162 Meggendorfer-Blätter, München DD
Zeitgemäß — „Was, bloß zwei Wagen geben Sie zu der Eisenbahn?"
— „Das ist ja grad' das Feine, — da können die Kinder Verkehrsnot spielen."
Warum der Herr Wachtmeister sich ärgerte
Das war auf dem Bahnhof, — doch nein, den Namen
der Station will ich lieber nicht nennen. Es fahren dort
schon gerade genug Leute hin; wenn es weniger wären,
dann wäre es besser, — für die nämlich, die doch hinfahren.
Aus dieser Andeutung wird jeder der Notwendigkeiten
dieser Zeit Kundige entnehmen können, daß es sich um eine
ländliche Statwn handelt.
Auf dem Bahnhos also, deffen Namen ich nicht nennen
will, standen Leute und warteten auf den Zug, der sie wieder
nach der Stadt zurückbringen sollte, nach oer Stadt mit den
kleinen Nationen. And wie das immer ist, wenn solche
Leute auf solch einen Zug warten, redeten sie von dem
Wachtmeister, — dem Lerrn Gendarmen nämlich, zu dessen
Bezirk dte Station gehörte. Kommt er oder kommt er
nicht? Das war hier die Frage. Die Meinungen waren
geteilt.
Eine Dame, die sich, einen kleinen Rucksack auf dem
Rücken und ein Täichchen in der Äand, etwas abseils von
der in enger Jnteressengemeinschast sich zusammenscharenden
Menge der Wartenden gehalten, aber aufmerksam dem
Meinungsaustausch zugehört hatte, trat jetzt näher. „Jst
er schlimm?" fraqte sie. — Schlimm, das ist das in jener
Gegend gewöhnlich auf eifrig fahndende Gendarmen ange-
wendete Wort.
Eine Frau mit einem großen Korb antwortete zuerst.
„Ach wo, gar nicht schlimm ist er So leicht nimmt der
einem nichts weg."
„Na, und gern tut er's ja auch nicht," meinte ein Mann,
der vorhin erzählt hatte, daß er nie mehr als sechs Mark
für das Pfund Butter zu zahlen pflege. „Aber was soll er
machen, — ein bißchen kontrollieren muß er doch."
„Da kommt er!" rief ein kleiner Iunge.
Richtig, der Lerr Wachtmeister kam wirklich. Groß
und dick, mit gutmütigem Gesicht, aus dem wenig von der
zu seinem Beruf eigernlich notwendigen Energie sprach.
Ganz langsam kam er herangeschlendert. Er wäre über-
haupt zu spät gekommen, wenn der Zug nicht Verspätung
gehabt hätte. Aber nun war er einmal da und mußte eben
auch kontrollieren. Er tat das sehr höflich. „Ach, erlauben
Siel" sagte er zu jedem, und dann sah er ganz obenhin
und flüchtig in den Rucksack oder das sonstige Transport-
mittel hinein. Kartoffeln, Obst, bei dem oder jenem ein
Brot, — nun, an all dem war nichts auSzusetzen. Der Lerr
Wachtmeister schien sehr zufrieden zu sein.
Und nun kam er auch zu der Dame, die sich vorhin
erkundigt hatte, ob der Wachtmeister schlimm wäre. Sehr
höfllch legte er die Land an seine Mütze. „Darf ich bitten,
— ich muß einmal in den Rucksack hineinschauen." Die
Dame war blaß, sie war sogar weiß geworden; hilflos er-
geben öffnete sie ihren kleinen Rucksack und da, — ja, da
lag nun obenauf ein Paket Butter.
Der Lerr Wachtmeifter machte ein Gesicht, als wäre
etwas geschehen, was er nie und nimmer erwartet hätte.
Zwei Minuten dauerte es, bis er sich gefaßt hatte; dann
nahm er die Butter an sich und notierte den Namen der
Schuldigen, aber mit ganz ersichtlichem Widerwillen und
Copyright 1918 by I. F. Schretber
Zeitgemäß — „Was, bloß zwei Wagen geben Sie zu der Eisenbahn?"
— „Das ist ja grad' das Feine, — da können die Kinder Verkehrsnot spielen."
Warum der Herr Wachtmeister sich ärgerte
Das war auf dem Bahnhof, — doch nein, den Namen
der Station will ich lieber nicht nennen. Es fahren dort
schon gerade genug Leute hin; wenn es weniger wären,
dann wäre es besser, — für die nämlich, die doch hinfahren.
Aus dieser Andeutung wird jeder der Notwendigkeiten
dieser Zeit Kundige entnehmen können, daß es sich um eine
ländliche Statwn handelt.
Auf dem Bahnhos also, deffen Namen ich nicht nennen
will, standen Leute und warteten auf den Zug, der sie wieder
nach der Stadt zurückbringen sollte, nach oer Stadt mit den
kleinen Nationen. And wie das immer ist, wenn solche
Leute auf solch einen Zug warten, redeten sie von dem
Wachtmeister, — dem Lerrn Gendarmen nämlich, zu dessen
Bezirk dte Station gehörte. Kommt er oder kommt er
nicht? Das war hier die Frage. Die Meinungen waren
geteilt.
Eine Dame, die sich, einen kleinen Rucksack auf dem
Rücken und ein Täichchen in der Äand, etwas abseils von
der in enger Jnteressengemeinschast sich zusammenscharenden
Menge der Wartenden gehalten, aber aufmerksam dem
Meinungsaustausch zugehört hatte, trat jetzt näher. „Jst
er schlimm?" fraqte sie. — Schlimm, das ist das in jener
Gegend gewöhnlich auf eifrig fahndende Gendarmen ange-
wendete Wort.
Eine Frau mit einem großen Korb antwortete zuerst.
„Ach wo, gar nicht schlimm ist er So leicht nimmt der
einem nichts weg."
„Na, und gern tut er's ja auch nicht," meinte ein Mann,
der vorhin erzählt hatte, daß er nie mehr als sechs Mark
für das Pfund Butter zu zahlen pflege. „Aber was soll er
machen, — ein bißchen kontrollieren muß er doch."
„Da kommt er!" rief ein kleiner Iunge.
Richtig, der Lerr Wachtmeister kam wirklich. Groß
und dick, mit gutmütigem Gesicht, aus dem wenig von der
zu seinem Beruf eigernlich notwendigen Energie sprach.
Ganz langsam kam er herangeschlendert. Er wäre über-
haupt zu spät gekommen, wenn der Zug nicht Verspätung
gehabt hätte. Aber nun war er einmal da und mußte eben
auch kontrollieren. Er tat das sehr höflich. „Ach, erlauben
Siel" sagte er zu jedem, und dann sah er ganz obenhin
und flüchtig in den Rucksack oder das sonstige Transport-
mittel hinein. Kartoffeln, Obst, bei dem oder jenem ein
Brot, — nun, an all dem war nichts auSzusetzen. Der Lerr
Wachtmeister schien sehr zufrieden zu sein.
Und nun kam er auch zu der Dame, die sich vorhin
erkundigt hatte, ob der Wachtmeister schlimm wäre. Sehr
höfllch legte er die Land an seine Mütze. „Darf ich bitten,
— ich muß einmal in den Rucksack hineinschauen." Die
Dame war blaß, sie war sogar weiß geworden; hilflos er-
geben öffnete sie ihren kleinen Rucksack und da, — ja, da
lag nun obenauf ein Paket Butter.
Der Lerr Wachtmeifter machte ein Gesicht, als wäre
etwas geschehen, was er nie und nimmer erwartet hätte.
Zwei Minuten dauerte es, bis er sich gefaßt hatte; dann
nahm er die Butter an sich und notierte den Namen der
Schuldigen, aber mit ganz ersichtlichem Widerwillen und
Copyright 1918 by I. F. Schretber
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Zeitgemäß
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Inschrift/Wappen/Marken
Transkription
- "Was, bloß zwei Wagen geben Sie zu der Eisenbahn?" - "Das ist ja grad' das Feine, - da können die Kinder Verkehrsnot spielen."
Anbringungsort/Beschreibung
Bildunterschrift
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
1917
Entstehungsdatum (normiert)
1917 - 1917
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Zeitpunkt Aufnahme (normiert)
2009-10-21 - 2009-10-21
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 115.1918, Nr. 1459 (12.12.1918), S. 162
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg