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<>2-2-2-0-r-0-0^ Zeitschrift sür Humor und Kunst <>(><>>2-<>0-r-2^^ I8Z

Das Geschenk, das auf den Finger
pafsen svllte

dabei von den anderen Fin-
gern den Ringfinger etwas
abjonderte. Sie schien fast
zu erwarten, daß Doktor
Schmittchen die Dand er-
greifen würde, aber das tat
er nicht, er sah sie sich nur
genau an, und dann nickte
er. So, jetzt wußte er Be°
scheid, mehr brauchte er nicht,
denn er hatte ein ganz gutes
Augenmaß. „Llnd jetzt, gnä-
diges Fi äulein," sagte er und
lächelte wieder ein bißchen
listig, „denken Sie nicht wei-
ter darüber nach. Also, nicht
wahr: Sie wiffen von gar
nichts, Sie können sich gar
nichts denken."

„Bewahre, ich kann mir
gar nichts denken," sagte
Fräulein Meta und wollte
dem Doktor noch immer ganz
resolut ins Gestcht schauen.

Aber das brachte sie doch
nicht fertig; nein, sie mußte
den Kopf senken. Es war
nur gut, daß die Familien-
pbotographien noch auf dem
Tisch lagen, da hatte sie jetzt
doch eine Beschäftigung, die
zusammenzuräumen. Dann
kam auch Äerr Lanke nach
Lause. und die Familie setzte
sich mit dem Gast an den
Abendbrottisch. !lm elf Ahr
empfahl sich Doktor Schmitt-
chen und dankte, wie er das
bisher nach jedem Besuch
getan haite, auch diesmal für
genoffene Gaftfreundschaft mit der Versicherung, solch ein
gemütlicker Abend im fiillen häuslichen Kreise sei doch et-
was ganz Lerrliches.

Wenn dergleichen gesagt wird, ist es in vielen Fällen
gar nicht so gemeint. Bei Doktor Schmittchen aber kam
es aus ehrlichem Lerzen, und das wird gleich klar werden,
wenn man das Nötige über ihn erfahren hat. Dieser jetzt
dreißigjährige Albert Schmittchen war in Greifswalo ge°
boren als das einzige Kind zweier Leute, eines Mannes
und einer Frau natürlich, die in diesem Albert ihren ein°
zigen Lebenszweck erblickten, welche Anschauuna ihnen durch
ein genügendes Vermögen erleichtert wurde. Wenn sie auch
an andere Dinge hätten denken müssen, hätten sie sich nicht
ausschließlich um den Albert kümmern können, und das wäre
für den vielle cht ganz gut aewesen. So aber wuchs Albert
heran, ganz und gar im elterlichen Lause eingekapselt, und
kam nicht einen einzigen Tag von Papa und Mama fort,
denn so hatten seine Eltern ihn gelehrt, sie anzureden. Er
ginq in Greifswald zur Schule, studierte dort an der Ani-
verstkät und ließ nach entsprechender Zeit am elterlichen
Lause ein Schild anbringen: Dr. med. Albert Schmittchen,
Spezialarzt für Magen- und Darmleiden. Viel Praxis
bekam er nicht, aber das war ihm ganz recht, und abends

saß er einen Tag wie den
andern mit Papa und Ma°
ma zusammen, und sie er-
zählten sich etwas oder lasen
oder spielten Domino, und
dies alles fand das große,
Magen und Därme kurieren
de Kind sehr richtig urck war
vollkommen glücklich dabei.

Zum Militär einberufen
zu werden, ift kein Glück, ein
richtiqes Anglück aber war es
für Doktor Schmittchen. Sie
nahmen ihn, verlangten, daß
er eine Aniform anzoq mit
dem AeSkulapstab auf den
Achseln, und sch^ckten ihn
weit fort in eine fremde große
Stadt, wo er in einem Re-
servelazarett, das durch den
Buchstaben H gekennzeichnet
wurde, viel zu kurieren hatte.
Das tat er auch, so aut er
es verstand, aber schrecklich
waren ihm die Abende, an
denen er frei hatte. Wo
sollte er bleiben? Mit Ka°
meraden mochte er nicht zu-
sammensitzen, da ging es ihm
zu laut her, da fühlte er sich
so gräßlich fremd. Dann
wollte es ein scköner Zu-
fall, daß ein Kollege ihn
mit Lankes bekannt machte;
Frau Lanke lud ihn ein, und
bald wurde er ein regelmäßi-
ger Gast in der Familie.
!lnd nun hatte er doch ein-
oder gar zweimal in der
Woche, was er fich so sehr
wünschte: den Abendfrieden
der Läuslichkeit. Den ge°
noß er mit vollem Lerzen, und an etwas anderes dachte
Doktor Schmittchen bei seinen Besuchen wirklich und
wahrhastig nicht.

Lankes aber dachten an etwas anderes. Zuerst Frau
Lanke. Nun, dieser Doktor Schmittchen war ein sehr
vertrauenswürdiger Mensch, hatte Geld zu erwarten, einen
anständigen Beruf, — bei solch einem Mann ist eine Tochter
am besten aufgehoben. Dieser Meinung neigte sich schließlich
auch Fräulein Meta zu, wenn er ihr auch anfangs gar zu
schüchtern, zu unbeholfen und kleinstädtisch war; sie hätte
ihn lieber etwas forscher gehabt. Aber zuverlässig war er,
das stand fest, und das fiel sehr ins Gewicht, denn wie sehr
waren nicht viele andere Männer durch den Krieg ver-
wlldert. And überhaupt: einer mußte es einmal sein. Nur
hätte dieser gute Lerr Schmittchen allmählich auch Anstalten
treffen sollen. Aber er kam, er aß vergnüqt mit Lankes,
er trank Tee, saß mit glücklichem Gesicht da und schaute
bescheiden auf Lerrn und Frau Lanke, gerade als wären
diese jeht stellvertretunqSweise sein Papa und seine Mama.
Er tat, als sollte das immer so bleiben, und das war ein
unerfreulicker Zustand, der, wie manche anderen uner-
freulichen Zustände, nur durch ein entscheidendes Wort
beendigt werden konnte. —

Das Neue — „3ch mein', ich fang' an, schlecht zu hören.
Den Lerrn Pfarrer hab' ich heut' gar nicht recht verstanden."
— „Das war nur das Angewohnte, Alte, — weil er
heut' zum erfienmal auf den Krieg geschimpft hat."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
Das Neue
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Inschrift/Wappen/Marken
Transkription
- "Ich mein', ich fang' an, schlecht zu hören. Den Herrn Pfarrer hab' ich heut' gar nicht recht verstanden." - "Das war nur das Ungewohnte, Alte, - weil er heut' zum erstenmal auf den Krieg geschimpft hat."
Anbringungsort/Beschreibung
Bildunterschrift

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Claus, Martin
Entstehungsdatum
1917
Entstehungsdatum (normiert)
1917 - 1917
Entstehungsort (GND)
Esslingen am Neckar

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Haus
Ehepaar
Winter
Spazierstock
Weltkrieg <1914-1918>
Zylinder <Kopfbedeckung>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Zeitpunkt Aufnahme (normiert)
2009-10-21 - 2009-10-21
Aufbewahrungsort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 115.1918, Nr. 1460 (19.12.1918), S. 183

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
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