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— Ia, Madl, was tuast denn du mit an Zeitungsblattl, kitmmerst
eppe du di um Bolidik?" — „Na, i les nur an Kursbericht!"

Neüame Von LannS Letdsieck

Neulich stehe ich an der Laltestelle meiner Elektrischen,
als mich ein Äerr anspricht:

„Verzeihung — — ist es lohnend, nach ,Blendall
hinauszufahren —?"

Blendal? Ich überlegte. Ein Reklameschild fiel mir
ein, das seit einiger Zeit an den Wagen unserer Straßen-
bahn prangte. Ausgerechnet an jener Stelle, wo ehemals
die Slrecken verzeichnet waren.

Aber es ist ja freilich viel wichtiger, wenn man weiß,
daß Blendal das beste, unübertroffenste, kurz, einfach: das
Zahnputz-Neinigungsmittel s prlor! bedeutet, — als daß
man weiß, wohin die Elektrische fährt.

Der Kuckuck mag wissen, was mich veran>aßte, dem
FremdenmiternstesterMiene einenAusflug »achBlendalsehr
zu empfehlen. Schließlich wllrde er nicht unglücklich sein, denn
diesc Linie endete tatsächlich in einer sehr jchönei» (Segend.

Als ob meinBlickdurch diesenAnstoß
plötzlich geschärft worden wäre, sprangen
mir fortan alle Reklameschilder doppelt
ins Auge. Ich fing mit Berechnungen
an, deren Ziffern ins Astronomische
schlugen: wieviel Zeit wir täglich für
das ungewollte Lesen der Neklameschilder
verwenden — — wieviel durch diese
Neklame umgesetzt, eingebracht, veraus-
gabt und schließlich vergeudet werde.

Es kann heutzutage wirklich eine
Preistrage sein, ob ein durch dieStraßen
rollender gelbcr Wagcn wirklich ein
Postwagen oder derAuslieferungswagen
von Mctzger, Müller oder Schulze und
Compagnie ist.

Wo gibt es überhaupt noch im
öffentlichen Berkehr ein ruhiges Fleck-
chen, das noch nicht mit Reklameschildern
beklebt ist-?

So rollten und purzelten mir die
sinnigsten und unstnnigsten Gedanken
durchs Lirn. Die Frage des praktischen
Wertes und des Verdienstes gewann aber
lchließlich immer wieder die Oberhand.

Die Post, die Bahn, Lausbesiher,
kurz alle, die Flächen und Räume zu
Neklamezwecken vermieteten, mußten ein
Äeidengeld mit der Sache verdienen . .

Wie wäre es? —

Mirfiel etwas ein! Ein rettenderGedanke,
der mich von allen wirtschaftlichen Nöten der
Zeit mit einem Schlage befreien sollte:

Zch wollte mich mit Weib und Kind und
Laus und Lof derReklame verschreiben. Ich
wollte mich diesem Teufel, der mir tagtäglich
in den grellsten Farben entgegensprang, mit
Leib und Seele verkaufen.

Somitinsericrteichzunächstselbereinmal:

„Achtunq! — Reklame! —"

Es kamen 3000 Angebote.

Ich begann damit, sämtliche Flächen
mcines §>auses entsprechend gut zahlenden
Firmen zur Verfügung zu stellen.

Bald prangten an der Villa Schilder
einer Zigaretten-, Schuhkreme-, Zement-,
Fahrstuhl-, Klosettpapier-, Maschinen-,
Schmieröl-, Konserven-, Automobil- und
einer Margarine-Fabrik. Ferner von 2 Filmgesellschasten
und einem Vergnügungsklub.

Da balv sämt'iche Flächen völlig mit Schildern ver-
kleidet waren, hatte ich einen doppelten Nutzen:

1. konnte ich von den eingehenden Summen mit meiner
gesamten neunköpfigen Familie auskömmlich leben, und

2. sparte ich für die Zukunft das Verputzen des Lauses,
was heutzutage auch ein Vermögen bedeutet.

Aber je mehr der Mensch hat, je mehr will er!

And so kamen wir noch auf ganz neue Gedanken. Wir
haben nämlich weitere Reklamekonsequenzen gezogen, d. h.
vorerst meine Frau. Eine Frau ist immer die Schlauere.
Es wäre ein falscher Stolz, das nicht zuzugeben.

Also! Eines schönen Tages kommt meine Frau nach
Lause — ich denke, mich rührt der Schlag!

Von oben bis unten in einen Perserteppich gewickelt!

Ich zweffelte zunächst an ihrcm Verstande. Aber sie
lächelte und streichelte nnr liebevoll über die Backen.

Lande tüchtig gekegelt, Lerr Sekretär?"

— „Was Sie nicht meinen! Ich war froh, daß
ich den Bauern die Kegel aufstellen durfke,
da bekam ich dann immer 'n gutes Effen."

Copyrlaht 1922 bv I. F. Schrewcr
 
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