118 Meggendorfer-Blätter, München
Mißverständnis
„Spenden für die Restauration der Burg/ liest der Bauer
auf der Büchse, die an der Burgruine angebracht ist.
„Daß die da drinnen faufen könnenl — Keinen Pfennig
> 'geb' ich dafür her' murmelte er entrüstet und geht weiter!
Äaftpflicht-Lersicherung
jetzt versetzte. „Dann kann ich betteln gehnl" wiederholte
er, und dann kehrte er auf der Stelle um und dachte nicht
mehr ans Spazierengehn. Mit schlotternden Knien kläg-
lich wankend, als wäre er bereits auf einem Bettelgange
begriffen, begab er fich zu Korbinian Lenkels Lause zurück
und erkärte seiner Frau, er müßte sofort wieder in die Stadt
fahren, und bis er zurück wäre, dürfe unter gar keinen
Amständen Feuer angezündet werden; man möge kalt essen
oder ins Wirtshaus gehn. Dann fuhr er ab, und der Zug,
der ein Bummelzug war, bewegte fich sür seine Empfindungen
viel, viel zu langfam.
In der Stadt ging Lerr Molkenbuhr zu dem Lerrn
Generalagenten der „Allgemeinen Verstcherungsgesellschast
Lilfe" und schloß eine sofort gültige Versicherung gegen
Laftpflicht ab, auf zehn Jahre gegen eine jährliche Prämie
von fünfzehn Mark. Das war nicht teuer, denn Lerr Molken-
buhr konnte gegebenen Falles
eine Menge dafüc verlangen.
Ieder Schaden, den er und seine
Familienmitglieder und auch das
Dienstmädchen Auguste — denn
ein Dienstmädchen war in die
Verficherung einbezogen, sonst
hätte die ganze Geschichte keinen
Zweck gehabt — an andcren
Personen oder deren Eigentum
anrichten würden, und der dann
zu einem auf der gesetzlichen
Laftpflicht beruhenden Anspruch
führte, mußte von der Lilfe be-
zahlt werden, dazu hatte sie fich
verpflichtet. So, nun konnte die
Auguste auf Spiritus kochen, so
unvorsichtig, wie sie nur wollte,
— Lerr Molkenbuhr brauchte
sich gar keine Sorgen darum
zu machen. Der Wurm in sei-
nem Gehirn war getötet, die
Polics der Lilfe hatte ihm das
Leben geraubt.
Leute, die verfichert sind, er-
leiden ganz bestimmt weniger
Schaden ats nicht Versicherte.
Allerdings ist hierbei nur an
Schäden zu denken, die ohne be-
sondere, mehr oder minder ge-
schickke und kunstvolle Nachhilfe
seitens desjenigen entftehen, der
den Schaden hat. Die andern,
auf mehr oder minder ge-
schickte und kunstvolle Nachhilfe
zurückzuführenden Schäden, be-
sonders Feuer und Lagelschäden,
befallen, wie hinlänglich bekannt
ist, natürlich nur versicherte
Leute. Aber das kam bei Lerrn
Molkenbuhr nicht in Frage, und
so brzahtte er nun jedes Iahr
pünktlich am I. Iuli 15 Mark
an die „Allgemeine Versicher-
ungsgesellschafl Lilfe", ohne daß
die Lilfe jemals etwas für ihn
zu bezahlen genötigt wurde.
Sechs Iahre war die Versicher-
ung schon gelaufen — gelaufen.
Was es doch für komische Ausdrücke in der deutschen Sprache
gibt! — da suchte das Lau« Molkenbuhr ein kleiner Trauer-
fall heim: Ami, der kleine flockige Ssidenpinscher, der
Molkenbuhrs 14 Iahre lang durch sein Dasein erfceut
hatte, verließ als hochbetagter Lundegreis diese Welt des
Lundekuchens und der Tischabfälle. Einen Monat lang
dachten Molkenbuhrs mit allmählich schwindender Wehmut
an den kleinen Genoffen, dann ließ Lerr Molkenbuhr von
einer rühmlichst bekannten Lundezuchtanstalt einen illu-
strierten Katalog ihrer Produkte sich schicken, überlegte drei
Tage lang. sandte 100 Mark an die Lundezuchtanstalt
und erhielt darauf in einer für diesen Zweck sehr sinn-
reich eingerichteten Kiste einen in garantierter Gssundheit
anlangenden, drei Monate alten Foxterrier. Lerr Molken-
buhr taufte den Lund „Quick", was zwar eine engltsche
Vokabel, aber ein gut deutsches Wort ist. Wer mißtrauisch
Mißverständnis
„Spenden für die Restauration der Burg/ liest der Bauer
auf der Büchse, die an der Burgruine angebracht ist.
„Daß die da drinnen faufen könnenl — Keinen Pfennig
> 'geb' ich dafür her' murmelte er entrüstet und geht weiter!
Äaftpflicht-Lersicherung
jetzt versetzte. „Dann kann ich betteln gehnl" wiederholte
er, und dann kehrte er auf der Stelle um und dachte nicht
mehr ans Spazierengehn. Mit schlotternden Knien kläg-
lich wankend, als wäre er bereits auf einem Bettelgange
begriffen, begab er fich zu Korbinian Lenkels Lause zurück
und erkärte seiner Frau, er müßte sofort wieder in die Stadt
fahren, und bis er zurück wäre, dürfe unter gar keinen
Amständen Feuer angezündet werden; man möge kalt essen
oder ins Wirtshaus gehn. Dann fuhr er ab, und der Zug,
der ein Bummelzug war, bewegte fich sür seine Empfindungen
viel, viel zu langfam.
In der Stadt ging Lerr Molkenbuhr zu dem Lerrn
Generalagenten der „Allgemeinen Verstcherungsgesellschast
Lilfe" und schloß eine sofort gültige Versicherung gegen
Laftpflicht ab, auf zehn Jahre gegen eine jährliche Prämie
von fünfzehn Mark. Das war nicht teuer, denn Lerr Molken-
buhr konnte gegebenen Falles
eine Menge dafüc verlangen.
Ieder Schaden, den er und seine
Familienmitglieder und auch das
Dienstmädchen Auguste — denn
ein Dienstmädchen war in die
Verficherung einbezogen, sonst
hätte die ganze Geschichte keinen
Zweck gehabt — an andcren
Personen oder deren Eigentum
anrichten würden, und der dann
zu einem auf der gesetzlichen
Laftpflicht beruhenden Anspruch
führte, mußte von der Lilfe be-
zahlt werden, dazu hatte sie fich
verpflichtet. So, nun konnte die
Auguste auf Spiritus kochen, so
unvorsichtig, wie sie nur wollte,
— Lerr Molkenbuhr brauchte
sich gar keine Sorgen darum
zu machen. Der Wurm in sei-
nem Gehirn war getötet, die
Polics der Lilfe hatte ihm das
Leben geraubt.
Leute, die verfichert sind, er-
leiden ganz bestimmt weniger
Schaden ats nicht Versicherte.
Allerdings ist hierbei nur an
Schäden zu denken, die ohne be-
sondere, mehr oder minder ge-
schickke und kunstvolle Nachhilfe
seitens desjenigen entftehen, der
den Schaden hat. Die andern,
auf mehr oder minder ge-
schickte und kunstvolle Nachhilfe
zurückzuführenden Schäden, be-
sonders Feuer und Lagelschäden,
befallen, wie hinlänglich bekannt
ist, natürlich nur versicherte
Leute. Aber das kam bei Lerrn
Molkenbuhr nicht in Frage, und
so brzahtte er nun jedes Iahr
pünktlich am I. Iuli 15 Mark
an die „Allgemeine Versicher-
ungsgesellschafl Lilfe", ohne daß
die Lilfe jemals etwas für ihn
zu bezahlen genötigt wurde.
Sechs Iahre war die Versicher-
ung schon gelaufen — gelaufen.
Was es doch für komische Ausdrücke in der deutschen Sprache
gibt! — da suchte das Lau« Molkenbuhr ein kleiner Trauer-
fall heim: Ami, der kleine flockige Ssidenpinscher, der
Molkenbuhrs 14 Iahre lang durch sein Dasein erfceut
hatte, verließ als hochbetagter Lundegreis diese Welt des
Lundekuchens und der Tischabfälle. Einen Monat lang
dachten Molkenbuhrs mit allmählich schwindender Wehmut
an den kleinen Genoffen, dann ließ Lerr Molkenbuhr von
einer rühmlichst bekannten Lundezuchtanstalt einen illu-
strierten Katalog ihrer Produkte sich schicken, überlegte drei
Tage lang. sandte 100 Mark an die Lundezuchtanstalt
und erhielt darauf in einer für diesen Zweck sehr sinn-
reich eingerichteten Kiste einen in garantierter Gssundheit
anlangenden, drei Monate alten Foxterrier. Lerr Molken-
buhr taufte den Lund „Quick", was zwar eine engltsche
Vokabel, aber ein gut deutsches Wort ist. Wer mißtrauisch