrissenen
Schuhe nur annahm, und was sie von der
Schustersfrau für dreiste Vertraulichkeiten hin-
nehmen mußte, nur um sie bei guter Laune
zu erhalten. Es ist wirklich staunenswert und
der helle Neid könnte einen packen, wenn man
steht, wie diese Leute förmlich hofiert und um-
Ein Versehen - „Sieh' zu, Nannerl, daß du bald mal in die Stadt
kommst! Am End' bleib' ich nicht mehr g. v. — morgen
muß ich wieder zum Stabsarzt."
- „O weh, und ich hab' dir noch so viel zu effen vorgesetzt."
Taschentuchnot
Herrn Grasrnayers Glückstern^ Von C A sennig
Lerr Kaspar Grasmayer (richtig Lans Kaspar) und seine Frau
Malwine waren sehr unglücklich. Nicht etwa, daß sie materielle
Sorgen gehabt hätten, o, durchaus nichtl Sie hatten sogar drei
Pfund Butter die Woche und manchmal auch
noch ein Pfund Schweinefleisch. Aber ein
andrer Kummer drückte fie und warf einen ver-
drießlichen Schatten auf ihr sonst so geruhiges
Leben. And das war ihre völlige Bedeutungs-
losigkeit im Reigen der gegenwärtigen sozial-
und kriegswichtigen Existenzen. Jhr Dasein
floß so völlig ruhmlos dahin, so ganz ohne
jenen Gnadenschimmer eines öffentlichen An-
sehns, wie er eben jetzt zur Erhöhung der
persönlichen Geltung fast unerläßlich ist.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Taschentuchnot; Ein Versehen
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Inschrift/Wappen/Marken
Transkription
- "Sieh' zu, Nannerl, daß du bald mal in die Stadt kommst! Am End' bleib' ich nicht mehr g. v. - morgen muß ich wieder zum Stabsarzt." - "O weh, und ich hab' dir noch so viel zu essen vorgesetzt."
Anbringungsort/Beschreibung
Bild 2: Bildunterschrift
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1918
Entstehungsdatum (normiert)
1913 - 1923
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Zeitpunkt Aufnahme (normiert)
2009-10-21 - 2009-10-21
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 115.1918, Nr. 1458 (05.12.1918), S. 148
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg