Zeitschrift für Humor und Kunst
^ ^ 149
Lerrn GrasmayerS Glückstern
Ich bin Ihnen mit meinen
neunundfünfzig Iahren zu
alt, und so lange sie noch
jüngere Kräfte haben, geben
sie denen den Vorzug."
Frau Grasmayer seufzte
tiefschmerzlich auf und ließ
gedankenvoll den Kopf
hängen. Nach einer Weile
aber erhob sie ihn wieder
und schaute visionären
Blickes zur Decke empor.
„Ach, wenn ich denke,"
phantasierte fie, „daß du
vielleicht einen Posten ha-
ben könntest wie der Äerr
Abele vom ersten Stock,
der bei der Kleiderbezug-
scheinabgabe ist, ich wüßte
mich gar nicht zu lassen vor
Glück und Stolz. Neulich
hat er mal erzählt, wie's
da zugeht. Zu hunderten
kommen dort täglich die
Leute, und inlangenNeihen
müssen ste geduldig harren,
bis sie einmal dran kom
men. And was für Leute —
darunter sind! Professoren
und Gelehrte, hohe Geist-
liche, Kommerzienräte, angesehene
Iuristen, berühmte Künstler und selbst
feudale Lerren. Auch Damen, von
der Modepuppe bis zur Scheuerfrau,
ohne Ausnahme und Standesunter-
schiede. And sie alle müssen Lerrn
Abele Rede und Antwort stehen,
und er darf sie gewiffermaßen aus-
sragen bis aufs Lemd. And er muß
das ja auch von Amts wegen und
weil es nicht anders geht. And wenn
sich einer widerspenstig und unge-
bärdig zeigen wollte, der wird ganz
einfach aus dem Saale verwiesen.
Denn Äerr Abele ist sehr nervös
von den vielen Anforderungen, die
an ihn gestellt werden, und man
kann es ihm nicht verdenken, wenn
er mal energisch vorgeht. Aber die
meisten Leute sind ja vernünftig
und fügen fich in die Verhältnisse.
Aber wie gesagt, wenn ich mir nun
so vorstelle, du säßest an Lerrn Abeles
Platz, wie groß und erhaben käme ich
mir da vor! Tag für Tag würde ich
mich binaufschleichen und mich in
eine Ecke drücken, um dir bei deiner
Amtierung zuzuschauen. And ich
würde mir denken, du wärst ein Sul
tan, der auf einem samtenen Thron
säße und alle deine Vasallen und
Lörigen kämen zu dir, um dir zu
huldigen und dann je nach Verdienst
und Wücdigkeit Gnadenbeweise oder
Der Zeitprmkt
— „Du, Albert, den Rahmen kauf' ich
mir, und wenn die letzte Brotkarte kommt,
steck' ich sie da zur Erinnerung 'rein."
„Na, da brauchst du doch den Rahmen jetzt noch nicht, das hat doch Zeit."
„Last du eine Ahnung, was so ein Rahmen in zehn Iahren wohl kosten wird!"
Reklame
— „Warum soll ich denn durchaus da
'rauf, mein Lieber — mit meinem Bauch!"
„Ich tät' dann den Lerrn schön bitten,
mir beim Führerzeugnis noch eine Photo-
graphie zu geben, — das würd' eine feine
Empfehlung für mich sein."
ihr Todesurteil aus deiner allmäch-
tigen Land zu empfangen."
„Lör auf, hör auf," schrie Lerr
Grasmayer. „Du bist ja wohl rein
verrückt geworden! Solch einen
hirnverbrannten Unsinn daher zu
schwätzen! Wenn es dich gar so
gelüstet, die Sultanin zu spielen und
das Publikum wie leibeigene Kulis
zu behandeln, so laß dich doch selber
wo anstellen! Gehe zur Post oder
zur Bahn, oder werde Ladenmamsell
oder Kellnerin oder meinetwegen auch
Trambahnschoffnerin."
„Was fällt dir ein,Lans Kasper,"
replizierte zornig die Gattin. „Ich
glaube, du bist selber verrückt. Ich bin
doch kein seckzehnjähriges Ding mehr,
daßich einen so verantwortungsvollen
Dienst wie bei der Post oder sonst
bei einem Amte versehen könnte, und
für eineLadnerin oderKellnerin danke
ich bestens. Ganz abgesehen davon,
daß ich gar nicht die Energie besäße,
mir die Gäste oder die Kundschaft
so zu ziehen, wie das jetzt nötig ist."
„Nun, so gib dich zufrieden,"
knurrte Lerr Grasmayer. „Es geht
uns doch gewiß so gut, daß wir keine
Arsache haben zu klagen. Wir haben
uns ordentlich was erspart, und ein
Rentner zu sein, wenn auch bloß ein
kleiner, ist rücht die schlechteste Po-
sition im Leben."
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Lerrn GrasmayerS Glückstern
Ich bin Ihnen mit meinen
neunundfünfzig Iahren zu
alt, und so lange sie noch
jüngere Kräfte haben, geben
sie denen den Vorzug."
Frau Grasmayer seufzte
tiefschmerzlich auf und ließ
gedankenvoll den Kopf
hängen. Nach einer Weile
aber erhob sie ihn wieder
und schaute visionären
Blickes zur Decke empor.
„Ach, wenn ich denke,"
phantasierte fie, „daß du
vielleicht einen Posten ha-
ben könntest wie der Äerr
Abele vom ersten Stock,
der bei der Kleiderbezug-
scheinabgabe ist, ich wüßte
mich gar nicht zu lassen vor
Glück und Stolz. Neulich
hat er mal erzählt, wie's
da zugeht. Zu hunderten
kommen dort täglich die
Leute, und inlangenNeihen
müssen ste geduldig harren,
bis sie einmal dran kom
men. And was für Leute —
darunter sind! Professoren
und Gelehrte, hohe Geist-
liche, Kommerzienräte, angesehene
Iuristen, berühmte Künstler und selbst
feudale Lerren. Auch Damen, von
der Modepuppe bis zur Scheuerfrau,
ohne Ausnahme und Standesunter-
schiede. And sie alle müssen Lerrn
Abele Rede und Antwort stehen,
und er darf sie gewiffermaßen aus-
sragen bis aufs Lemd. And er muß
das ja auch von Amts wegen und
weil es nicht anders geht. And wenn
sich einer widerspenstig und unge-
bärdig zeigen wollte, der wird ganz
einfach aus dem Saale verwiesen.
Denn Äerr Abele ist sehr nervös
von den vielen Anforderungen, die
an ihn gestellt werden, und man
kann es ihm nicht verdenken, wenn
er mal energisch vorgeht. Aber die
meisten Leute sind ja vernünftig
und fügen fich in die Verhältnisse.
Aber wie gesagt, wenn ich mir nun
so vorstelle, du säßest an Lerrn Abeles
Platz, wie groß und erhaben käme ich
mir da vor! Tag für Tag würde ich
mich binaufschleichen und mich in
eine Ecke drücken, um dir bei deiner
Amtierung zuzuschauen. And ich
würde mir denken, du wärst ein Sul
tan, der auf einem samtenen Thron
säße und alle deine Vasallen und
Lörigen kämen zu dir, um dir zu
huldigen und dann je nach Verdienst
und Wücdigkeit Gnadenbeweise oder
Der Zeitprmkt
— „Du, Albert, den Rahmen kauf' ich
mir, und wenn die letzte Brotkarte kommt,
steck' ich sie da zur Erinnerung 'rein."
„Na, da brauchst du doch den Rahmen jetzt noch nicht, das hat doch Zeit."
„Last du eine Ahnung, was so ein Rahmen in zehn Iahren wohl kosten wird!"
Reklame
— „Warum soll ich denn durchaus da
'rauf, mein Lieber — mit meinem Bauch!"
„Ich tät' dann den Lerrn schön bitten,
mir beim Führerzeugnis noch eine Photo-
graphie zu geben, — das würd' eine feine
Empfehlung für mich sein."
ihr Todesurteil aus deiner allmäch-
tigen Land zu empfangen."
„Lör auf, hör auf," schrie Lerr
Grasmayer. „Du bist ja wohl rein
verrückt geworden! Solch einen
hirnverbrannten Unsinn daher zu
schwätzen! Wenn es dich gar so
gelüstet, die Sultanin zu spielen und
das Publikum wie leibeigene Kulis
zu behandeln, so laß dich doch selber
wo anstellen! Gehe zur Post oder
zur Bahn, oder werde Ladenmamsell
oder Kellnerin oder meinetwegen auch
Trambahnschoffnerin."
„Was fällt dir ein,Lans Kasper,"
replizierte zornig die Gattin. „Ich
glaube, du bist selber verrückt. Ich bin
doch kein seckzehnjähriges Ding mehr,
daßich einen so verantwortungsvollen
Dienst wie bei der Post oder sonst
bei einem Amte versehen könnte, und
für eineLadnerin oderKellnerin danke
ich bestens. Ganz abgesehen davon,
daß ich gar nicht die Energie besäße,
mir die Gäste oder die Kundschaft
so zu ziehen, wie das jetzt nötig ist."
„Nun, so gib dich zufrieden,"
knurrte Lerr Grasmayer. „Es geht
uns doch gewiß so gut, daß wir keine
Arsache haben zu klagen. Wir haben
uns ordentlich was erspart, und ein
Rentner zu sein, wenn auch bloß ein
kleiner, ist rücht die schlechteste Po-
sition im Leben."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Der Zeitpunkt; Warum soll ich denn
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Inschrift/Wappen/Marken
Transkription
- "Du, Albert, den Rahmen kauf' ich mir, und wenn die letzte Brotkarte kommt, steck' ich sie da zur Erinnerung 'rein." - "Na, da brauchst du doch den Rahmen jetzt noch nicht, das hat doch Zeit." - "Hast du eine Ahnung, was so ein Rahmen in zehn Jahren wohl kosten wird!"
Anbringungsort/Beschreibung
Bild 1: Bildunterschrift
Transkription
- "Warum soll ich denn durchaus da 'rauf, mein Lieber - mit meinem Bauch!" - "Ich tät' dann den Herrn schön bitten, mir beim Führerzeugnis noch eine Photographie zu geben, - das würd' eine seine Empfehlung für mich sein."
Anbringungsort/Beschreibung
Bild 2: Bildunterschrift
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
1917; um 1918
Entstehungsdatum (normiert)
1913 - 1923
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Zeitpunkt Aufnahme (normiert)
2009-10-21 - 2009-10-21
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 115.1918, Nr. 1458 (05.12.1918), S. 149
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg